Jeder Strich muss sitzen, Ingo Kruse bei der Fertigung eines 3-D-Upgrades einer älteren Lackierung.

Jeder Strich muss sitzen, Ingo Kruse bei der Fertigung eines 3-D-Upgrades einer älteren Lackierung. (Foto: © Jürgen Ulbrich)

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Custom Painting: Der Lack-Virtuose aus Kamen

Die Leidenschaft für Formen und Farben wurde Ingo Kruse in die Wiege gelegt. Heute ist er einer der gefragtesten Custom-Painter Deutschlands.

Konzentriert zieht Ingo Kruse mit weißem Stift die Kanten des Harley-Schriftzugs auf dem Tank nach. Mit der linken Hand stabilisiert er den rechten Arm, jeder Strich muss sitzen, das 3-D-Upgrade einer älteren Lackierung muss fertig werden. Der nächste Auftrag wartet.

Spektakuläre Design-Entwürfe sind das Markenzeichen des Lack-Virtuosen Ingo Kruse aus Kamen. Beispielhaft für seine Ideen steht diese Harley- Farbgebung. Foto: © Ben OttSpektakuläre Design-Entwürfe sind das Markenzeichen des Lack-Virtuosen Ingo Kruse aus Kamen. Beispielhaft für seine Ideen steht diese Harley- Farbgebung. Foto: © Ben Ott

Davon zeugen Projekt-Zeichnungen und Bilder an der Lackierkabinen-Wand von "Kruse Design". "Seit 2003 bin ich in Kamen" sagt Ingo, Sohn eines Grafik-Designers aus Iserlohn.

Der Hang zu Formen und Farben wurde ihm also förmlich in die Wiege gelegt. Doch wie kam er auf die Idee, Bikes mit extravagantem Lack-Design zu personalisieren?

Drei Tage durch Iserlohn geknattert

Ingo Kruse vor den Projekt-Zeichnungen und Bildern an der Lackierkabinen-Wand. Foto: © Jürgen UlbrichIngo Kruse vor den Projekt-Zeichnungen und Bildern an der Lackierkabinen-Wand. Foto: © Jürgen Ulbrich

Seine Motorrad-Liebe begann mit zwölf Jahren. "Im Innenhof eines Dachdeckers lag im Gerümpel ein Hercules-Kleinkraftrad", erzählt er. "Ich kickte und beim zweiten Mal sprang es an. Drei Tage bin ich durch Iserlohn geknattert, ohne Nummernschild. Dann schnappte mich die Schmiere, als ich aus ’ner Kneipe kam, aber sie konnte mir nichts beweisen", sagt er grinsend ob seiner Jugendsünde.

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Ingo hatte Blut geleckt, mit 16 musste das Ersparte aus Ferien- und Putz-Jobs zum Kauf einer 50er Kreidler herhalten, mit 18 kaufte er eine alte Polizei-BMW R50. "Die habe ich umgebaut, im Kino lief wieder "Easy Rider‘, die Chopperzeit begann, ich tüftelte an Diamanteffekt-Lackierungen", erinnert er sich. Seine Vorbilder kamen aus den Staaten, Ingo abonnierte US-Magazine wie "Street Custom" und "Custom Chopper", saugte alles auf. Und baute immer hochwertiger um, "natürlich ohne TÜV, mit einem Bein stand man quasi immer im Gefängnis", lacht er.

"Etwas als Künstler machen"

Nach dem Abitur folgte 1977 das Studium "Visuelle Kommunikation" an der Folkwang Universität der Künste in Essen. "Etwas als Künstler machen" sollte es sein. Nur ein Jahr später – professionelle Motorrad-Customer wie AME sorgten inzwischen für Aufsehen – meldete er sein Gewerbe "Lackdesign" in einem Schwerter Hinterhof an. 1981 folgte dort die Eröffnung der "ersten richtigen Lackiererei". Studium und Selbständigkeit passten bald nicht mehr zusammen, Ingo brach sein Studium ab.

Auch bei dieser futuristisch anmutenden Thunderbike-Harley-Davidson war Ingo Kruse für die Lackierung zuständig. Foto: © Horst RöslerAuch bei dieser futuristisch anmutenden Thunderbike-Harley-Davidson war Ingo Kruse für die Lackierung zuständig. Foto: © Horst Rösler

"Das Timing war nicht gelungen", urteilt er heute, "als die Harleys Deutschland eroberten, wollten sie alle in Schwarz, farbige Lackierungen wie bei den Japan-Bikes waren out." So verdiente er seine Brötchen eine halbe Ewigkeit mit Auto-Lackierungen. Mitte der Neunziger hatte er die Nase voll, verkaufte den Betrieb. "Ich wollte zurück zu meinen Wurzeln ", beschreibt er die Zäsur. Er konzentrierte sich auf Harleys, Design und Farben, gründete "Kruse-Design" und verschaffte sich als "Haus- und Hoflackierer" der HD-Custom-Profis von "Thunderbike" im niederrheinischen Hamminkeln große, auch internationale Anerkennung als Lack-Virtuose.

Anders als normale Lackierwerkstätten

Ingo Kruse (r.) kann sich ganz auf seine spektakulären Entwürfe konzentrieren, Lackierer-Meister Ingo Berthold Drac übernimmt die Ausführung. Foto: © Jürgen UlbrichIngo Kruse (r.) kann sich ganz auf seine spektakulären Entwürfe konzentrieren, Lackierer-Meister Ingo Berthold Drac übernimmt die Ausführung. Foto: © Jürgen Ulbrich

Mit dem Erfolg wuchs die Platznot, die neue Lackiererei in Kamen wurde bezogen, Ingo besuchte Messen, war viel unterwegs. Lackierer Klaus Feldberg setzte die vielfach prämierten Design-Kunstwerke um. "Klaus ist ein sehr guter Mann und Handwerker, er hat mir sehr viel geholfen", erklärt Ingo mit belegter Stimme, denn mit 56 hatte sein langjähriger Unterstützer einen Schlaganfall und kann seither nicht mehr lackieren.

Zum Glück traf Ingo Berthold Drac wieder, mit ihm hatte er schon in Schwerte 10 Jahre lang zusammengearbeitet. Seither konzentriert sich der Meister wieder ganz auf seine spektakulären Design-Entwürfe und Kundenpflege, Drac lackiert. "Berthold ist Lackiermeister, er kennt unsere Spezial-Spritzpistolen, den besonderen Druck, mit dem wir arbeiten. Unsere Arbeitsabläufe sind anders als in normalen Lackierwerkstätten."

Seine spärliche Freizeit verbringt Ingo Kruse am liebsten auf einem seiner Motorräder – hier ein stylischer V-Rod im Kruse-Design. Foto: © Ingo KruseSeine spärliche Freizeit verbringt Ingo Kruse am liebsten auf einem seiner Motorräder – hier ein stylischer V-Rod im Kruse-Design. Foto: © Ingo Kruse

Derart gut gerüstet wird Ingo weiter die außergewöhnlichen Wünsche seiner rund 4000 Kunden erfüllen, denn "ich werde diesen Job machen, so lange ich kann." Und weiter seiner Motorrad-Liebe frönen, entweder auf seinem stylischen V-Rod oder auf der alten Heritage – beide natürlich im "Kruse-Design".

Text: / handwerksblatt.de

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