Azubi verletzt Kollegen: Schmerzensgeld!
Ein Auszubildender, der versehntlich einen Kollegen verletzt, haftet ohne Rücksicht auf sein Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitsunfälle und die Folgen
Auch Berufsanfänger müssen haften, wenn sie durch ihr Verhalten Kollegen verletzen, selbst wenn das im jugendlichen Übermut geschieht.
Der Fall
Der 19jährige Azubi einer Kfz-Werkstatt arbeitet an der Wuchtmaschine. Ein weiterer Lehrling und ein anderer Kollege waren im Raum, als der 19jährige ohne Vorwarnung ein etwa 10 Gramm schweres Wuchtgewicht hinter sich warf. Dieses traf den anderen Azubi am linken Auge, so dass ihm in einer Augenklinik eine Kunstlinse eingesetzt werden musste. Die Berufsgenossenschaft zahlte dem Verletzten eine monatliche Rente von 204,40 Euro.
Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen hat den Azubi zu Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt, denn er habe fahrlässig und daher schuldhaft gehandelt. Er hätte wissen müssen, dass ein Wurf mit dem Wuchtgewicht den Kollegen derart verletzen könne. Die Handlung sei nicht betrieblich veranlasst gewesen, so dass auch nicht der Arbeitgeber für den Schaden einstehe. Gründe, die Haftung auszuschließen fanden die Richter nicht: Auszubildende hafteten ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Mitarbeiter. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah das genauso.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. März 2015, Az. 8 AZR 67/14
Hintergrund
Im Normalfall haftet ein Arbeitnehmer nicht, wenn er bei seiner Arbeit einen Arbeitskollegen fahrlässig verletzt. Hier bediente sich das Gericht einer interessanten Auslegung des Begriffs der "betrieblichen Tätigkeit". Man könnte meinen, dass damit jede Tätigkeit erfasst ist, die während der Arbeitszeit erbracht wird. Die Richter sehen das anders und meinen, dass das Herumwerfen mit dem Wuchtgewicht nichts mit der Arbeit des Auszubildenden zu tun hatte, auch wenn er gerade auf der Arbeit war. Im Moment des Werfens wurde aus der Arbeitsleistung plötzlich eine private Tätigkeit, da die Arbeitsleistung ja nicht daran bestand, Teile durch die Luft zu werfen, schon gar nicht auf Arbeitskollegen.
Praxiskommentar
von Rechtsanwalt Andreas Martin, Berlin: "Die Entscheidung ist zu kritisieren, da der Begriff der betrieblichen Tätigkeit nun aufgeweicht werden wird. Es läuft darauf hinaus, dass man nun die konkrete Schadenhandlung unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob diese der Arbeitsleistung noch erfasst ist oder nicht. Was hier darauf hinausläuft, dass man unvernünftige Verhaltensweisen nicht mehr als betriebliche Tätigkeiten einordnen wird. Dies wiederum führt dazu, dass man nun doch (grob) fahrlässiges Verhalten bestraft."
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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