Interview: "Ohne die Basis im Handwerk geht es nicht"
Gerd Benzmüller ist neuer Präsident des Bundesverbandes der Kreishandwerkerschaften. Wie er die "die kommunale Familie des Handwerks" durch Netzwerke und Innovationen stärken will.
Gerd Benzmüller ist seit Oktober Präsident des Bundesverbands der Kreishandwerkerschaften (BV-KH). Der 54-jährige Elektrotechnikermeister aus Ockfen bei Saarburg (Rheinland-Pfalz) hat sich vor 30 Jahren in der Garage seiner Eltern selbstständig gemacht, ein florierendes Unternehmen mit 60 Mitarbeitern aufgebaut und ist von Tag eins an ehrenamtlich aktiv.
Angefangen hat er als Lehrlingswart und später Obermeister der Innung. Über die Jahre wurde die Liste der Ehrenämter so lang, dass Gerd Benzmüller 2020 die Geschäftsführung seines Unternehmens an zwei Meister – ehemalige Auszubildende – übergab und sich seither in erster Linie auf sein Engagement in Handwerk und Politik fokussiert.
So ist er seit 2016 Kreishandwerksmeister der KH Trier-Saarburg und seit 2021 Präsident des Landesverbands der Kreishandwerkerschaften. 2024 bis 2025 war er bereits Vizepräsident des Bundesverbands. Gerd Benzmüller ist zudem im Vorstand der Handwerkskammer Trier, Verwaltungsratsvorsitzender der IKK Südwest sowie Mitglied im GKV-Spitzenverband. Außerdem engagiert er sich in der Politik: Als Ortsbürgermeister seiner Heimatgemeinde, Kreistagsabgeordneter und als Kandidat für die FDP bei der kommenden Landtagswahl. Wir erreichen ihn zwischen zahlreichen Terminen in Berlin, Mainz und seinem Heimatort.
Ob im Handwerk, in der Politik oder im Gesundheitswesen: "Ich freue mich, wenn ich etwas mitgestalten und bewegen kann", sagt Benzmüller, der bei jeder Gelegenheit versucht, junge Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer für eine Innungsmitgliedschaft zu begeistern.
DHB: Herr Benzmüller, was haben Sie sich als Präsident des Bundesverbandes der Kreishandwerkerschaften vorgenommen?
Benzmüller: Wir wollen weiter wachsen und den Verbund noch enger vernetzen. Aktuell sind etwa 148 von 250 Kreishandwerkerschaften im Bundesverband organisiert. Bei den Kreishandwerkerschaften gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Im Norden sind sie deutlich stärker als im Süden, betreiben teilweise eigene Bildungszentren. Es ist deshalb ein Erfolg, dass wir gerade die erste Kreishandwerkerschaft aus Bayern gewinnen konnten. Dort spielen die KH fast gar keine Rolle, der Kreishandwerksmeister ist oft ein Mitarbeiter der Handwerkskammer. Diese Strukturen haben sich traditionell entwickelt. Auch im Osten müssen wir das System wieder stärken. In Rheinland-Pfalz arbeiten die drei Säulen des Handwerks - Handwerkskammern, Unternehmerverbände und Kreishandwerkerschaften – übrigens gut und auf Augenhöhe zusammen.
DHB: Wo sehen Sie die Kreishandwerkerschaften in Zukunft?
Benzmüller: Wir haben alle Probleme mit Mitgliederschwund. Es ist sicher nicht immer einfach, das System aufrecht zu erhalten. Aber wir bilden den Innungen die Basis für das Ehrenamt, die unterste Ebene der Demokratie im Handwerk, wir sind die kommunale Familie des Handwerks. Das sind die Ehrenamtlichen, die es braucht, um die Präsidien der Kammern und Verbände zu besetzen. Niemand wird direkt Kammerpräsident, der Weg geht immer von unten nach oben. Teilweise werden wir allerdings von den Fachverbänden belächelt, aber ganz ehrlich: Ohne Innungen und nur mit Fachverbänden kämen wir auch nicht weit. Der Fachverband für die Elektriker "Fehr" beispielsweise sitzt in Wiesbaden. Ich denke nicht, dass viele unserer Mitglieder regelmäßig dorthin fahren würden. Unsere Aufgabe als Bundesverband ist es daher, den Kreishandwerkerschaften vor Ort Netzwerke zu bieten, Best-Practise-Beispiele vorzustellen und die Unterstützung im täglichen Geschäft. Die Kreishandwerkerschaften bieten viele Serviceleistungen und Tools für die Betriebe, denn wer zu uns – zum organisierten Handwerk – kommt, der möchte eine Gegenleistung haben, sonst kündigt er. Meiner Meinung nach sind Fusionen trotz knapper Kassen nicht der richtige Weg, weil unsere Stärke in der Region liegt. Ich plädiere stattdessen für eine engere Zusammenarbeit und Vernetzung der Geschäftsstellen.
DHB: Welche Rolle spielt die Kreishandwerkerschaft denn vor Ort?
Benzmüller: Wir haben einen guten Draht zu den Oberbürgermeistern, Landräten und Schulen und führen regelmäßige Gespräche. Wir sind die treibende Kraft am Ort, wenn es um Gewerbeflächen für das Handwerk geht, um das Parken in den Innenstädten und Handwerkerparkausweise oder die Auftragsvergabe in möglichst kleinen Losen. Außerdem setzen wir uns für den Erhalt von Berufsschulstandorten und die bessere Ausstattung der Klassen ein. Diese sind oft in einem sehr schlechten Zustand, während die Hochschulen und Universtäten topmodern sind.
DHB: Die Mitgliederzahlen sind seit Jahren rückläufig. Wie überzeugen Sie junge Leute in die Innung zu gehen?
Benzmüller: Die Innungsversammlungen sind heute überwiegend Netzwerktreffen unter Kollegen. Hier gibt es Informationen aus erster Hand. Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist, junge Menschen zu überzeugen, abends zu einer Innungsversammlung zu gehen. Das sehe ich auch an den jungen Meistern, die meinen Betrieb übernommen haben. Aber wenn wir dann wieder nach Hause fahren, sagen sie "das war klasse, gut dass wir da waren". Die Kreishandwerkerschaften organisieren oft auch fachspezifische Treffen, bei denen Unternehmer mehrerer Gewerke zusammenkommen. Unternehmer brauchen solche Netzwerke.
Das Interview führte Kirsten Freund
Hintergrund: KreishandwerkerschaftDie Kreishandwerkerschaft (KH) ist der Zusammenschluss aller Handwerksinnungen einer Region. Sie werden oft auch das Rathaus des Handwerks genannt. Der Bundesverband der Kreishandwerkerschaften, kurz BVKH, ist die 1989 gegründete Dachorganisation der Kreishandwerkerschaften in Deutschland. Es gibt etwa 250 Kreishandwerkerschaften bundesweit. Aktuell sind 148 im Bundesverband organisiert (zur Deutschlandkarte). Kreishandwerkerschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Deren Rechtsaufsicht haben die Handwerkskammern. Geleitet werden die KHn von Kreishandwerksmeistern. Sie kommen aus dem Kreis der Innungsobermeister.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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