Zollbilanz: Mehr Verstöße gegen den Mindestlohn
2023 hat der Zoll mehr Schwarzarbeit, Sozialbetrug, illegale Beschäftigung und Verstöße gegen den Mindestlohn aufgedeckt. 49.000 Ordnungswidrigkeitenverfahren und über 101.000 Strafverfahren wurden eingeleitet. Der Schaden lag bei 615 Millionen Euro.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Offensiv gegen Schwarzarbeit
Im Jahr 2023 haben die Zöllnerinnen und Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) bundesweit rund 49.000 Ordnungswidrigkeitenverfahren und über 101.000 Strafverfahren wegen Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Sozialleistungsbetrugs eingeleitet. Zum Vergleich: 2022 gab es 48.000 Ordnungswidrigkeitsverfahren (2021: 32.500) und rund 111.500 Strafverfahren (2021: 120.300)
Foto: © ZollverwaltungWeil Arbeitgeber nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn zahlten, wurden mehr als 4.200 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet - deutlich mehr als in den Vorjahren (2022 waren es 3.600 und 2021 rund 3.200). Das betrifft die Nichtzahlung der nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgelegten Mindestlöhne oder Lohnuntergrenze.
Die FKS hat laut Bundesfinanzministerium im vergangenen Jahr 7.249 Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet. Zum Teil haben die Arbeitgeber hier auch gegen die Mitwirkungs- oder Aufbewahrungspflichten verstoßen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 42.600 Arbeitgeber überprüft. 2022 waren es noch 53.100 und 2021 rund 48.000.
Freiheitsstrafen von insgesamt 990 Jahren
Die FKS weist darauf hin, dass sie ihre Prüfungen verdachtsunabhängig, hinweisbezogen oder auf Grundlage eigener Risikoeinschätzungen, insbesondere in von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen durchführt (regionale oder deutschlandweite Schwerpunktprüfungen).
Man folge dem Grundsatz "Qualität vor Quantität". 2023 gab es Schwerpunktprüfungen im Baugewerbe, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Gebäudereinigung sowie im Speditions-, Transport und Logistikgewerbe. An die Arbeitnehmerbefragungen vor Ort zu den Arbeitsverhältnissen würden sich oftmals langwierige und komplexe Prüfungen der Geschäftsunterlagen und gegebenenfalls Ermittlungen anschließen. Diese führten 2023 zu Freiheitsstrafen von knapp 990 Jahren und deckten einen Schaden in einer Gesamthöhe von rund 615 Millionen Euro auf.
Hintergrund Die festgestellte Schadenssumme im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen Ermittlungen der FKS setzt sich aus nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen, nicht gezahlten Steuern und "sonstigen Schäden" (insbesondere nicht gezahlten Mindestlöhnen und Urlaubskassenbeiträgen sowie zu Unrecht erhaltenen Sozialleistungen) zusammen.
Was wird geprüft?
Geprüft wird,
- ob Arbeitgeber ihre Beschäftigten ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet haben,
- Sozialleistungen zu Unrecht bezogen werden oder wurden,
- Ausländer die für die Aufnahme einer Beschäftigung erforderlichen Arbeitsgenehmigungen oder Aufenthaltstitel besitzen und
- ob die Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden oder
- sogar ausbeuterische Arbeitsbedingungen vorliegen.
Was passiert bei der Prüfung?
Vor Ort werden Aussagen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst. Daraufhin folgt in der Regel die Prüfung der Geschäftsunterlagen, insbesondere der Lohn- und Finanzbuchhaltung. Zudem werden die Voraussetzungen bei der Eintragung in die Handwerksrolle und bei der Gewerbeanzeige überprüft. Hierbei steht der Zoll in engem Austausch mit anderen Behörden sowie der Rentenversicherung.
Organisierte Formen der Schwarzarbeit
Die Bekämpfung von organisierten Formen der Schwarzarbeit und der organisierten Kriminalität bilden einen Schwerpunkt der FKS. Es gehe darum, "organisiert agierende Täterstrukturen zu erkennen und zu zerschlagen", so der Zoll. Gemeinsam mit der Polizei und der Steuerfahndung werde oftmals in gemeinsamen Ermittlungsgruppen und mit verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen die Drahtzieher ermittelt. "Die Täter verursachen regelmäßig hohe Sozialversicherungs- und Steuerschäden und verdrängen gesetzestreue Mitbewerber durch unlautere Wettbewerbsvorteile."
Katja Hessel, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzminister: "Mit ihrem entschlossenen Vorgehen trägt die FKS nicht nur zur Durchsetzung gesetzlicher Vorgaben bei, sondern ermöglicht auch faire Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen."
Wo kann man Schwarzarbeit melden?
Jeder, der merkt, dass etwas faul ist, kann dazu beitragen, dass die illegalen oder halblegalen Machenschaften aufgedeckt und verfolgt werden. Zum Beispiel können durch (anonyme) Anzeigen in Verdachtsfällen Ermittlungen eingeleitet werden.
Hinweise auf mögliche Schwarzarbeit kann man (auch anonym) bei allen Hauptzollämtern melden, bei der BG BAU oder den Innungen, Kreishandwerkerschaften und Handwerkskammern. Das geht schriftlich oder telefonisch. Bei der BG BAU gibt es zudem ein Online-Formular für das Melden von Verdachtsfällen auf Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung.
Bündnisse gegen Schwarzarbeit
Bündnisse gegen Schwarzarbeit unter anderem mit Merkblättern gibt es aktuell
- in der Bau- und in der Fleischwirtschaft,
- in der Gebäudereinigung,
- im Maler- und Lackiererhandwerk,
- in der Textilreinigung/Textil Service,
- im Elektrohandwerk,
- im Gerüstbauer-Handwerk,
- im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe sowie
- im Friseurhandwerk.
Die Branchen geben Merkblätter mit Checklisten für Arbeitgeber heraus, damit diese sich auf die Prüfung durch die FKS vorbereiten können.
Quelle: Zoll.de; DHB
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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