Vom Helfer über den Gesellen zum Dachdecker-Meister
Markus Brunnbauer ist beruflich spät durchgestartet. Mit 32 Jahren holte er am BBZ Mayen seinen Berufsabschluss nach. Kurz darauf absolvierte er die Meisterprüfung. Nun gründet er sein zweites Unternehmen.
Sechs Worte reichen Markus Brunnbauer aus, um die frühe Phase seiner Bildungslaufbahn zusammen zu fassen: "Ich war nicht gerade ein Vorzeigeschüler." In der achten Klasse legen die Lehrer dem Sohn einer alleinerziehenden Mutter nahe, die Schule zu verlassen. Diesem nachdrücklichen Wunsch kommt er nach. "Was solls, ich hatte meine neun Pflichtschuljahre voll."
Den Hauptschulabschluss holt er an einer anderen Schule nach. Danach jobbt er, fängt eine Lehre zum Elektriker an, wird nach einem Jahr rausgeschmissen, jobbt weiter. Erst Mitte 20 macht es bei ihm klick. Als seine Freundin und spätere Frau ihn fragt, wie er sich sein weiteres Leben vorstellt, bleibt Markus Brunnbauer stumm. "Da habe ich gemerkt, dass ich eine berufliche Perspektive brauche."
Rauf aufs Dach
Ein Bekannter vermittelt ihn zu einem Dachdecker. Dort arbeitet er vier Jahre als Helfer. Als er den Arbeitgeber wechselt, lautet seine Bedingung: Ich möchte den Gesellenbrief machen. Im Januar 2015 ist es so weit. Am Bundesbildungszentrum (BBZ) des Deutschen Dachdeckerhandwerks in Mayen beginnt der 46ste Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung. Mit dabei ist Markus Brunnbauer, 31 Jahre alt.
Kurs am BBZ Mayen
Die Vorbereitungskurse auf die Externenprüfung am BBZ Mayen sind bunt gemischt. "Wir haben sehr viele Quereinsteiger, darunter junge Bauingenieure oder Unternehmertöchter, die den Betrieb der Eltern übernehmen möchten, Flüchtlinge, die seit langem als Helfer tätig sind, aber auch Metzger oder Kfz-Mechaniker, die über Umwege ins Dachdeckerhandwerk gefunden haben", erklärt Franziska Keip, die die Lehrgänge betreut und den Teilnehmern als gute Seele zur Seite steht.
Gegenseitige Unterstützung
Die Mischung aus erfahrenen Praktikern und jungen Theoretikern funktioniert. "Der Student hilft den alten Hasen, die schon lange aus dem Lernen raus sind. Die gestandenen Handwerker zeigen dem Studenten, wie er mit dem Schieferhammer und dem Brenner umzugehen hat", beschreibt Franziska Keip die Symbiose. Alle Teilnehmer verfolgen ein ambitioniertes Ziel. Im Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung lernen sie innerhalb von vier Monaten, wofür Auszubildende drei Jahre Zeit haben. Der Unterricht beginnt um 8 Uhr. "An manchen Tagen ist erst um 18 Uhr Feierabend."
Finanzielle Förderung
Zehn Stunden zu sitzen – das schlaucht. Markus Brunnbauer ist es zunächst schwergefallen. "Mit der Zeit habe ich mich ans Lernen gewöhnt. Dabei haben uns die Dozenten sehr geholfen." Dagegen musste er sich um das Finanzielle keine Sorgen machen. Die Arbeitsagentur fördert Ungelernte zwischen 25 und 35 Jahren, die ihren Berufsabschluss nachholen möchten. Unterstützung hat auch sein Arbeitgeber erhalten, der ihn für den Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung freigestellt hat. Dass die Arbeitsagenturen die Kosten übernehmen, ist keine Seltenheit. "Von den 26 Teilnehmern, die im vergangenen Jahr den Lehrgang besucht haben, sind rund 20 gefördert worden", erklärt Franziska Keip.
Wer durchhält, besteht
Der viermonatige Lehrgang verlangt den Schülerinnen und Schülern viel ab. Trotz der Unterstützung durch das BBZ Mayen und der starken Gruppendynamik halten nicht alle bis April durch. "Es gibt immer wieder einen oder zwei Teilnehmer, die mittendrin abbrechen", bedauert Franziska Keip. Wer den Kurs jedoch bis zum Ende durchhält, besteht ihn in der Regel auch.
Im Januar 2022 hat bereits der 53ste Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung begonnen. Die Planungen von Franziska Keip reichen dank der "sehr großen Nachfrage" aber schon weiter. "Vor kurzem habe ich bereits Anmeldungen für den 55sten Lehrgang rausgeschickt, der im Januar 2024 startet."
Externenprüfungen im Handwerk
Foto: © Statistisches Bundesamt - Fachserie 11 - Reihe 3/handwerksblatt.deIm Jahr 2020 wurden im Handwerk insgesamt 1.350 Externenprüfungen abgelegt. Dies entspricht einem Anteil von etwa einem Prozent an allen abgelegten Gesellen- und Abschlussprüfungen, so der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). In den Jahren zuvor haben die Externenprüfungen im Handwerk zwischen einem und zwei Prozent aller Gesellen- und Abschlussprüfungen ausgemacht.
Dem ZDH zufolge lassen das Berufsbildungsgesetz (BBiG) und die Handwerksordnung (HwO) in allen Ausbildungsberufen auch das Ablegen einer Externenprüfung zu.
Die Zulassungsvoraussetzungen sind im § 45 (2) BBiG bzw. § 37 (2) HwO geregelt. Demnach kann auch zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wer mindestens die Eineinhalbfache Zeit der Ausbildungsdauer in einem Beruf tätig gewesen ist.
Ein Beispiel: Die Ausbildung zum Dachdecker dauert regulär drei Jahre. Externe müssten also mindestens 4,5 Jahre in diesem Beruf gearbeitet haben.
Standbein der Weiterbildung
ZVDH-Vizepräsident Mike Schilling Foto: © ZVDH/BüttnerDer Vorbereitungskurs auf die Externenprüfung liegt Mike Schilling sehr am Herzen. Der Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) betrachtet ihn als maßgebliches Standbein der Weiterbildung. Die Externenprüfung biete all denjenigen eine Chance zur Gesellenprüfung, die keine einschlägige vorangegangene Ausbildung vorweisen können.
Geselle, Meister, Selbstständigkeit
"Nicht immer verlaufen Biografien auf geraden Wegen. Aus ganz unterschiedlichen Gründen ergibt sich für manche der Wunsch nach einem Abschluss erst nach einigen Jahren der Praxis", erklärt der Geschäftsführer der Gabur GmbH in Grünkraut (Baden-Württemberg). Oft seien es gerade Menschen, die aufgrund ihrer Berufserfahrung besonders stark im Dachdeckerhandwerk verwurzelt sind. "Und nicht selten folgen der Meisterbrief und die Selbstständigkeit."
Schritt in die Selbstständigkeit
So ist es auch bei Markus Brunnbauer. Nachdem er im April 2015 die Externenprüfung im Dachdeckerhandwerk bestanden hat, meldet er sich rund ein Jahr später in Mayen zur Meisterschule an. Im Mai 2017 schließt er sie erfolgreich ab. Wenige Monate später gründet er in Kleinwallstadt die Brunnbauer Bedachungen. Demnächst entsteht ein zweites wirtschaftliches Standbein. "Ab Mai bieten wir einen Mietservice für mobile Krane an", erklärt der 38-jährige Unternehmer.
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Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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