Mit 19 Maßnahmen will die EU-Kommission die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Betriebe stärken.

Mit 19 Maßnahmen will die EU-Kommission die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Betriebe stärken. (Foto: © bellanatella/123RF.com)

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EU-Kommission will KMU entlasten

Handwerkspolitik

Die EU-Kommission hat Vorschläge für eine Verordnung über Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und für eine Richtlinie zur Steuervereinfachung vorgelegt. Mittelständische Unternehmen sollen davon profitieren.

Um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu entlasten, schlägt die Europäische Kommission ein Entlastungspaket mit 19 Maßnahmen vor. Kern ist auf der einen Seite eine neue Verordnung über Zahlungsverzug, um die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr erheblich zu verschärfen. Daneben schlägt eine Richtlinie zur Steuervereinfachung vor, mit der eine Besteuerung von KMU nach den im Land der Hauptniederlassung geltenden Vorschriften eingeführt werden soll.

"KMU sind für das wirtschaftliche und soziale Gefüge Europas von zentraler Bedeutung", schreibt die Kommission in ihrer Mitteilung. Sie seien aber mit "erheblichen Unsicherheiten" konfrontiert. Dazu gehörten Lieferengpässe, Fachkräftemangel, Wettbewerbsverzerrungen, steigende Energie- und Rohstoffpreise und Zinsen. Dieser Gegenwind dürfte anhalten", so die Prognose der Kommission. Mit ihrem KMU-Entlastungspaket wolle sie kurzfristig Abhilfe schaffen, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von KMU stärken und ein faires und KMU-freundliches Unternehmensumfeld fördern.

Strengeres Zahlungsziel

Die derzeit geltenden Regeln der Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2011 sollen aufgehoben werden. Künftig soll eine strengere Obergrenze für Zahlungen von 30 Tagen gelten. "Durch den vorgeschlagenen Text wird auch sichergestellt, dass die Zahlung der angefallenen Zinsen und Entschädigungsgebühren automatisch erfolgt. Außerdem werden neue Durchsetzungs- und Abhilfemaßnahmen eingeführt, um Unternehmen vor schlechten beziehungsweise säumigen Zahlern zu schützen".

Ein erleichterter Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf durch Mediationsverfahren soll es KMU einfacher machen, ihr Recht geltend zu machen. Die Kommission spricht von täglichen zusätzlichen Finanzierungskosten von 158 Millionen Euro für europäische Betriebe in Verbindung mit Zahlungsverzug. Die neuen Regeln sollen dafür sorgen, dass sich verspätete Zahlungen um 35 Prozent reduzieren. Der Zeitaufwand, den Unternehmen für die Verfolgung ihrer Schuldner aufbringen, soll um 340 Millionen Arbeitsstunden schrumpfen. Das entspricht laut Kommission einem Gegenwert von 8,7 Milliarden Euro.

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Einfachere Steuervorschriften

Außerdem will die Kommission die Mehrwertsteuer vereinfachen und schlägt dafür eine Richtlinie vor, um Steuervorschriften für KMU, die grenzüberschreitend tätig sind, "erheblich zu vereinfachen". Die Betriebe sollen die Möglichkeit haben, die Steuerbemessungsgrundlage ihrer Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten nach den Vorschriften ihres Herkunftsmitgliedstaats zu berechnen. Damit sollen die Befolgungskosten im Steuerbereich für KMU um 32 Prozent sinken und Kosten in Höhe von bis zu 3,4 Milliarden Euro jährlich eingespart werden.

Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen will die Kommission auch die Möglichkeit schaffen, ihre Warenlieferungen und Dienstleistungen, die sie zusätzlich zu dem Mitgliedstaat, in dem sie niedergelassen sind, in einem beliebigen anderen Mitgliedstaat erbringen, von der Mehrwertsteuer zu befreien. Vorgesehen ist das Inkraftreten der neuen Regeln für Anfang 2025.

Regelungsumfeld für KMU verbessern

Die Belange mittelständischer Betriebe soll in Zukunft bei EU-Rechtsvorschriften konsequent bedacht werden. "So werden beispielsweise längere Übergangsfristen für KMU festgelegt, Beratung auf KMU ausgerichtet, die Auswirkungen von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten auf KMU berücksichtigt sowie Überprüfungs- und Verfallsklauseln im Sekundärrecht überprüft", kündigt die Kommission an. Sie will zudem die Berichterstattungspflichten mit weiteren Maßnahmen um 25 Prozent verringern. Die Digitalisierung der Verwaltung könne weitere Entlastung bringen.

Eine einfache und standardisierte Verfahrensweise soll KMU bei der Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen unterstützen und ihren Zugang zu nachhaltiger Finanzierung erleichtern. Neue Finanzierungsgarantien der EU über 7,5 Milliarden Euro sollen ebenfalls Investitionen anschieben.

Besserer Zugang zu Fachkräften

Die EU will die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, zu gewährleisten, dass jedes Jahr 60 Prozent aller Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter an Schulungsprogrammen teilnehmen, um die Fachkräfteversorgung zu verbessern. Ein Pilotprojekt zum europäischen Zertifikat für digitale Kompetenzen soll bei der Anerkennung digitaler Kompetenzen helfen und KMU den Zugang zu den entsprechend qualifizierten Fachkräften erleichtern. Geplant ist auch die "Modernisierung von Systemen der Berufsbildung". Sie sollen als "wirksame Bildungswege" wahrgenommen werden. Dazu soll eine "Ausbildungsallianz" mehr  Ausbildungsplätze schaffen.

Der Kompetenzpakt habe das Ziel, bis 2030 zehn Millionen Arbeitnehmer weiterzubilden und umzuschulen. Um mehr Frauen für das Unternehmertum zu begeistern, "verfolgt die Kommission Sensibilisierungsmaßnahmen kombiniert mit Schulungen, Mentoring und Betreuung, damit Unternehmerinnen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln und unternehmerischen Netzwerken erhalten". Sie will auch die Verfahren vereinfachen, um Fachkräfte aus Drittstaaten zu gewinnen, und die Fachkräftemobilität optimieren.

Diese Maßnahmen schlägt die Kommission vor1.) Die Kommission schlägt eine Richtlinie zur Steuervereinfachung vor, mit der eine Besteuerung von KMU nach den im Land der Hauptniederlassung geltenden Vorschriften eingeführt wird.

2.) Die Kommission wird spezifische KMU-freundliche Bestimmungen in neuen Legislativvorschlägen systematisch berücksichtigen, soweit dies angemessen und gerechtfertigt ist und den Zielen der Unionspolitik entspricht.

3.) Die Kommission wird einen besonderen KMU-Beauftragten der EU ernennen, der die Kommission in KMU-Fragen anleitet und berät und die Interessen von KMU nach außen vertritt. Der KMU-Beauftragte ist der Präsidentin direkt unterstellt, erstattet aber auch dem für den Binnenmarkt zuständigen Kommissionsmitglied Bericht über alle KMU- bezogenen Tätigkeiten, die er in Zusammenarbeit mit den Dienststellen der GD GROW, welche die Arbeit des Beauftragten unterstützen, durchführt.

4.) Die Kommission wird sicherstellen, dass der KMU-Beauftragte der EU an Anhörungen des Ausschusses für Regulierungskontrolle mit den Generaldirektionen zu Initiativen teilnimmt, die sich stark auf KMU auswirken.

5.) Die Kommission wird gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Rat die Bewertung der Auswirkungen wesentlicher Änderungen an den Kommissionsvorschlägen auf KMU und Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens fördern.

6.) Die Kommission wird mit Exekutivagenturen und dezentralen Agenturen zusammenarbeiten, um bewährte Verfahren für die Unterstützung von KMU zu ermitteln und zu fördern, damit KMU die Dienste der Agenturen leichter in Anspruch nehmen können.

7.) Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Experimente und Innovation in Start-ups durch Reallabore fördern.

8.) Die Kommission wird bis Ende 2023 in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten das technische System für die einmalige Erfassung einführen und den Anwendungsbereich des einheitlichen digitalen Zugangstors unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der KMU auf neue Verfahren ausweiten.

9.) Die Kommission wird im Oktober 2023 als Teil eines systematischen und wiederkehrenden Zyklus zusammen mit dem Arbeitsprogramm den nächsten Satz Vorschläge zur Rationalisierung der Berichtspflichten einschließlich der oben erwähnten Maßnahmen vorlegen, um das Ziel einer Verringerung der Berichtspflichten um 25 Prozent zu erreichen.

10.) Die Kommission schlägt eine neue Verordnung über Zahlungsverzug vor, um die EU- Vorschriften zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr erheblich zu verschärfen.

11.) Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bis Oktober 2023 über die maßgebliche InvestEU- Governance-Struktur dazu ermutigen, der nationalen InvestEU-Komponente zusätzliche Mittel zuzuweisen und ARF-Beiträge zu InvestEU vereinfachen, indem sie zusätzliche Beratung zur Anwendung des Grundsatzes "Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen" bereitstellt.

12.) Die Kommission wird mit dem EIF daran arbeiten, im Laufe des Jahres 2024 eine Pilotfazilität aufzubauen, damit Exportkreditagenturen KMU bei deren Handel mit der Ukraine unterstützen können.

13.) Die Kommission wird die Anwendung standardisierter Vorschriften und Bedingungen, die für KMU geeignet sind, für die Vergabe öffentlicher Aufträge fördern, um die Beteiligung von KMU an der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verbessern.

14.) Die Kommission wird einen einfachen und standardisierten Rahmen für KMU zur Berichterstattung über ESG-Aspekte sicherstellen, bei dem das Risiko begrenzt wird, dass Offenlegungspflichten im Anwendungsbereich der CSRD für nicht börsennotierte KMU, die Teil der Wertschöpfungskette von Unternehmen sind, Folgen haben und gewährleisten, dass zügig freiwillige Standards für nicht börsennotierte KMU bereitgestellt werden.

15.) Die Kommission wird Finanzinstitute ermutigen, die grüne Finanzierung von KMU in ihre Geschäftsmodelle aufzunehmen, indem sie a. einen Standard für oder eine Definition von grünen Darlehen, insbesondere für KMU, erarbeitet, die auf den folgenden Empfehlungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde beruht b. eine KMU-freundlichen Anpassung der Quote grüner Vermögenswerte bewertet, die bei einer künftigen Aktualisierung des delegierten Taxonomie-Rechtsakts über die Offenlegungspflichten berücksichtigt werden soll.

16.) Die Kommission wird einen Vorschlag zur Einrichtung eines EU-Talentpools und eine Initiative zur Verbesserung der Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen von Drittstaatsangehörigen bis zum 4. Quartal 2023 vorlegen, um dem Fachkräftemangel in der EU zu begegnen.

17.) Die Kommission wird im Rahmen von Sensibilisierungs-, Mentoring- und Coaching-Kampagnen mit Gruppen zusammenarbeiten, deren ungenutztes unternehmerisches Potenzial nach wie vor hoch ist, wie beispielsweise Frauen, junge Menschen und Menschen mit Behinderungen.

18.) Die Kommission wird die Anforderungen von Unternehmen berücksichtigen, die die Schwellenwerte der KMU-Definition überschreiten, sowie auch des breiten Spektrums der Mid Caps, und bis Ende des Jahres 2023 a. die Auswirkungen der hohen Inflation und der längerfristigen Produktivitätssteigerungen analysieren, sowie auch der Wechselwirkung mit etwaigen zusätzlichen Maßnahmen für Mid Caps, um – sofern gerechtfertigt – die finanziellen Schwellenwerte der derzeitigen KMU-Definition anzuheben b. eine harmonisierte Definition für kleine Mid Caps erarbeiten c. anschließend die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um einer überarbeiteten KMU-Definition in den einschlägigen Rechtsakten Rechnung zu tragen d. einen auf der Definition für kleine Mid Caps beruhenden Datensatz erstellen und potenzielle Maßnahmen bewerten, um diese Unternehmen bei ihrem Wachstum zu fördern (einschließlich die mögliche Anwendung bestimmter Maßnahmen in angepasster Form zugunsten von KMU).

19.) Die Kommission wird die Rahmenbedingungen für Unternehmensübertragungen in den Mitgliedstaaten zusammen mit dem Netz der KMU-Beauftragten bis zum 2. Quartal 2024 bewerten.
Quelle: EU-Kommission

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Text: / handwerksblatt.de

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