Katja Kern (r.) und Gabi Seeberger bewerten im Rahmen der Initiative "ValiKom" die Arbeit von Menschen, die sich Fähigkeiten im Maler- und Lackiererhandwerk angeeignet, aber keinen Nachweis darüber haben. Auf dem Bild schauen sie sich die Arbeit eines ÜLU-Teilnehmers an. Die Aufgabe von Katja Kern hat bei der Handwerkskammer Münster seit Januar Maike Landwehr übernommen; Foto: © Peter Lessmann

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In vier Schritten zum wichtigen Zertifikat

Nicht jeder, der in einem Beruf arbeitet, kann seine Kompetenzen auch mit Zeugnissen oder anderen Dokumenten belegen. Eine Fremdbewertung soll Abhilfe schaffen.

Piotr und Artur (Namen von der Redaktion geändert) sind erwerbslos. Die beiden haben schon tapeziert und angestrichen. Aber das liegt schon einige Jahre zurück. Der 30-jährige Pole hat eine Lehre angefangen, aber abgebrochen. Sein 50-jähriger Landsmann hat sich viele Techniken selbst beigebracht. Beide möchten nun für einen Maler- und Lackiererbetrieb arbeiten. Doch ihnen fehlen Zertifikate, die ihr handwerkliches Können belegen. Ein potenzieller Arbeitgeber weiß also nicht, was er von diesen Bewerbern zu erwarten hat.

Die Handwerkskammer Münster kann helfen. Sie nimmt Teil an der Initiative "ValiKom" (siehe Infokasten). Das Verbundprojekt spricht Berufserfahrene über 25 Jahren an, die keinen Berufsabschluss haben oder nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Im Rahmen eines vierstufigen Verfahrens ermitteln und bescheinigen ihnen Fachleute, welche Kompetenzen sie sich angeeignet haben.

 

Das Kürzel "ValiKom" steht für "abschlussbezogene Validierung non-formal und informell erworbener Kompetenzen". An der Initiative beteiligen sich die Handwerkskammer Dresden, Hannover, München und Münster sowie die Industrie- und Handelskammer Köln, Halle-Dessau, München und Stuttgart. Sie erproben das Validierungsverfahren voraussichtlich bis Oktober 2018 für jeweils zwei Berufe. Die HWK Münster ist für die Maler und Lackierer und die Friseure zuständig. Der Westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) koordiniert das vom Bundesbildungsministerium geförderte Verbundprojekt.

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Ein solches Expertentandem sind Katja Kern und Gabi Seeberger. Die Mitarbeiterin der HWK Münster und die Maler- und Lackierermeisterin aus Recklinghausen haben Piotr und Artur begleitet. "Frau Kern hat sich in den ersten beiden Schritten des Verfahrens zuerst die Unterlagen der beiden angeschaut und überprüft, ob sie die Voraussetzungen für die Validierung mitbringen", erklärt Gabi Seeberger. Das daran anschließende Beratungsgespräch zur Fremdbewertung – ein Bestandteil des dritten von vier Schritten – haben sie gemeinsam geführt.

Vom zwanglosen Plausch zum zweistündigen Fachgespräch

"Eigentlich wollten wir nur ein wenig das fachliche Wissen der beiden abklopfen, um die Fremdbewertung besser planen zu können. Daraus hat sich dann aber gleich ein anderthalb- bis zweistündiges Fachgespräch entwickelt", erinnert sich Gabi Seeberger, die langjährige Erfahrungen als Gesellen- und Meisterprüferin sowie in der Umschulung von Erwachsenen in ValiKom einbringen kann. Nachdem sie beispielsweise abgefragt hatte, wie viele Spachtelmassen die beiden Osteuropäer kennen, mit welchen Werkzeugen man sie aufträgt und wie sie eine Raufasertapete auf Putz oder Rigips kleben würden, konnte schon die Fremdbewertung geplant werden. Sie ist in Form einer Arbeitsprobe, eines Fachgesprächs oder einer Probearbeit im Betrieb möglich.

 

2017 wurden ingesamt 82 Validierungen durchgeführt. In 33 Fällen wurde die volle Gleichwertigkeit attestiert, 48 Mal die teilweise Gleichwertigkeit. In einem Verfahren konnte keine keine Gleichwertigkeit festgestellt werden. Eine Fremdbewertung gab es in folgenden Berufen: Verkäufer (9), Fachkraft Gastgewerbe, Elektroniker (jeweils 8), Friseur (7), Fliesenleger, Restaurantfachmann, Fachmann für Systemgastronomie, Fachlagerist, Maler und Lackierer (jeweils 6), Kaufmann für Büromanagement (5), Koch (3), Kaufmann im Einzelhandel, Technischer Produktdesigner, Uhrmacher (jeweils 2), Fachinformatiker Systemintegration, Fachkraft Metalltechnik, Fahrzeuglackierer, Hotelfachmann, Industrieelektriker, Maschinen- und Anlagenführer (jeweils 1).

 

Die Fremdbewertung konnten Katja Kern und Gabi Seeberger gleich eine Woche nach dem Beratungsgespräch in den Werkstätten der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung ansetzen. "Aufgrund der fachlichen Selbsteinschätzung, die wir auch beim ersten Treffen mit abgefragt haben, wussten wir, dass sich die beiden nur in zwei Bereichen der Ausbildungsordnung für die Maler und Lackierer bewerten lassen wollten." Fertigkeiten und Kenntnisse wurden für "Prüfen, Bewerten und Vorbereiten von Untergründen" sowie "Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen" zwischen 8 und 15.30 Uhr validiert.

Verlässliches Zertifikat für Arbeitgeber

ValiKom auf YoutubeBeide Bewerber haben die Fremdbewertung erfolgreich durchlaufen. Sobald sie sich neue Fachkenntnisse angeeignet haben, können sie sich einer weiteren Validierung stellen. Die Leistungen werden aber nicht benotet. "Wir zertifizieren nur, ob jemand die Tätigkeitsbereiche beherrscht und ausführen kann", erklärt Gabi Seeberger. Doch selbst das dürfte schon eine große Hilfe sein. "Wenn die Kammer so ein Zertifikat ausstellt, können sich Arbeitgeber darauf verlassen, dass die festgestellten Kompetenzen auch vorhanden sind."

Text: Bernd Lorenz

Foto: © Peter Lessmann

Text: / handwerksblatt.de

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