Kerzenhersteller und Wachszieher: Ein Gewerk mit Leuchtkraft
Die Joh. Schlösser GmbH in Köln stellt seit über 250 Jahren Kerzen her. Das Familienunternehmen wird heute von der Familie Zimmermann geführt. Zu den größten Kunden zählt der Kölner Dom.
Sie stehen in Kirchen, auf dem heimischen Wohnzimmertisch, auf Friedhöfen, in Cafés und überall dort, wo Menschen zusammenkommen: in Liebe, Trauer, Freude, Freundschaft, Geselligkeit, im Glauben und in Anteilnahme. Stephan Zimmermann ist Geschäftsführer der Kerzenfabrik Joh. Schlösser GmbH in Köln-Marsdorf und stellt mit seinem 20-köpfigen Team Kerzen für den kirchlichen und Privatgebrauch her. Das Familienunternehmen gibt es seit 250 Jahren und wird aktuell in achter beziehungsweise neunter Generation von der Familie Zimmermann geführt.
Zu seinen größten Kunden zählt niemand Geringeres als der Kölner Dom. Die Opferlichte mit wiederverwertbarer Hülle, die oft an Heiligenaltären, in Gedenkkapellen oder in der Nähe des Opferstocks aufgestellt und entzündet werden, zählen mit zirka fünf Millionen hergestellten Exemplaren zu den absoluten Bestsellern. "Wir kooperieren mit den Alexianer Werkstätten, wo Menschen mit Handicap die leergebrannten Hüllen recyclen, indem sie gereinigt und wiederbefüllt werden, das funktioniert sehr gut. Wir führen aber auch Opferkerzen zur einmaligen Verwendung."
Die Osterkerze, die in jeder Kirche durch ihre Größe und den prominenten Standort auffällt, und für Gläubige das Licht der Auferstehung symbolisiert, erhält alljährlich einen eigenen Katalog. "Die Gestaltung der Osterkerzen ist unser absolutes Herzensprojekt, in das wir viel Mühe und Herzblut stecken. Sie beinhalten zehn Prozent Bienenwachs. Die Jahreszahl ist auf jeder Kerze abgebildet, die Wachsauflage variiert." Das Aufstellen von Kerzen ist ein hochemotionales Thema, das oft bei einschneidenden und prägenden Lebensereignissen wie Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen wichtig wird.
Kerzen haben auch heute noch einen sehr hohen Symbolgehalt
"An Unglücksstellen oder auf Gräbern findet sich oft eine Vielzahl an Kerzen, verbunden mit der Botschaft ›Dieses Licht brennt für Dich‹ oder ›Ein letzter Gruß‹. Wenn Eltern zu uns kommen, die ein Sternenkind haben, also ein Kind, das während, bei oder kurz nach der Geburt verstorben ist, ist das sehr berührend und uns kommt eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu. Früher herrschte vielerorts der Aberglaube, dass, wenn eine Kerze verlischt, das Leben zu Ende sei. Auch in der heutigen Zeit haben Kerzen einen sehr hohen Symbolgehalt."
Kommen Kerzen im Alltagsgebrauch zum Einsatz, dann häufig, weil sie ein Stück Natürlichkeit zurückbringen. "Eine Kerze anzuzünden ist wie eine gute Flasche Wein zu öffnen. Ich öffne den Wein, rieche daran und schwenke ihn im Glas. Wer eine Kerze anzündet, möchte eine gewisse Stimmung einfangen." Zimmermann vergleicht das Anzünden einer Kerze mit einem Kaminfeuer, das beruhigt und Räume in besondere Farben taucht. "In der heutigen Zeit sind viele getrieben von beruflichem und privatem Stress und einem Überangebot an Aktivitäten. In Corona-Zeiten gingen unsere Kerzen wie jeck, weil die Menschen ihr Geld in Zeiten der Isolierung in ihr Zuhause investiert haben und es zu schätzen wussten, dass Kerzen das häusliche Umfeld verschönern."
Seltenes Handwerk: Bundesweit gibt es etwa 25 Betriebe
Foto: © Daniela RissingerDas Unternehmen beschäftigt aktuell zwei Auszubildende, bundesweit sind es sechs. "Eine unserer Auszubildenden hat Abitur und ist von einem kunsthistorischen Studium ins Handwerk gewechselt." Die Kerzeninnung hat ihren Sitz in Bayern, Stephan Zimmermann ist Landesinnungsobermeister. Auch wenn sich Kerzen einer hohen Beliebtheit erfreuen, ist das Kerzenhersteller- und Wachszieher-Handwerk selten geworden. Deutschlandweit gibt es zirka 25 Betriebe, die dieses Gewerk ausüben. Die größte Konkurrenz sind industriell fertigende Betriebe mit Standorten im Ausland.
"Unser Handwerk ist ein sehr interessanter Beruf, weil man mit vielen unterschiedlichen Materialien arbeitet und technische Prozesse und Handarbeit zusammenlaufen. In unserer Fabrik stehen Maschinen, die ein umfassendes technisches Können voraussetzen. Der Großteil unseres Teams zeichnet sich durch lange Betriebszugehörigkeiten aus. In unserem Familienunternehmen gibt es kurze Entscheidungswege. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, dass sie mich bei Problemen ansprechen können und wir gemeinsam nach einer Lösung suchen. Gleichzeitig braucht es Leute, die sich mit den Abläufen auskennen und sich mit dem Betrieb identifizieren."
Das natürliche Licht und die hochwertige Herstellung wertschätzen
Für wachsechte Schlagzeilen sorgte im Februar 2024 eine Aktion des "Colonia Kochkunstvereins", der eine zwei Meter hohe und 25 Kilogramm schwere Kerze im Dom aufstellen ließ, die in Zeiten des Ukraine-Krieges ein Zeichen gegen Terror und Krieg und für den Frieden setzen sollte – gefertigt wurde das Unikat von der Joh. Schlösser GmbH. "Die Idee hinter der Aktion war, dass wenn die Kerze verlischt, der Krieg zu Ende ist."
Für die Zukunft seines Gewerks wünscht sich Stephan Zimmermann, "dass die Menschen weiterhin das natürliche Licht einer Kerze und eine qualitativ hochwertige Herstellung wertschätzen. Ich wünsche mir, dass es Menschen gibt, die unser Handwerk weiterhin hochhalten und ein Produkt herstellen, das mit Verstand und Liebe gearbeitet ist."
Auf die Frage, wo er eine dauerhaft brennende Kerze aufstellen würde, hat der Wachsziehermeister eine klare Antwort: "Ich würde die Kerze in Jerusalem auf dem Tempelberg aufstellen, weil hier drei Glaubensrichtungen zusammenkommen und die Begegnungen immer wieder von religiösen und politischen Spannungen geprägt sind. Die Kerze könnte eine Anlaufstelle sein und für die Frage stehen, ob wir nicht doch irgendwie alle gemeinsam gut miteinander auf der Erde zusammenleben können?"
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Text:
Daniela Rissinger /
handwerksblatt.de
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