Die politische Führung der Europäischen Union müsse dafür sorgen, dass der Mittelstand in Europa wettbewerbsfähig bleibt, fordert die AG Mittelstand.

Die politische Führung der Europäischen Union müsse dafür sorgen, dass der Mittelstand in Europa wettbewerbsfähig bleibt, fordert die AG Mittelstand. (Foto: © Paul Grecaud/123RF.com)

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AG Mittelstand: "Politik darf die Betriebe nicht zusätzlich belasten"

Die AG Mittelstand appelliert an die EU-Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands zu sichern. Nur mit dem Innovationsgeist der Betriebe könne die Transformation zur Klimaneutralität gelingen.

Die Corona-Pandemie, die mit dem Ukrainekrieg aufgeflammte Energiekrise und der sich verschärfende Rohstoffmangel sind eine große Belastung für Handwerk und Mittelstand. Die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand betont, dass viele mittelständische Unternehmen ihren Geschäftsbetrieb nur mit großen Anstrengungen am Laufen halten könnten. Sie bräuchten Zeit, um sich an die neuen globalen Gegebenheiten anzupassen. Die politische Führung der Europäischen Union müsse dafür sorgen, dass der Mittelstand in Europa wettbewerbsfähig bleibt.

"Zusätzliche Belastungen wirken wie Gift"

Nur so könnte die Transformation zur Klimaneutralität trotz der aktuellen Krisen gelingen. "Jetzt muss alles getan werden, um zu stabilisieren und die Innovationskraft in den Unternehmen freizusetzen. Das geht aber nur, indem eigentlich geplante Aktivitäten neu priorisiert werden. Zusätzliche Belastungen für Betriebe, Unternehmen und Kreditinstitute wirken jetzt wie Gift und sind zunehmend schwer vermittelbar", so die zehn Verbände der AG Mittelstand, darunter der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Die EU müsse viele Initiativen prüfen und mittelstandsgerecht gestalten, um die Wirtschaft nicht zusätzlich unter Druck zu setzen.

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Folgende Initiativen gehören laut AG Mittelstand auf den Prüfstand:

  • Die Unternehmen sind fieberhaft damit beschäftigt, Rohstoffe, Vorprodukte und die notwendige Energie zu sichern. Dieses außenwirtschaftliche Engagement, das jetzt besonders auf die Probe gestellt wird, wird durch das vorgeschlagene EU-Lieferkettengesetz aufgrund seines weitreichenden Umfangs, seiner Komplexität und der damit einhergehenden Bürokratie und Rechtsunsicherheit ausgebremst. Darüber hinaus sind weitere, speziellere Rechtsakte zu Dokumentationspflichten in der Lieferkette geplant - Maßnahmen, die dem erklärten Ziel der Versailler Erklärung vom März 2022 zuwiderlaufen, das lautet: Mehr strategische Autonomie durch eine Diversifizierung der Lieferketten.
  • Auch das Fit for 55-Paket bedeutet an mehreren Stellen Verteuerungen und neue Auflagen. Die geplante Einführung eines CO2- Grenzausgleichsmechanismus bringt zum Beispiel gleich mehrere Herausforderungen mit sich: eine komplexe Berechnung und Dokumentation der CO2-Fußabdrücke, ungeklärte Effektivität in Bezug auf Carbon Leakage und die Nichtbeachtung der deutschen Exporte durch den Fortfall kostenfreier Zertifikate-Zuteilungen im ETS. Die Frage der WTO-Konformität kann sich zu globalen Handelskonflikten mit wichtigen Partnerländern, unter anderem Japan und Kanada, ausweiten, mit denen wir unsere Beziehungen in der aktuellen Lage unbedingt stärken müssten.
  • Die notwendige Einführung von Klimaschutz-Differenzverträgen zur Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie darf nicht zu einer Belastung des Mittelstands werden. Daher müssen Förderprogramme in diesem Bereich stets auch dessen spezielle Belange berücksichtigen. Diese Förderung wiederum darf auf der anderen Seite nicht durch zusätzliche Belastungen geschwächt werden.
  • Betriebe und Unternehmen brauchen Handelserleichterungen – dafür sind Handelsabkommen unabdingbar. Bereits verhandelte Abkommen müssen zügig umgesetzt bzw. laufende Verhandlungen rasch abgeschlossen werden, um den Abbau von Handelshemmnissen voranzutreiben und einen verlässlichen Rahmen für resiliente Lieferketten zu bilden.
  • Widerstandskraft und Wachstum erfordern Zukunftsinvestitionen. Regional ausgerichtete Banken und Sparkassen stellen die Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie Selbständiger sicher. Entlastungen sind daher auch im Bereich der Mittelstandsfinanzierung mehr denn je gefordert. Dies gilt sowohl im Hinblick auf kleine und mittlere Unternehmen der Realwirtschaft als auch für Banken und Sparkassen.
  • Dazu gehört, dass auch die Proportionalität in der Bankenregulierung noch konsequenter umgesetzt werden sollte. Kleine und mittelgroße Institute sollten stärker als bisher vorgesehen von administrativen Lasten (wie Meldewesen und Offenlegung) befreit werden. Wünschenswert wäre eine Reduktion des aufsichtlichen Reportings um 50 Prozent. Zudem sollten gut kapitalisierte Kreditinstitute künftig von Stresstests befreit werden.
  • Die Vorschläge zu Taxonomie und CSR-Richtlinie bringen umfangreiche Berichts- und Offenlegungspflichten mit sich und können sich auf den Zugang zu Fremdfinanzierung auswirken. Die nun vorgeschlagene Erweiterung der Non-Financial-Reporting-Richtlinie (NFRD) hat das Ziel, den Übergang hin zu einer möglichen Klimaneutralität in noch mehr Unternehmen zu beschleunigen. Das ist mit einem deutlich höheren Aufwand und steigender Komplexität für Betriebe, Unternehmen und Kreditinstitute verbunden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen benötigen praxisorientierte Lösungen bei der Umsetzung. Weder dürfen – nicht-börsennotierte – KMU zu Nachhaltigkeitsberichterstattungen verpflichtet, noch dürfen sie in Lieferketten und aufgrund regulatorischer Vorgaben für die Unternehmensfinanzierung im Falle nicht hinreichend nachweisbarer Nachhaltigkeit diskriminiert werden.
  • Auch der Kommissionsvorschlag für eine neue Ökodesign-Verordnung, der den gesamten Lebenszyklus eines Produkts umfasst, bedeutet eine deutliche Mehrbelastung für die mittelständische Wirtschaft: Schließlich geht es sowohl um neue Produktanforderungen im Sinne der Nachhaltigkeit als auch um die entsprechenden umfangreichen Informationspflichten für Unternehmen.
  • Registrier- und Nachweispflichten wie bei der erweiterten Herstellerverantwortung etwa bei der Novelle der Chemikalienverordnung REACH fassen den regulatorischen Rahmen sehr eng. Dies wird zu großen Herausforderungen gerade auch für mittelständische Unternehmen führen.
  • Der Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der Industrieemissionsrichtlinie, die die Genehmigungen von 9.000 großen Industrieanlagen allein in Deutschland betrifft, enthält deutliche Mehrbelastungen durch die Ausweitung ihres Geltungsbereichs auf weitere Unternehmen, die deutliche Verschärfung von Grenzwerten und zusätzliche Berichtspflichten. Die Genehmigungsverfahren drohen damit auch einem sehr viel zeitaufwändigeren Prüfungsaufwand zu unterliegen.
  • Beim Thema Cybersicherheit (EU NIS 2.0-Richtlinie) sollen zusätzliche Verpflichtungen eingeführt und der Anwendungsbereich stark ausgeweitet werden, sodass deutlich mehr Unternehmen als bislang erfasst wären. Cybersecurity gewinnt gerade in den letzten Monaten immens an Bedeutung, zahlreiche Unternehmen bauen bereits heute umfangreiche Schutzmaßnahmen auf, die von der Politik klug flankiert werden müssen. Hierbei gilt es, den bürokratischen Aufwand im Interesse der gesamten Wirtschaft verhältnismäßig zum dringend notwendigen und angestrebten Sicherheitsgewinn auszugestalten.
  • Schließlich wird das ohnehin formal überfrachtete Verbraucherrecht erneut zulasten von Betrieben verschärft. Anstatt sach- und praxisgerechter Anpassungen werden mit dem Vorschlag zur Änderung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU weitere neue Informationspflichten beim Abschluss von Verbraucherverträgen vorgesehen.

Darüber hinaus erfordere die aktuelle Situation auch ein "angepasstes, verändertes politisches Agenda-Setting". Stabilisierung und Ermöglichung neuer Chancen müssten im Vordergrund stehen und  zusätzliche Pflichten, Verschärfungen und Belastungen vermieden werden. "Wir appellieren an die politischen Entscheider auf Ebene der Europäischen Union: Geben Sie dem Mittelstand jetzt die Luft zum Atmen, die er braucht, und setzen Sie auf praxisgerechte Regulierung."

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Text: / handwerksblatt.de

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