Anuschirawan Adel, Geschäftsführer von ZDH-ZERT, auf dem Konkress "Zukunft Handwerk" in München.

Anuschirawan Adel, Geschäftsführer von ZDH-ZERT, auf dem Konkress "Zukunft Handwerk" in München. (Foto: © Thomas Plettenberg / Zukunft Handwerk)

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ZDH-ZERT-Chef Adel: Anforderungen an Zertifizierungen steigen

ISO 9001, ISO 14001 oder NiSV: Die Anforderungen an Zertifizierungen steigen seit einigen Jahren, kritisiert Anuschirawan Adel, Geschäftsführer von ZDH-ZERT im Interview. Das bedeutet, dass Audits auch für Handwerksbetriebe teurer werden.

Was haben deutsche Handwerksbetriebe mit minderwertigen Brustimplantaten aus Frankreich zu tun, die der TÜV Rheinland vor einigen Jahren für unbedenklich erklärt hat? Oder mit Salmonellen in Werken des Süßwarenherstellers Ferrero zu Ostern 2022, die erst durch gravierende Lücken im System der Lebensmittelüberwachung möglich waren?

Immerhin so viel, dass die Anforderungen an alle Zertifizierungsstellen in Deutschland seither stark gestiegen sind und steigen. Was auch Auswirkungen auf die Betriebe hat, die sich zertifizieren lassen. Darüber haben wir mit dem Geschäftsführer von ZDH-ZERT GmbH, Anuschirawan Adel, gesprochen.

DHB: Herr Adel, Sie sagen, dass sich die Anforderungen an Zertifizierungen und Zertifizierungsstellen in den letzten zwei Jahren immens verschärft haben, wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Adel:
Die Deutsche Akkreditierungsstelle DAkkS stellt immer höhere Anforderungen an die Qualifikation der Auditoren und an das Audit selbst, beispielsweise bei den Dokumentationspflichten. Das bedeutet, dass Audits - beispielsweise für das Qualitätsmanagementsystem ISO 9001 oder das Umweltmanagementsystem ISO 14001 - zuletzt deutlich aufwendiger, länger und somit am Ende für die Betriebe auch teurer geworden sind.

DHB: Welche strengeren Anforderungen stellt die DAkkS an die Zertifizierungsstellen und die Auditoren?
Adel:
Beispielsweise steht seit zwei Jahren die Forderung im Raum, dass die Auditorinnen und Auditoren in Deutschland, die die Audits im Auftrag der Zertifizierungsstellen durchführen, immer eine einschlägige Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung in dem Tätigkeitsbereich haben sollen, den sie prüfen. Wer beispielsweise ein Gebäudereinigungsunternehmen zertifiziert, soll mindestens Geselle, wenn nicht sogar Meister mit einschlägiger Berufserfahrung in dem Gewerk sein. Bislang reichte eine kaufmännische Ausbildung und Berufserfahrung im Gebäudereinigungssektor.

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Die Forderungen gehen an der Praxis vorbei, denn das würde bedeuten, dass wir unsere über 200 Kunden im Bereich Gebäudereinigung und Facility Management nicht mehr mit ausreichend Auditoren für die ISO 9001 oder die ISO 14001 bedienen können. Das gilt im Übrigen für alle Zertifizierungsstellen in Deutschland. Der Fachkräftemangel ist schon jetzt groß. Solche Auditoren wären kaum auf dem Markt zu finden.

HintergrundZDH-ZERT ist eine handwerksnahe Zertifizierungsgesellschaft. ZDH-ZERT e.V. wurde 1994 ursprünglich als Selbsthilfeorganisation des Handwerks gegründet. Zu den 51 Mitgliedern des Vereins zählen nahezu alle Handwerkskammern und verschiedene Bundesverbände des Handwerks. Seit 2003 führt die ZDH-ZERT GmbH, eine 100-prozentige Tochter, Zertifizierungen durch. Die Zentrale ist in Bonn, daneben gibt es mehrere Geschäftsstellen im Bundesgebiet. Aktuell mit mehr als 300 Auditoren. Anuschirawan Adel ist seit über zehn Jahren Geschäftsführer von ZDH-ZERT. So etwas wie die aktuelle Entwicklung habe er noch nicht erlebt, sagt Adel.

DHB: Wie reagiert die Behörde auf Ihre Einwände?
Adel:
Gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Bundesinnungsverband der Gebäudereiniger BIV haben wir uns mit der DAkkS um Alternativen bemüht, damit die Betriebe Planungssicherheit haben und nicht zu Zertifizierungsstellen im Ausland abwandern müssen, wo es derart strenge Anforderungen nicht gibt. Ein anderes Problem ist die zunehmende Bürokratie.

DHB: Welche bürokratischen Anforderungen sind das?
Adel:
Wir müssen zum Beispiel seit einem Jahr alle Audit-Nachweise in der Zentrale von ZDH-ZERT aufbewahren. Das heißt, dass wir die Unterlagen im Betrieb kopieren und bei uns archivieren müssen. Wir müssen diese auch nachträglich prüfen. Die DAkkS begründet das mit dem Verbraucherschutz. Ich bin aber überzeugt, dass man mit den verschärften Anforderungen nicht die Richtigen trifft. Durch stichprobenartige Überprüfungen wird man diese kriminelle Energie und die illegalen Machenschaften nicht verhindern können. Für uns und unsere Kunden bedeutet das aber einen großen Wettbewerbsnachteil gegenüber Nachbarländern, die das so nicht praktizieren.

DHB: ZDH-ZERT ist ja die Zertifizierungsstelle für das Handwerk. Wie viele Betriebe sind in Deutschland eigentlich zertifiziert?
Adel:
Ich schätze, dass vielleicht 30.000 bis 40.000 Handwerksbetriebe zertifiziert sind. Rund 60 Prozent unserer Audits sind QM-Systeme nach DIN EN ISO 9001. Außerdem bieten wir Zertifizierungen im Bereich Umweltmanagementsysteme, die ISO 14001, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutz, also die ISO 45001, oder für Energiemanagementsysteme mit der ISO 50001. Wenn Betriebe als Zulieferer für die Industrie arbeiten oder als Dienstleister tätig sind, wird die Zertifizierung vorausgesetzt. Andere Unternehmen lassen sich freiwillig zertifizieren – für ihr Marketing, um interne Abläufe zu optimieren oder um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser in die Prozesse einzubinden.

Etwa 5.000 Schornsteinfeger tragen das Siegel Fachbetrieb des Schornsteinfegerhandwerks. Foto: © Bundesverband des SchornsteinfegerhandwerksEtwa 5.000 Schornsteinfeger tragen das Siegel Fachbetrieb des Schornsteinfegerhandwerks. Foto: © Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks

DHB: Sie haben außerdem für die Bundesverbände der Schornsteinfeger und Bestatter individuelle Zertifizierungsprogramme entwickelt. Welche Vorteile hat das?
Adel: Viele Zertifizierungen sind überdimensioniert für kleine und mittlere Betriebe. Deshalb erarbeiten wir gemeinsam mit Fachverbänden Alternativen. Das sind dann Dienstleistungs- und Prozessprüfungen. Bei den Schornsteinfegern beispielsweise tragen bereits zirka 5.000 Betriebe das Siegel "Fachbetrieb des Schornsteinfegerhandwerks". Wir suchen gerade weitere Verbände, die auch diesen Weg gehen möchten.

Ein anderes Beispiel: Seit einigen Jahren gibt es das von der Handwerkskammer Mittelfranken entwickelte Umwelt-Zertifizierungsprogramm "QuB-Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe". Bis vor einigen Jahren haben wir dafür auch Zertifikate ausgestellt, aber die DAkkS hat uns das untersagt, weil das Verfahren nicht von der Behörde akkreditiert wurde. Wir versuchen jetzt eine Zulassung für dieses Zertifizierungsprogramm zu bekommen und sind optimistisch, dass uns das noch in diesem Jahr gelingt. Das wäre für umweltbewusste Handwerksbetriebe eine interessante Alternative zur aufwändigeren "ISO 14001".

DHB: Sie zertifizieren ja auch Produkte und Personen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Adel:
Produktzertifizierungen machen wir unter anderem für Metallbauer, die zum Beispiel Balkongeländer oder Carports aus Stahl bauen. Personenzertifizierungen gibt es beispielsweise im Kosmetikbereich. Kosmetiker, die zum Beispiel apparative Behandlungen mit Laser- oder Ultraschall anbieten, brauchen eine Schulung und eine Prüfung. Das regelt die NiSV (Verordnung zum Schutz gegen die nichtionisierenden Strahlungen bei der Anwendung am Menschen). In der aktuellen Verordnung gibt es allerdings eine große Lücke, was die Überprüfung der Teilnehmer angeht. Die NiSV wird, in dieser Hinsicht, gerade überarbeitet. Ab 1. Januar 2024 dürfen nur noch Schulungsträger, die von akkreditierten Zertifizierungsstellen anerkannt wurden, diese Schulung anbieten. Und die Prüfung darf, nach aktuellem Stand, dann nur noch von einem akkreditierten Zertifizierer abgenommen werden.

Ablauf einer Zertifizierung

Die Einführung eines QM-Systems hat in der Regel den folgenden Ablauf. Jedes Produkt hat allerdings andere Abläufe und unterschiedliche Prüfungsabstände.

  • Information/Schulung der Geschäftsführung
  • Entscheidung treffen
  • QM-Beauftragten bestimmen und schulen
  • Q-Politik/Ziele formulieren und festlegen
  • Zeit und Kostenplan erstellen 
  • Betriebsrat einbinden
  • Kick-Off durchführen
  • IST-Analyse
  • Prozessbeschreibung
  • Ggf. Handbuch erstellen
  • Ggf. Voraudit beauftragen
  • Zertifizierungsaudit beauftragen
  • Wiederholungsaudit vor Ablauf des Zertifikats beauftragen

Das Interview führte Kirsten Freund 

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Text: / handwerksblatt.de

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