Wer nicht ausbildet, macht einen Fehler
Das Handwerk tut sich schwer, neue Auszubildende zu finden. Zwei Gerüstbauer-Betriebe aus Sachsen zeigen, wie es geht. Die Firma Eugen Wahner hat eine Werbekampagne entwickeln lassen. Gemeinhardt Service setzt unter anderem auf Social Media.
Walter Stuber ärgert sich. Denn seit 2013 hat der Chef von Gemeinhardt Service nur sporadisch Gerüstbauer ausgebildet. "Das war ein Fehler", sagt er inzwischen, denn auch für den umtriebigen Sondergerüstbauer ist der Fachkräfte-Markt wie leergefegt, selbst Helfer findet er kaum. Doch er benötigt dringend hochqualifizierte Gerüstbauer, denn nur mit ihnen kann er die komplexen Aufträge seiner Kunden in der Qualität abwickeln, wie er sich das vorstellt.
In den Jahren bis 2013 lernten pro Jahr zwischen zwei bis fünf Schulabgänger das Handwerk in Roßwein – die meisten blieben bei dem sächsischen Gerüstbauer. "Aktuell sind 80 Prozent unserer Mitarbeiter Eigengewächse", sagt Geschäftsführerkollege Dirk Eckart. Es gehe nicht nur um die Ausbildung selbst, sagt er, "vielmehr prägen wir die jungen Menschen in ihrer Arbeitseinstellung. So produzieren wir Arbeitssicherheit für uns und für unsere Kunden." Seit 2020 rührt Gemeinhardt wieder die Trommel für die Ausbildung. Seitdem haben gleich acht Azubis angefangen. Damit liegt der Betrieb im Trend: Dümpelte die Anzahl der Azubis Mitte der 10er Jahre um die 700, stieg sie seit 2019 von 734 über 805 auf 843 im vergangenen Jahr.
Noch immer viel zu wenige, findet Stefan Häusele. Das Vorstandsmitglied der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes vermutet, dass das Gewerk von der corona-bedingten Zurückhaltung anderer Branchen profitiert. Er rät den Betrieben, die bereits ausbilden, dranzubleiben. Denn wenn bereits Jüngere im Unternehmen arbeiten, tun sie sich leichter, weitere Jugendliche für die Ausbildung zu gewinnen.
"Betriebswirtschaftlich lohnen sich Azubis für uns erst, wenn sie als Geselle weiter bei uns arbeiten", stellt Stuber fest. Denn letztlich kostet ihn die Ausbildungsstunde genauso viel wie die Arbeitsstunde eines Monteurs – rund 40 Euro. Das liegt zum einen daran, dass Azubis bei Gemeinhardt 20 Prozent mehr Lohn bekommen als im Tarifvertrag festgeschrieben. Außerdem sind die Lehrlinge etwa zwei Drittel der Zeit auf einer der Schulen in Berlin, Dortmund oder Groß-Gerau. Gehen Gesellen nach der Ausbildung woanders hin, bleibt der Unternehmer danach trotzdem mit ihnen in Kontakt.
Kampagnen für Ausbildung
Einer, der seit längerer Zeit nicht mehr ausgebildet hat, ist Gerüstbau Eugen Wahner. Auch Inhaber Thorsten Wahner musste feststellen, dass er immer weniger ausgebildete Gerüstbauer für seinen 60-Mitarbeiter-Betrieb findet. Deshalb schaltete er zunächst einige Zeit Anzeigen in der Zeitung und auf Online-Portalen oder suchte über die Arbeitsagentur Azubis. Resonanz: Null.
Deshalb ließ eine Medienagentur eine regelrechte Werbekampagne entwickeln. Wahner Gerüstbau ist in Schulen und auf Ausbildungsmessen präsent, sein Logo prankt auf Bussen und Gerüstbannern, die Homepage wird überarbeitet und in den entsprechenden Teilen passend für Jüngere gestaltet, außerdem hat ein Mitarbeiter zwei Comics entwickelt – über den Einstieg im Betrieb und über Frauen im Handwerk. Satte 30.000 Euro hat Wahner investiert. "Wenn, dann müssen wir es richtig anpacken", begründet er die hohe Summe, zumal der Betrieb insgesamt profitiert. Obwohl die Kampagne erst Mitte vergangenen Jahres startete, fingen im vergangenen September drei Azubis an.
Engagement in Sozialen Medien
Gemeinhardt setzt auf Werbung auf Pizza-Kartons und im Kino sowie auf Facebook, YouTube, Instagram und einem eigenen TikTok-Kanal. "Wir wollen die Schüler und müssen ihnen das zeigen, indem wir uns im gleichen Umfeld wie sie bewegen", begründet der Mitt-Fünfziger Eckart das Engagement in den Sozialen Medien. Parallel arbeitete Gemeinhardt an seiner Arbeitgebermarke: Vor kurzem erhielten die Sachsen das Gütesiegel "Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb". Das Besondere: Die Auszubildenden beantworten rund 100 Fragen über die Qualität ihrer Ausbildung – von den Ausbildungsinhalten über den Umgang mit ihnen bis zu Zukunftschancen.
Fünf Tipps, um Azubis zu finden
Wir finden keine Azubis – diese Klage hört Carsten Haack oft von Handwerkern. Der Abteilungsleiter Nachwuchssicherung der Handwerkskammer Münster fragt dann gerne zurück: Kümmert Ihr euch ausreichend um das Thema? Seine fünf wichtigsten Tipps:
- Seid digital auffindbar: Jugendliche suchen durch Corona nochmals verstärkt im Internet nach Ausbildungsstellen. Nötig ist also eine sogenannte Landingpage oder Bereich auf der Homepage, der Jugendliche dann auch direkt anspricht. Positive Rückmeldungen erhalten Betriebe, wenn der Ansprechpartner mit Bild, Telefonnummer und Mailadresse genannt ist.
- Bietet Praktika an: Sie sind ein zentrales Element, um Azubis zu gewinnen. Aber sie müssen vorbereitet sein: Laufen Schüler nur mit, ist das langweilig und wenig animierend. Werden sie dagegen jeden Tag mit Aufgaben beschäftigt, mit denen sie es in der Ausbildung auch zu tun bekommen, wächst das Interesse.
- Der Beste für die Azubis: Wer mit Praktikanten und Azubis zu tun hat, sollte eine kommunikatives und soziale Ader haben. Meist ist das der beste Mitarbeiter, der doch aus unternehmerischer Sicht produktiv arbeiten sollte. Gegenfrage: Was ist produktiver als neue Mitarbeiter zu gewinnen?
- Erzählt eure Geschichten: Viele Betriebe informieren abstrakt über ihre Berufsbilder. Erzählt Geschichten aus Eurem Alltag, sagt Haack. Kurioses, Überraschendes, über die Dankbarkeit von Kunden oder was an der Tätigkeit Spaß macht. Zwei, drei Zeilen und ein passendes Bild dazu. Fertig.
- Nutzt euer Netzwerk: Betriebsinhaber sind oft noch ehrenamtlich tätig, genauso wie die Mitarbeiter. Alle haben Nachbarn. Das ist ein großes lokales Netzwerk: Persönliche Ansprache und Empfehlungen öffnen Türen.
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Text:
Jens Gieseler /
handwerksblatt.de
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