Ohne Abmahnung keine verhaltensbedingte Kündigung
Auch wenn dem Chef der Kragen platzt, weil der Mitarbeiter immer wieder Fehler macht: Er muss jeden Verstoß einzeln abmahnen, wenn er eine verhaltensbedingte Kündigung darauf stützen will.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Kündigung: So geht’s richtig
Bei Pflichtverletzungen muss der Chef zuerst eine Abmahnung aussprechen, wenn er dem Missetäter deshalb kündigen will. Auch dann, wenn der Mitarbeiter viele einzelne Verstöße begeht.
Grundsätzlich gilt: Einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Chef zunächst eine Abmahnung voranschicken. Damit soll dem Arbeitnehmer verdeutlicht werden, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Ohne Abmahnung ist eine Kündigung regelmäßig nicht wirksam. Ausnahmen liegen nur dann vor, wenn das Verhalten so schwerwiegend ist, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, sich auch in Zukunft nicht an seine Pflichten halten zu wollen.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass auch bei vielen Einzelpflichtverletzungen auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden kann. Die Entscheidung ergänzt die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Abmahnungsrecht.
Der Fall
Der Arbeitnehmer ist bei einem Servicedienstleistungsunternehmen, zuletzt als Referent in der Abteilung Konzernservice beschäftigt. Der Mann gründete nebeher eine GmbH für die Immobilienberatung. Er zeigte diese Nebentätigkeit seinem Arbeitgeber an. Dieser sprach dazu eine Abmahnung wegen einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung aus. Kurze Zeit später folgte eine weitere Abmahnung wegen verspäteter Krankmeldung. Schließlich sprach der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung u.a. wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung aus, sowie wegen beharrlicher Verschwiegenheitsverstöße, wegen beharrlicher Verletzungen der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit und wegen beharrlicher Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit.
All dies sei in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, argumentierte er. Aus der Gesamtschau werde deutlich, dass sich die vielen Einzelpflichtverletzungen zu einer beharrlichen Arbeitsverweigerung summieren würden.
Das Urteil
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Kündigung als unwirksam angesehen.
Viele Einzelverstöße, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summieren sich ohne Abmahnung nicht zu einem Gesamtverstoß von so erheblichen Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. "Kommt aber dieses Signal vom Arbeitgeber nicht, kann dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden, er hätte bei den einzelnen Pflichtenverstößen wissen müssen, dass nunmehr auch ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen."
Eine Vielzahl von Einzelpflichtverletzungen führe jeweils zu einem konkreten Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Verhaltenspflicht. Damit müsse auch jeder einzelne Verstoß isoliert abgemahnt werden, fordern die Richter. Eine Gesamtschau verschiedener Abmahnungen könne erkennbar machen, dass der Mitarbeiter sich insgesamt nicht an die betrieblichen Regeln und Vorgaben hält. Dies begründe dann die negative Prognose und das Recht, eine Kündigung auszusprechen.
Praxistipp
"Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln ist zuzustimmen. Der Praxis kann nur empfohlen werden, in Zweifelsfällen zunächst abzumahnen, um so den Pflichtenverstoß einerseits zu dokumentieren und andererseits den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er im Wiederholungsfall mit der Kündigung rechnen muss", meint der Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen .
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 6. September 2018, 6 Sa 64/18
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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