Diplom-Restauratorin Agnieszka Wojdan, Inhaberin eines Restaurierungsateliers sowie Sachverständigenbüros in Köln, im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt.
DHB: Frau Wojdan, Sie engagieren sich sehr stark über ihre Website und die sozialen Medien für ihren Berufsstand. Warum tun Sie dies?
Wojdan: Ich bin seit rund 30 Jahren als Restauratorin tätig und habe zwei akademische Studiengänge abgeschlossen, die meine praktische Arbeit durch fundierte kunsthistorische, materialtechnische und konservatorische Kenntnisse ergänzen. Restauratorinnen und Restauratoren arbeiten an wertvollen Kunst- und Kulturobjekten und tragen entscheidend dazu bei, deren Originalsubstanz und historische Aussage langfristig zu erhalten.
Trotz dieser hohen Verantwortung bereitet mir die Zukunft unseres Berufsstandes Sorge. Der Titel "Restauratorin" ist in vielen Bereichen nicht geschützt, sodass auch Personen ohne fachliche Qualifikation Restaurierungsarbeiten anbieten. Diese treten häufig mit sehr niedrigen Preisen auf, die weder den professionellen Standards noch der notwendigen Sorgfalt entsprechen. Für qualifizierte Restauratorinnen ist es kaum möglich, mit solchen Anbietern mitzuhalten, ohne dabei die eigene Arbeitsethik zu unterlaufen.
Diese Situation ist nicht nur wirtschaftlich belastend, sondern gefährdet vor allem unser Kulturgut. Restaurierung erfordert wissenschaftliche Methodik, vertieftes Materialwissen und die Fähigkeit, Schäden korrekt zu beurteilen und reversible, substanzschonende Maßnahmen durchzuführen. Unqualifizierte Eingriffe führen dagegen häufig zu Schäden, die später nur schwer oder gar nicht wieder gutzumachen sind.
Daher ist es wichtig, die Bedeutung professioneller Restaurierung stärker ins Bewusstsein zu rücken und klar zu kommunizieren, wie unverzichtbar fachlich qualifizierte Arbeit für den Erhalt unseres kulturellen Erbes ist.
DHB: Aber Sie werden doch durch einen Verband vertreten?
Wojdan: 30 Jahre lang war ich Mitglied im Verband der Restauratoren und habe mich in dieser Zeit aktiv eingebracht. Verbandsarbeit verstehe ich grundsätzlich als wichtigen Schutz und als Unterstützung für die Mitglieder. Dennoch habe ich für mich festgestellt, dass einige zentrale Themen aus meiner Sicht nicht in dem Maße vorangetrieben wurden, wie es für die Zukunft unseres Berufsstandes notwendig wäre. Aus diesem Grund habe ich mich – nach reiflicher Überlegung und in gegenseitigem Respekt – dazu entschieden, meine Mitgliedschaft zu beenden.
Gleichzeitig engagiere ich mich heute im Bundesverband der Deutschen Sachverständigen und Fachgutachter, wo ich fachlich tätig bin und meine restauratorische und sachverständige Arbeit gut eingebunden sehe. Für mich war dieser Schritt eine persönliche Entscheidung, um meine beruflichen Schwerpunkte klar auszurichten.
Agnieszka Wojdan gemeinsam mit einer ihrer Praktikantinnen. Foto: © Agnieszka WojdanDHB: Könnten Sie das bitte erläutern?
Wojdan: In vielen restauratorischen und kunsthandwerklichen Berufen besteht seit Jahren ein grundlegendes Problem: eine zunehmend schlechte Zahlungsmoral – und zwar nicht nur im privaten Bereich, sondern besonders bei großen Auftraggebern, Unternehmen und der öffentlichen Hand. Rechnungen bleiben häufig monatelang offen, wodurch Betriebe in erhebliche Vorleistung gehen müssen.
Dabei tragen diese Berufsgruppen hohe laufende Kosten: Werkstattmiete, Materialbeschaffung, Transport, spezielle Geräte, sicherheitsrelevante Ausrüstung und kontinuierliche Fortbildungen. Viele Arbeiten finden zudem unter anspruchsvollen Bedingungen statt – etwa im Winter im Außenbereich oder an denkmalgeschützten Objekten, die besondere Expertise erfordern.
Die Branche leistet qualifizierte, teils hochspezialisierte Arbeit zum Erhalt von Kulturgut, doch die Anerkennung und die Honorarsituation spiegeln dies oft nicht wider. Wenn Zahlungen über lange Zeiträume ausbleiben, gefährdet das nicht nur einzelne Projekte, sondern auch die wirtschaftliche Stabilität der gesamten Fachbetriebe.
Der Beruf der Restauratorinnen und Restauratoren braucht endlich politischen Schutz. Solange der Titel nicht geschützt ist, zerstören unqualifizierte Billiganbieter unser Kulturgut – und qualifizierte Fachleute verlieren Aufträge. Wir fordern klare gesetzliche Standards, faire Vergaberegeln und eine stabile Finanzierung restauratorischer Studiengänge. Ohne diese Maßnahmen riskieren wir, dass jahrhundertealte Kunstwerke unwiederbringlich verloren gehen.
DHB: Sie arbeiten ja auch eng mit verschiedenen Fachgruppen zusammen. Wie läuft das?
Wojdan: Ich habe großen Respekt vor allen Fachleuten, mit denen Restauratorinnen und Restauratoren zusammenarbeiten. In unserem Bereich sind viele unterschiedliche Berufsgruppen beteiligt – etwa Speditionen, Handwerksbetriebe, Restauratoren im Handwerk, Wissenschaftler oder technische Dienstleister. Mir ist wichtig, dass wir einander unabhängig von der beruflichen Rolle immer mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen.
DHB: Sie sprachen eben die Zahlungsmoral an. Ist das tatsächlich so häufig, dass sich große Auftraggeber in dieser Art und Weise verhalten?
Wojdan: Aus der Branche wird immer wieder berichtet, dass manche größere Auftraggeber Zahlungen bewusst verzögern. Dahinter steht mitunter die Einschätzung, dass kleinere Betriebe oder selbstständig arbeitende Restauratorinnen und Restauratoren langwierige rechtliche Auseinandersetzungen finanziell oder zeitlich kaum durchhalten können. Diese Praxis belastet die wirtschaftliche Stabilität der Fachbetriebe erheblich und verstärkt die ohnehin angespannte Honorarsituation im Restaurierungswesen.
'Ziel ist der Erhalt des Originalzustands, ohne die künstlerische Aussage zu verändern – und stets mit Methoden, die möglichst schonend, reversibel und transparent sind', erklärt Agnieszka Wojdan über ihre Arbeit. Foto: © Agnieszka WojdanDHB: Wie verstehen Sie die Arbeit ihres Berufes?
Wojdan: Restauratorinnen und Restauratoren bewahren materielle Zeitzeugnisse und damit einen wesentlichen Teil unseres kulturellen Erbes. Unsere Arbeit ist hochspezialisiert und umfasst zahlreiche Fachrichtungen – von Gemälden und gefassten Skulpturen über Keramik, Glas, Papier, Holzobjekte, Textilen und Stein bis hin zu komplexen baugebundenen Objekten und historischem Mauerwerk. Jede Sparte erfordert präzise Kenntnisse in Materialkunde, Kunstgeschichte und angewandter Restaurierungstechnik.
Dabei beschäftigen wir uns nicht nur mit historischen Werken, sondern ebenso mit moderner und zeitgenössischer Kunst, deren Materialien und Techniken häufig besonders anspruchsvoll sind. In jedem Fall gilt das gleiche Prinzip: Wir greifen nur so weit ein, wie es konservatorisch notwendig und ethisch vertretbar ist. Ziel ist der Erhalt des Originalzustands, ohne die künstlerische Aussage zu verändern – und stets mit Methoden, die möglichst schonend, reversibel und transparent sind.
DHB: Frau Wojdan, ich habe gelesen, dass sie sich wie viele andere Restauratorinnen und Kollegen von technischen Hochschulen für die Flut-Schäden an der Ahr engagieren.
Wojdan: Die Flutkatastrophe stellte für die gesamte Restaurierungsbranche eine außergewöhnliche Herausforderung dar. Zahlreiche Werkstätten und Fachleute haben damals unbürokratisch Hilfe geleistet und Patenschaften für beschädigte Objekte übernommen, um deren Erhaltung zu sichern. Auch ich habe drei solcher Patenschaften übernommen. Für die Bergung und Erstversorgung der oft stark verschlammten oder durchnässten Kunstwerke waren spezielle Verfahren und technische Anpassungen notwendig, unter anderem neue Geräte zur schonenden Entfernung von Sedimenten. Die Arbeiten bewegten sich für viele von uns in einem Bereich, der zuvor kaum praktische Erfahrungswerte bot. Dennoch konnten wir eine erhebliche Zahl der betroffenen Werke stabilisieren und in einen deutlich besseren Zustand zurückführen.
DHB: Sie machen sich Sorgen um die Zukunft dieses Berufstandes. Wie ist die Aus- bzw. Fortbildungsperspektive?
Wojdan: Die Situation der Studiengänge für Restaurierung in Deutschland ist seit Jahren angespannt. Ein aktuelles Beispiel ist Berlin: An der Technischen Hochschule (ehemals HTW Berlin) steht ein Studienbereich der Konservierung und Restaurierung aufgrund fehlender finanzieller Mittel ernsthaft zur Disposition. Sollte ein solcher Studiengang wegfallen, hätte das weitreichende Folgen für den gesamten Berufsstand. Denn die hochqualifizierte Restaurierung basiert auf akademischer, interdisziplinärer Ausbildung – jeder Verlust einer Studienmöglichkeit verschärft den Fachkräftemangel und schwächt langfristig die Erhaltung unseres kulturellen Erbes.
'Restaurierung ist keine Tätigkeit, die man einfach ausführt – sie ist eine Haltung. Sie verlangt Geduld, Demut, Verantwortung und die Fähigkeit, im Kern zu erkennen, was bleiben soll', so Wojdan. Foto: © Agnieszka Wojdan DHB: Bereuen Sie, dass sie diesen Beruf ergriffen haben. Was treibt sie überhaupt noch an, diesen Beruf weiter auszuüben?
Wojdan: Nein, ich bereue diesen Beruf nicht. Seit drei Jahrzehnten erlebe ich Höhen und Tiefen, und ja – vieles von dem, was wir besprochen haben, macht diesen Weg manchmal schwierig, manchmal sogar existenziell herausfordernd. Doch das Entscheidende ist: Ich tue genau das, was mich erfüllt.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich diesen Beruf gewählt habe. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass dieser Beruf mich gefunden hat. Restaurierung ist keine Tätigkeit, die man einfach ausführt – sie ist eine Haltung. Sie verlangt Geduld, Demut, Verantwortung und die Fähigkeit, im Kern zu erkennen, was bleiben soll.
Was mich antreibt? Die Gewissheit, dass meine Arbeit einen Sinn hat. Dass etwas Bewahrenswertes durch meine Hände Zukunft bekommt. Und solange mich diese innere Klarheit trägt, gehe ich diesen Weg weiter – egal wie herausfordernd er manchmal ist.
DHB: Was ist das Problem, wenn sie ihre Arbeit machen und der Kunde bringt nicht die nötige Wertschätzung entgegen?
Wojdan: Das kommt häufiger vor. Wenn ich ein Ölgemälde reinige, verändert sich die Wirkung oft erheblich. Viele Menschen wissen nicht, wie stark ein vergilbter Firnis, Nikotin oder Schmutz die Farbigkeit verfälschen können. Wird dieser Oberflächenfilm entfernt, treten die originalen Farbtöne wieder hervor – ein vermeintlich "brauner" Himmel kann sich als intensiv hellblau erweisen. Solche Veränderungen sind keine künstlerische Umgestaltung, sondern das Freilegen des ursprünglichen Zustands.
Ein weiteres Problem entsteht durch Laien oder sogenannte Halbprofis, die sich mithilfe von Internetanleitungen an Restaurierungsarbeiten versuchen. Diese Eingriffe erfolgen meist ohne Kenntnisse über Materialien, Alterungsprozesse oder Reversibilität und richten häufig erheblichen Schaden an. Später sollen wir das Objekt retten – was nicht immer vollständig möglich ist.
Darum ist die qualifizierte Ausbildung des restauratorischen Nachwuchses für mich ein zentraler Punkt. Ich habe zahlreiche Praktikantinnen und Praktikanten betreut und ihnen grundlegende konservatorische Prinzipien vermittelt, sodass sie ihren Weg in fachlich anspruchsvollen Bereichen gehen konnten.
Foto: © Agnieszka Wojdan DHB: Sie sind ausgebildete Sachverständige. Was hat dies für eine Bedeutung für ihre aktuelle Tätigkeit?
Wojdan: Der Beruf der Restauratorinnen und Restauratoren erfordert kontinuierliche Weiterbildung. Materialien, Schadensbilder und Methoden entwickeln sich stetig weiter, und nur durch regelmäßige Qualifizierung kann fachlich auf höchstem Niveau gearbeitet werden. Für mich war die Erweiterung meiner Kompetenzen daher ein wichtiger Schritt.
2023 habe ich ein ergänzendes Studium im Bereich Sachverständige und Fachgutachter für Kunst und Kulturgut abgeschlossen und bin seitdem zertifiziert nach ISO/IEC 17024. Diese internationale Norm stellt sicher, dass Sachverständige nach nachvollziehbaren, geprüften Qualitätskriterien arbeiten.
Im Alltag werden die Begriffe Sachverständige und Gutachter häufig gleichgesetzt. Entscheidend ist jedoch die fachliche Befähigung. Leider gibt es immer wieder Personen, die ohne Ausbildung oder Zertifizierung Gutachten anbieten. Solche unqualifizierten Bewertungen können Kunstwerke erheblich gefährden und sind in bestimmten Kontexten – etwa bei Versicherungs- oder Gerichtsgutachten – rechtlich problematisch.
Die Verbindung aus restauratorischer Expertise und sachverständiger Qualifikation ermöglicht eine fundierte Beurteilung von Zustand, Authentizität und Wert historischer wie zeitgenössischer Kunstwerke. Diese Doppelkompetenz ist ein wesentlicher Beitrag zum verantwortungsvollen Erhalt unseres kulturellen Erbes.
DHB: Sie sind nicht nur damit beschäftigt, die Werk zu restaurieren, sondern sie tragen auch die Verantwortung, etwa für Museen Werke transportieren zu lassen.
Wojdan: Tatsächlich übernehmen Restauratorinnen und Restauratoren häufig verantwortungsvolle Aufgaben im Bereich des Kunsttransports. Je nach Auftrag führen wir Kurierfahrten sowohl als Selbstständige als auch im musealen Umfeld durch. Dabei wird jedes Objekt zunächst dokumentiert, fachgerecht verpackt und während des Transports begleitet.
Am Zielort achten wir darauf, dass das Werk unter den erforderlichen konservatorischen Bedingungen aufgestellt oder ausgestellt wird. Während der gesamten Leih- oder Ausstellungsdauer darf das Objekt ohne Zustimmung des zuständigen Restaurators weder berührt noch versetzt oder verändert werden. Vor der Rückgabe erfolgt erneut eine genaue Begutachtung und Dokumentation, um den Zustand zweifelsfrei festzuhalten.
Foto: © Agnieszka Wojdan DHB: Welches Ihrer Projekte hat in den vergangenen Jahren die größte Aufmerksamkeit erlangt?
Wojdan: Ein besonders aufsehenerregendes Projekt war die Restaurierung einer kirchlichen Holzskulptur mit starkem Schädlingsbefall. Die Arbeit war nicht nur fachlich anspruchsvoll, sondern auch visuell sehr eindrucksvoll – das entsprechende Video auf meinem Instagram-Kanal wurde über 1,6 Millionen Mal aufgerufen. Natürlich gibt es Projekte, die aus restauratorischer Sicht noch wesentlich interessanter sind, doch über die positive Resonanz auf diese Dokumentation habe ich mich sehr gefreut.
DHB: Wenn Sie sich ein Restaurierungsprojekt wünschen könnten, was könnte das sein?
Wojdan: Wenn ich mir ein Restaurierungsprojekt wünschen dürfte, dann wäre es ein Werk, das restauratorisch wie wissenschaftlich besonders herausfordernd ist – etwa ein großformatiges, komplex aufgebautes Gemälde oder eine bedeutende Skulptur mit vielschichtigen Schadensbildern. Solche Projekte erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdisziplinen, umfangreiche Materialanalysen und langfristig angelegte konservatorische Konzepte. Für viele Restauratorinnen und Restauratoren besteht das "Größte" nicht unbedingt darin, ein berühmtes Werk zu bearbeiten, sondern in der Möglichkeit, an einem kulturhistorisch bedeutenden Objekt mitzuwirken, dessen Erhaltung einen echten Beitrag zum kulturellen Gedächtnis leistet. Ein Projekt, bei dem Forschung, handwerkliche Präzision und Verantwortung für das Original auf höchstem Niveau zusammenkommen – das ist die eigentliche Königsdisziplin unserer Arbeit.DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Text:
DHB /
handwerksblatt.de
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