"Ich fand, dass im Sachverständigenwesen etwas Pfiffiges fehlt", erklärte Leonie Münster. Die Maler- und Lackierermeisterin will öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden.

"Ich fand, dass im Sachverständigenwesen etwas Pfiffiges fehlt", erklärt Leonie Münster. Die Maler- und Lackierermeisterin will öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige werden. (Foto: © Wilfried Meyer)

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Ihre Kompetenz entscheidet vor Gericht

Betriebsführung

Nachwuchs für das wichtige Amt des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird knapp. Eine junge Malermeisterin macht die Fortbildung aus Überzeugung und mit viel Elan.

"Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige", das klingt irgendwie nach verstaubter Bürokratie und Amtsschimmel. Aber hinter dem sperrigen Begriff steckt ein interessantes Berufsbild, das auch jungen Handwerkern eine Zukunft bietet.

Leonie Münster, Maler- und Lackierermeisterin in Mönchengladbach, ist 26 Jahre alt und auf dem Weg, die jüngste öffentlich bestellte Sachverständige ihres Kammerbezirks zu werden. "Ich fand, dass im Sachverständigenwesen etwas Pfiffiges fehlt. Der Altersdurchschnitt ist zu hoch", begründet sie ihre Entscheidung. Seit sie mit 21 Jahren den väterlichen Betrieb übernahm, konnte sie viel Erfahrung in ihrem Beruf sammeln. Den Sprung ins kalte Wasser hat die junge Frau nie bereut, heute führt sie neun Mitarbeiter.

Die Begeisterung für ihr Metier will sie als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige weitergeben. "Wenn ich durch die Stadt laufe, fallen mir so viele Arbeiten auf, die falsch gemacht wurden. Das sind Ärgernisse für die Bauherren", erklärt Münster ihre Motivation. "Heutzutage wird alles komplizierter für alle. Das Streitpotenzial wird dadurch immer größer. Da will ich Vermittlerin sein. Denn gerade alte Handwerker und junge Bauherren haben oft Verständigungsprobleme." Münster sieht sich hier quasi als Dolmetscherin zwischen den Generationen: "Ich habe total Spaß daran, Lösungen für Probleme zu finden."

Innovation durch moderne Verfahren

Und sie setzt auf Innovation: "Neue Anwendungsformen begeistern mich. Mit den modernen Verfahren gehen natürlich auch Fehler einher. Zum Beispiel bei der Wärmedämmung: Styropor hat zwar einen tollen Dämmwert, ist aber für die Umwelt sehr schädlich. Besser wären alternative Baustoffe wie Steinwolle oder Hanfplatten. Das interessiert mich sehr, denn ich achte auf Nachhaltigkeit."

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Die Malermeisterin kritisiert, dass ihre Generation von den Kollegen häufig nicht so richtig ernst genommen wird: "Die Älteren unterschätzen die Jüngeren noch immer, auch deren Lerngeschwindigkeit und Wissbegier. Unsere Gesellschaft entwickelt sich rasant, wir müssen schneller werden mit allem", betont Münster. "Wenn ein junger Mensch sich am Bau mit neuen Vorschlägen einbringt, wird er aber meistens abgeschmettert. Die Alten sagen dann: `Das haben wir schon immer so gemacht´. Neue, frische Ideen werden so erst gar nicht ausprobiert", ärgert sie sich. "Da gehen Chancen verloren!"


Sehr ernst genommen hingegen werden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige vor Gericht. Ihre Fachkunde ist oft entscheidend für den Ausgang eines Prozesses. Für dessen Beteiligte geht es meistens um viel Geld, diese Position bringt also große Verantwortung mit sich. Deshalb ist die Fortbildung zu diesem Amt auch gründlich und nicht mit einem Wochenendseminar erledigt. Das mag ein Grund dafür sein, warum es vielen Handwerkern an Zeit und Motivation fehlt, sich zum Sachverständigen auszubilden zu lassen.

Leonie Münster, Maler- und Lackierermeisterin in Mönchengladbach Foto: © Wilfried MeyerLeonie Münster, Maler- und Lackierermeisterin in Mönchengladbach Foto: © Wilfried Meyer

Viel Ansehen und Vertrauen

"Der Nachwuchsmangel ist ein großes Thema, die Zahlen gehen kontinuierlich zurück", erklärt Claudia Toeller von der Handwerkskammer Düsseldorf. "In unserem Kammerbezirk gibt es mit derzeit 350 noch die meisten öffentlich bestellten Handwerks-Sachverständige in Deutschland. Der Altersdurchschnitt ist hoch, 50 Prozent sind über 60 Jahre alt, Tendenz steigend. Frauen sind deutlich unterrepräsentiert", bedauert sie. Umso mehr freut sie sich über die Bewerbung von Leonie Münster und deren Engagement. "Man muss schon eine gewisse Passion mitbringen", sagt Toeller. "Das ist eine Aufgabe, für die man sehr motiviert sein muss und man darf da nicht blauäugig reingehen."

 

Im Gegenzug gewinnt man mit dem Titel auch viel Reputation. "Ein öffentlich bestellter Sachverständiger genießt ein hohes Ansehen", weiß die Expertin, "die Öffentlichkeit und die betroffenen Kreise wissen, dass das ein Qualitätsmerkmal ist." Denn neben Fachwissen muss man auch ein Gespür für Kommunikation mitbringen. "Ein öffentlich bestellter Sachverständiger muss Juristen den technischen Zusammenhang so erklären, dass diese daraus ein Urteil bilden können. Die Anforderungen sind hoch, weil man den Gerichten gerecht werden muss", betont Toeller. Sie und ihre Kollegen kümmern sich um die Anwärter und beraten sie zu ihren neuen Aufgaben: "In unserem persönlichen Gespräch erzählen wir auch mal Anekdötchen, um die Kandidaten darauf vorzubereiten, dass auch schon mal unangenehme Dinge auf einen Sachverständigen zukommen können – zum Beispiel, dass ein Anwalt einen Befangenheitsantrag stellt, um den Sachverständigen loszuwerden." Hier ist also Selbstbewusstsein gefragt.

Neuerungen in Sicht

Um das Sachverständigenwesen insgesamt attraktiver zu machen, erarbeitet der zuständige Arbeitskreis des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) derzeit eine neue Muster-Sachverständigenordnung. "Darin werden die Passagen zu den Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung und Vereidigung sprachlich deutlich vereinfacht", weiß Toeller.

Übrigens: Schon länger gibt es die Regelung, dass auch angestellte Betriebsleiter Sachverständige werden können. Dass die Altersuntergrenze von 30 Jahren für das Amt vor ein paar Jahren aufgehoben wurde, hat sich wohl noch nicht so richtig rumgesprochen. Malermeisterin Leonie Münster weiß es und will ihre Chance nutzen. Ihre Handwerkskammer unterstützt sie dabei.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige im Handwerk:Sachverständige werden nach § 91 Handwerksordnung öffentlich bestellt und vereidigt und unterliegen einer Sachverständigenordnung, die von ihrer Handwerkskammer als Aufsichtsbehörde überwacht wird.
Sie
• müssen einen Eid ablegen, dass sie ihre Gutachten und sonstigen Aufgaben unparteiisch, weisungsfrei, unabhängig, gewissenhaft und persönlich erstatten.
• werden nur dann öffentlich bestellt und vereidigt, wenn sie besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre persönliche Integrität bestehen.
• müssen nach Ablauf der befristeten Bestellung erneut ihre besondere Sachkunde und persönliche Eignung nachweisen.
• sind in Gerichtsverfahren bevorzugt zur Gutachtenerstattung heranzuziehen; andere Sachverständige sollen in Gerichtsverfahren nur dann mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern.

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist die öffentlich-rechtliche Zuerkennung einer überdurchschnittlichen Qualifikation und Seriosität. Gutachten unparteiisch und absolut unabhängig von den Interessen seines Auftraggebers zu erstatten, gehört zu den Hauptpflichten der Experten. Wegen der öffentlichen Bestellung und Vereidigung genießen diese Sachverständigen in der Gesellschaft besonderes Vertrauen. Die Bezeichnung "öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger" genießt strafrechtlichen Schutz nach § 132 a Strafgesetzbuch gegen etwaigen Missbrauch. Wer sich so nennt, ohne qualifiziert zu sein, begeht eine Amtsanmaßung. (Quelle: IfS)
Kostenlose Informationsveranstaltung: Am 21. September 2021 um 16 Uhr bietet die Handwerkskammer Düsseldorf zusammen mit dem Institut für Sachverständigenwesen (IfS) ein kostenloses Webseminar für alle Interessierten. Anmeldung bitte unter > diesem Link. 

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Text: / handwerksblatt.de

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