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HWK Trier | Oktober 2024
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Der afrikanischste aller Märkte: Der Medizinmarkt vor der Kulisse des modernen Durban. (Foto: © picsol)
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Oktober 2016
Südafrika ist ein Land der Gegensätze. Das gilt erst recht für Durban, die Stadt am indischen Ozean.
Auf den Warwick-Märkten versorgt sich das arme Schwarzafrika, in der Station Drive, einem alternativen Einkaufs- und Designzentrum dominiert die Hipster-Kultur der Weißen. Jeder kämpft auf seine Art um Kunden.
Pythonfett hilft gegen offene Wunden. "Ich jedenfalls glaube dran", sagt Patrick. Der ehemalige Polizist, ein Zulu, steht an der Brücke über die Warwick-Märkte, am Rande der südafrikanischen Stadt Durban. Die Kisten, Säcke, Ständer, Schirme, Abfalltonnen und Tische scheinen bis zur Skyline der City zu reichen. Hier drängt sich die schwarze Kundschaft. Es ist der Teil des Marktes, an dem die traditionelle Medizin des Landes angeboten wird. "Jeder Medizinmann, jeder Schamane hat sein eigenes Rezept", sagt Patrick.
Der Anblick ist gruselig. Getrocknete Schlangenkörper hängen neben Vogel-Kadavern, denen man ein Teil ihrer Innereien belassen hat. Der Kopf eines Kleintieres, so groß wie ein Kaninchen, ist platt gedrückt und teils enthäutet – wie direkt aus einem Hollywood-Schocker entsprungen. Die Tische sind voll mit Pulvern aus Früchten, Baumrinde, Wurzeln und geheimen Zutaten, die am Stand in Mörsern zerdrückt werden.
"Es ist der afrikanischste aller Märkte", sagt Patrick. Nahe an der Metrostation und dem Busbahnhof gelegen, passieren ihn täglich eine halbe Million Menschen. Der Gang über das weitläufige Gelände ist etwas für die Abenteurer unter den Reisenden. Die Händler von Musik und Spielen bieten ihre CDs und Kassetten unter dem ohrenbetäubenden Lärm aus billigsten Lautsprechern an. In einer dunklen Ecke, direkt neben dem gelben Eingang zur Metro-Station, flickt ein bärtiger Mann bei kümmerlichem Licht Beutel und Gürtel aus Leder. Unter Brücken, wo auf Hunderten von Metern Kleider für die schwarze Bevölkerung angeboten werden, riecht es nach Hühnermist, Abgasen und Urin.
"Hier kaufen die Ärmsten der Armen", sagt Patrick, als die Gruppe auf den Früchtemarkt einbiegt. Die Preise sind für europäische Verhältnisse lächerlich niedrig. Knapp 700 Händler von Obst und Gemüse ringen um die Kunden. Eine Orange oder ein Apfel für umgerechnet sieben Euro-Cent - da ist nicht viel verdient. Mit drei bis fünf Euro geht ein Obsthändler abends nach Hause, manchmal auch mit gar nichts, "und das eine Woche lang", sagt Patrick. Zwischen 5.000 und 8.000 Händler bieten auf dem verzweigten Gelände täglich ihre Waren an. An ihrem Verdienst hängt die Existenz von 70.000 bis 100.000 Menschen, schätzt Patrick.
So klein ihr Leben auch ist, das sie auf dem Markt führen: Als die Stadt Durban 2010 Teile des Geländes abreißen lassen wollte, um eine Art Mall zu bauen, haben sich die Händler mit Händen und Füßen gewehrt. Viele sind wegen des gewaltsamen Protestes zu Haftstrafen verurteilt worden. Doch der Markt blieb stehen. Statt zu Fertigessen von KFC oder McDonalds, greift die Laufkundschaft immer noch zu Kopffleisch und Innereien, die Frauen über dem Rost von Einkaufswagen grillen. Die Rohware kommt von nebenan, wo zwischen Holzpaletten und Abfallkübeln ein Metzger sein Handwerk verrichtet. Gutgelaunt enthäutet und entbeint er Kuhköpfe, die ihm Lieferanten aus dem Kofferraum ihres Wagens auf die Schlachtbank hieven. Als Weißer sollte man nicht alleine über den Markt gehen, rät Patrick, zumindest nicht beim ersten Mal. Um die Touristen zu schützen, haben die Händler die Führungen organisiert und Afrikaner wie Patrick damit betraut.
Gefahren wie auf den Warwick-Markets müssen Touristen und Besucher im "Station Drive" im Norden der Stadt nicht fürchten. In dem ehemaligen Industriegelände arbeiten junge Unternehmen an ihrem Erfolg. Die Atmosphäre ist cool, die Hipster bestimmen das Bild, das Publikum ist in der Regel weiß.
Im Hinterzimmer eines Cafés näht Nicola Krohn Taschen, Gürtel und Schulranzen aus Leder für den Shop, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Max Pienaar betreibt. Als sie vor fünf Jahren in der Station angefangen haben, war das Gebäude so gut wie leer, erinnert sich Max. Mittlerweile reicht das Einkommen, um die Miete und die Angestellten zu zahlen. "Es braucht wohl sieben Jahre, um Gewinn zu machen", sagt er.
Ein Stockwerk höher sind Sean Roberts und sein Partner Paul ten Hoorn Boer schon ein ganzes Stück weiter. Der Geschäftsmann und der Brauer haben 2013 in einer Garage angefangen Bier zu brauen. 2015 sind sie umgezogen und haben ihre Kessel in der Station aufgebaut – und gleich daneben die riesige Bar und den Wirtssaal. Künstler haben Tresen und Stühle gestaltet. Für das Brauen der rund 8500 Liter Bier im Monat ist Mpho Dlamini zuständig. "Hier sind wir genau am richtigen Platz", sagt Sean zufrieden. Neben der Bar in der Station gibt es nur noch zwei weitere Verkaufsstellen "Wir bleiben lokal ausgerichtet", sagt Sean. Ihre Kundschaft lockt die Brauerei mit "Irish Cream Ale" mit feinen Kaffee-Röstnoten, mit "American Pale Ale", das an Zitrusfrüchte erinnern sollen oder mit "German Weiss Beer" einem Hefeweizen mit einem leichten Geschmack nach Banane und Kaugummi. So jedenfalls preist Paul sein Bier an.
Ein paar Schritte an der Bahnlinie entlang ist der Eingang zur "Design Factory", einer Wirkungsstätte kreativer Naturen.
Im ersten Stock versucht Rhett Baker sein Glück mit Sonnenbrillen aus Holz."Sustanaible sourced" seien die Gestelle, sagt er, nachhaltig aus wiederverwendetem oder aus Abfall-Holz erzeugt und mit der Hand zugeschnitten.
Umgerechnet um die hundert Euro kosten die Holzbrillen, die er über Läden in den Verkauf bringt.
Auf Tischen in der Halle nebenan ist die Kollektion von Jane Sews ausgebreitet. Jane selbst sei gerade in Berlin, erzählt die Verkäuferin, um dort ihre Schuhe, Hüte, Lederwaren und Kleider für Frauen und Mädchen zu präsentieren. Wieder eine Tür weiter beugt sich Michelle Robyn über eines ihrer Schmuckstücke, die sie in ihrer kleinen Werkstatt entwirft und fertigt. "Leute wie wir müssen unsere eigenen Läden kreieren", beschreibt André Gerber das Konzept der Design Factory. Neben einem Trödelladen und einem Shop für handgearbeitete Möbel bietet er seine Lederjacken, Gürtel und Beschläge mit Reminiszenzen an die Hippie-Zeit an. In die Shopping-Malls kommen Verkäufer wie er gar nicht erst rein, klagt er. "Die Mieten sind viel zu hoch". Stattdessen schneidert André seine Lederjacken auf Maß für ein ausgewähltes Publikum, "lieber authentisch sein". In der Station Drive machen die Leute alles selbst, sagt er. Und gleich nebenan gibt es die Bars und sogar eine eigene Gin-Destillerie. "Sowas wie hier findet man in ganz Südafrika nicht mehr."
Informationen über die Warwick-Märkte gibt es unter www.marketsofwarwick.co.za. Anfragen über Führungen an mowtoursaet.org.za. Informationen über Station Drive am besten auf Facebook, etwa unter dem Stichwort "The Design Factoy". Jeden ersten Donnerstag im Monat gibt es Live-Musik und andere Aktionen auf dem Gelände.
Fotos: picsol
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