Elternzeit: Sieben-Wochen-Frist zu knapp bemessen
Ein Mitarbeiter kündigt fristgerecht an, dass er in Elternzeit gehen will. Das wirft ein Großunternehmen kaum aus der Bahn – einen Kleinstbetrieb mit vollem Auftragsbuch wie Fugentechnik Poster schon. Unternehmerfrau Ute Poster fordert eine längere Anmeldefrist.
Auf dem Bau brummt es. Das spürt man auch bei Fugentechnik Poster. Der Kleinstbetrieb aus Ahlen (Nordrhein-Westfalen) ist spezialisiert auf das Verfugen mit Silikon und Epoxidharz. Abgedichtet werden Badezimmer von Privatleuten oder öffentliche Schwimmbäder. Zu den Kunden zählen aber auch Bauernhöfe und Tankstellen, deren Flüssigkeiten das Grundwasser verschmutzen könnten. "Im Dezember haben wir für dieses Jahr noch Verträge mit einigen großen Bauherren abgeschlossen", erklärt Ute Poster. Hinzu kommen weitere kleine Aufträge und immer wieder Anfragen, ob der Vier-Mann-Betrieb bald Kapazitäten für neue Kunden hat. Um die Baustellen aus dem prall gefüllten Auftragsbuch abarbeiten zu können, wird jede Hand gebraucht. Doch genau daran mangelt es. Dafür macht Ute Poster eine viel zu knapp bemessene Frist bei der Elternzeit verantwortlich.
"Uns war schon lange bekannt, dass die Frau unseres Mitarbeiters schwanger ist, aber er hat nie angedeutet, dass er Elternzeit beantragen will." Im Juni sei das Kind auf die Welt gekommen. Kurz darauf habe der junge Vater mitgeteilt, dass er in sieben Wochen für ein Jahr in Elternzeit gehen werde. Auf die Frage, ob er sich mit Blick auf die vielen Aufträge nicht deutlich eher als die gesetzlich festgelegte Sieben-Wochen-Frist hätte melden können, habe das Unternehmerehepaar die Antwort "Das ist Firmenrisiko!" erhalten. "Das war wie eine Ohrfeige für uns, weil wir in den vergangenen sieben Jahren ein richtig gutes Arbeitsverhältnis hatten." Wäre Ute und Manfred Poster früher bewusst gewesen, dass sie ab Sommer nur noch zu dritt sind, hätten sie sich rechtzeitig um Ersatz kümmern können oder einige Aufträge gar nicht erst angenommen.
Kurz vor dem Burn-out
Da der junge Vater zeitgleich mit dem anderen Mitarbeiter, der seinen Urlaub schon lange vorher gebucht hatte, in Elternzeit ging, wird es für den kleinen Familienbetrieb mindestens sechs Monate lang richtig ungemütlich. "Um Strafzahlungen der Bauherren zu vermeiden, war mein Mann von Montag bis Samstag von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends unterwegs. Er stand kurz vor dem Burn-out", klagt Ute Poster. Teilweise habe sogar sie mit auf den Baustellen aushelfen müssen. Außerdem habe man wegen Personalmangels einige Aufträge ablehnen müssen.
Fugentechnik Poster hat Glück im Unglück. "Wir haben am 2. September einen neuen Verfuger eingestellt, der bei uns schon kurz aushilfsweise beschäftigt war. Er kann momentan aber noch nicht unseren langjährigen, erfahrenen Mitarbeiter ersetzen", sagt Ute Poster. Doch der Ersatz könnte teuer erkauft worden sein. "Niemand gibt für eine Elternzeitvertretung seine feste Stelle auf und ist nach einem Jahr vielleicht arbeitslos", verdeutlicht die Unternehmerfrau. Da sie mit dem neuen Mitarbeiter einen unbefristeten Vertrag abschließen musste, sei für den Mitarbeiter in Elternzeit eine Rückkehr ausgeschlossen. "Leider ist die Auftragslage nicht so gut, dass wir drei Leute bezahlen können." Der junge Vater habe allerdings schon signalisiert, dass er nicht zurückkehren und sich nach der Elternzeit selbstständig machen wolle.
Handwerksverband fordert längere Anmeldefrist
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist mit den Schwierigkeiten bei der Beantragung der Elternzeit vertraut. "Wir haben bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Sieben-Wochen-Frist zu knapp bemessen ist und regelmäßig nicht ausreicht, um eine Ersatzkraft für die Person einzustellen, die die Elternzeit nimmt", so eine Sprecherin des ZDH. Die kurze Anmeldefrist stelle gerade Klein- und Kleinstbetriebe im Hinblick auf die Planungssicherheit vor Probleme und führe dann in der Folge dazu, dass die Betriebsabläufe in vielen Fällen nicht reibungslos weiterlaufen können. "Daher fordert der ZDH nach wie vor eine längere Anmeldefrist."
Ministerium: Änderung der Frist nicht geplant
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat bislang noch nichts von den Problemen der Kleinst- und Kleinbetriebe bei der Beantragung von Elternzeit gehört. "Solche Hinweise sind wichtig, um Probleme bei der Ausführung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der Praxis erkennen zu können, und sie werden in die Prüfung des BEEG miteinbezogen", erklärt ein Sprecher des BMFSFJ auf Anfrage von handwerksblatt.de. Eine Änderung der Frist zur Beantragung der Elternzeit im BEEG sei nach jetzigem Stand allerdings nicht geplant.
Kleinstbetriebe besser schützen
Die Sieben-Wochen-Frist hält Ute Poster für unzumutbar. Um frühzeitig Planungssicherheit zu haben, müsste es für Kleinst- und Kleinbetriebe eine andere Regelung geben. "Eine Schwangerschaft dauert neun Monate. Nach zwei, drei Monaten dürfte man doch wissen, wer in Elternzeit geht!" Als Mutter befürwortet sie es, dass der Staat eine berufliche Auszeit für Kinder finanziell unterstützt. Doch Ute Poster ist auch Unternehmerfrau. "Als kleine Firma können wir nicht immer nur Verständnis für andere haben. Wer schützt uns eigentlich?", fragt sie sich.
Zum Hintergrund: Jeder Elternteil hat Anspruch auf Elternzeit zur Betreuung und Erziehung seines Kindes bis zum dritten Lebensjahr, heißt es online beim BMFSFJ. Die Elternzeit sei ein Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber. Während der Elternzeit ruhen die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses. Es bleibe aber bestehen und nach Ablauf der Elternzeit bestehe ein Anspruch auf Rückkehr zur früheren Arbeitszeit. Da das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit lediglich ruhe und mit dem Ende der Elternzeit wieder vollständig auflebe, sei die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gemäß der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen zu beschäftigen.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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