In den Niederlanden herrscht in einigen Bereichen schon seit längerer Zeit Fachkräftemangel. Für deutsche Handwerksbetriebe in Grenznähe bieten sich damit Chancen, zusätzliche Umsätze zu erzielen.

In den Niederlanden herrscht in einigen Bereichen schon seit längerer Zeit Fachkräftemangel. Für deutsche Handwerksbetriebe in Grenznähe bieten sich damit Chancen, zusätzliche Umsätze zu erzielen. (Foto: © Pitcha Torranin/123RF.com)

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Gute Möglichkeiten jenseits der niederländischen Grenze

In den Niederlanden stehen Dienstleistungen deutscher Handwerker hoch im Kurs. Zudem herrscht dort in einigen Bereichen schon seit längerer Zeit Fachkräftemangel. Besonders für deutsche Handwerksbetriebe in Grenznähe bieten sich damit Chancen, zusätzliche Umsätze zu erzielen.

Die Niederlande sind nicht nur als Urlaubsziel eine Reise wert. Gerade auch Handwerksbetrieben bieten sich dort Geschäftschancen, denn deutsche Waren und Dienstleistungen erfreuen sich im Nachbarland hoher Beliebtheit. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, hohes Qualitätsniveau: All das verbindet ein Niederländer mit deutschen Handwerkern. Gute Voraussetzungen also für sie, um über der Grenze Umsätze zu erzielen. Zumal Niederländer über eine hohe Kaufkraft verfügen und in einigen Bereichen über Fachkräftemangel klagen.

"Bestimmte Arbeiten sind aufgrund dieses Mangels und fehlenden Know-hows in den Niederlanden besonders gefragt, etwa im Bereich der energetischen Gebäudesanierung und der regenerativen Energien", erklärt Hildegard Bongert vom EU-Referat der Kreishandwerkerschaft Borken. Gerade in Zeiten der starken Baukonjunktur hätten viele deutsche Unternehmer den Weg in das Nachbarland gefunden.

Bevor es losgeht, sollten einige Dinge beachtet werden


Einer davon ist Heiner Temmink. Er ist Geschäftsführer des Bauunternehmens Temmink in Vreden, direkt an der niederländischen Grenze. Seit 2005 führt es Aufträge in den Niederlanden aus und macht damit bis zu 25 Prozent des Umsatzes. "Für uns sind die Niederlande wegen der unmittelbaren Grenznähe attraktiv." Außerdem seien die Preisstrukturen derzeit günstiger als in Deutschland.

Bevor Handwerker aber über der Grenze aktiv werden, sollten sie ein paar Dinge beachten. Zunächst sollten sie sich umfassend über Pflichten und Vorschriften informieren (siehe Infokasten). Ist das gemacht, die ersten Aufträge sind akquiriert, geht es vor Ort an die Arbeit. Dabei sollten bestimmte Unterlagen immer zur Hand sein, um Ärger zu vermeiden. "Zunächst sollte jeder Mitarbeiter einen gültigen Personalausweis dabei haben", empfiehlt Bongert.

Deutsche Handwerksunternehmen sollten sich, bevor sie zum ersten Mal in den Niederladen tätig werden, über einige Dinge informieren. Dazu gehören:

- Zertifizierungspflichten
- technische Normen
- Arbeitsschutzgesetze
- Genehmigungspflichten
- Hygienevorschriften und Warengesetze für Handwerker aus den Lebensmittelgewerken
- Sprache, Mentalität und geschäftliche Gepflogenheiten

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Entsendebescheinigung muss dabei sein

"Grundsätzlich ist außerdem vor der Aufnahme der Tätigkeit für jeden in den Niederlanden eingesetzten Mitarbeiter die A1-Bescheinigung, die sogenannte Entsendebescheinigung zu beantragen." Hiermit können sie nachweisen, dass sie nur vorübergehend in die Niederlande entsendet wurden und weiterhin der Sozialversicherung in Deutschland unterliegen. Sie wird in der Regel von der jeweiligen Krankenkasse oder dem Rentenversicherungsträger ausgestellt. Elektro-, Gas- und Wasserinstallateure haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich in den Niederlanden zertifizieren zu lassen (siehe Infokasten), um so das gesamte Spektrum der Tätigkeiten ausführen zu dürfen.

Für Elektro-, Gas- und Wasserinstallateure besteht die Möglichkeit, sich in den Niederlanden zertifizieren zu lassen. Es ist zwar nicht gesetzlich verpflichtend, jedoch ratsam, da der Zugang an das Strom-, Gas oder Wassernetz nur von zertifizierten Installateuren durchgeführt werden darf.


Die Zulassung beantragen deutsche Installateure bei der Stichting Sterkin. Ein Inspektionsunternehmen prüft, ob der deutsche Installateur die mindestens erforderliche Werkzeugausrüstung besitzt und ob die entsprechenden niederländischen Normenwerke vorhanden sind.
Dieses sind für Elektroinstallateure die NEN 1010 und NEN 3140 sowie für Gas bzw- Wasserinstallateure die NEN 1078 und NEN 2078. Das Inspektionsunternehmen rechnet in der Regel für seine Inspektion inklusive Reisezeit nach Stunden ab. Es ist ratsam, sich vorher nach dem Tarif zu erkundigen.
Das Zulassungsverfahren kann bis zu drei Monaten dauern, abhängig davon, ob sofort alle geforderten Unterlagen eingereicht werden, wie schnell die Bearbeitungsgebühr überwiesen wird und wie schnell das Inspektionsunternehmen die Überprüfung vornimmt.
Lohnsteuerpflichtig bleiben Mitarbeiter deutscher Handwerksbetriebe bei kurzen Einsätzen im Heimatland. Erst wenn sie länger als 183 Tage im Kalenderjahr eingesetzt werden, ist die Steuer an das niederländische Finanzamt abzuführen. "Wenn aber in den Niederlanden eine Betriebsstätte begründet wird, sind alle entsandten Mitarbeiter ab dem ersten Tag dort lohnsteuerpflichtig", erklärt Franz Tenhumberg. Er ist Personalleiter beim Bauunternehmen Temmink. Der Handwerksbetrieb errichtet im niederländischen Hardenberg das Rathaus – diese Baustelle gilt als Betriebsstätte.

Das Thema Recht sollte nicht vernachlässigt werden

Dauert die Baustelle in den Niederlanden länger als zwölf Monate, wird dort eine steuerliche Betriebsstätte begründet, das heißt, sie ist auch ertragssteuerlich in den Niederlanden zu erfassen. "Ist das schon bei der Planung klar, gilt sie von Beginn an als Betriebsstätte." Wenn sich das erst im Laufe der Arbeiten abzeichnet – etwa weil es witterungsbedingte Verzögerungen gibt – müssen die Baustelle nachträglich als Betriebsstätte angemeldet und die Steuern rückwirkend abgeführt werden. Jeder in den Niederlanden tätige Mitarbeiter braucht dafür eine Lohnsteuernummer – die sogenannte "Sofi-Nummer" (sociaal-fiscaal nummer). Sie gilt ein Leben lang und muss von jedem Mitarbeiter persönlich beim Finanzamt beantragt werden.

Auch mit dem Thema Recht sollte sich jeder deutsche Handwerker vor dem Einsatz beschäftigen und entscheiden, nach welchem Recht gearbeitet werden und wo der Gerichtsstand liegen soll. "Es gibt feine, jedoch in den Auswirkungen sehr wesentliche Unterschiede zwischen deutschem und niederländischem Recht. Bei der Erbringung von Bauleistungen ist zusätzlich immer zu überprüfen, ob diese auch mit dem niederländischen öffentlichen Baurecht konform sind", rät Bongert.

Bei der Kreishandwerkerschaft Borken können Sie ein ausführliches Ländermerkblatt mit dem Namen "Arbeiten in den Niederlanden" anfordern. Den Leitfaden und weitere Informationen erhalten Sie beim EU-Referat der Kreishandwerkerschaft Borken, Tel.: 02861/ 8920910, E-Mail: info@kh-borken.net
Fotos: © Pitcha Torranin/123RF.com; kuzma/123RF.com; filmfoto/123RF.com

Mit Filialen im Nachbarland erfolgreich

Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen. Hermann Dust ist Geschäftsführer der Bäckerei Dust GmbH im an der niederländischen Grenze liegenden Gronau-Epe. Er kann sich zwar nicht über fehlende Kunden aus den Niederlanden beklagen, hatte aber dennoch die Idee, ihnen noch weiter entgegenzukommen – sprich: Filialen im Nachbarland zu eröffnen.

"Wir haben uns gefragt: Warum gehen wir auf diese Kunden nicht noch einen Schritt zu?", erinnert sich Dust. Gesagt – getan. Seit nun etwa sechs Jahren betreibt die Bäckerei eine Zweigstelle in den Niederlanden und eine weitere seit einem Jahr. Eine liegt in Glanerbrug, einem Dorf im Osten von Enschede, die andere ist in Losser etwas weiter im Inland gelegen. Insgesamt hat der Handwerksbetrieb neun Filialen.

Löhne in den Niederlanden deutlich höher

In den Niederlanden sei zwar vieles anders als in Deutschland, dennoch habe Dust nicht lange für die Vorbereitung gebraucht. Bezüglich des Lebensmittelrechts und der Hygienevorschriften gebe es Unterschiede. "Aber wenn man nach den Spielregeln spielt, die in Deutschland gelten, hat man auch in den Niederlanden keine Probleme." Zudem seien die Löhne dort deutlich höher.

Gerade das ist aber für Dust nicht nur ein Nachteil: Da er seine Waren in Deutschland produziert, kann er sie günstiger anbieten als seine niederländischen Konkurrenten – und das zieht Kundschaft an. "Glanebrug entwickelt sich zu unserer umsatzstärksten Filiale", berichtet der Bäcker- und Konditormeister. Insgesamt erwirtschaften die beiden Zweigstellen im Nachbarland 20 Prozent des gesamten Umsatzes.

"Die Sprache der Kunden muss man beherrschen"

Im Umgang seien die niederländischen Kunden sehr locker. Wichtig sei es allerdings, die Sprache der Kunden zu sprechen. "Wenn es bei der Beratung ins Detail geht, geht das gar nicht anders." Deswegen beschäftigt Dust nur niederländische Mitarbeiter oder deutsche, die die Sprache perfekt beherrschen. "Einige haben dafür auch Sprachkurse belegt, die die Kreishandwerkerschaft Borken angeboten hatte.

Sprachkurse

Die Kreishandwerkerschaft (KH) Borken organisiert speziell für Unternehmen ausgerichtete Niederländischkurse, um den Markteinstieg zu erleichtern. Daher stehen Geschäfts- und Kundengespräche, aber auch die Präsentation des eigenen Unternehmens und die Vorstellung der Dienstleistungen und Produkte im Zentrum der Kurse. Auch Grundzüge der niederländischen Geschäftsmentalität werden thematisiert. Übungen zur schriftlichen Sprachkompetenz runden das Angebot ab.

Die Kurse, die sowohl für Anfänger- als auch für Fortgeschrittene (I und II) angeboten werden. Die Abendkurse finden in Ahaus oder Bocholt statt.  Anmeldungen und weitere Informationen erhalten Sie unter der Rufnummer 02871/ 252423 oder per E-Mail karina.holtkamp@kh-borken.de.

"Trotzdem genießt die Bäckerei einen gewissen Exotenbonus. "Eine Alternative zum Normalen finden alle gut." Daher verkauft er in den Niederlanden auch nur Backwaren nach deutschen Rezepten. "Wenn Sie zum Italiener gehen, bestellen Sie ja auch kein Jägerschnitzel", sagt Dust lachend. Der absolute Renner jenseits der Grenze seien Mett- und Schlemmerbrötchen. "Wir kaufen monatlich für etwa 2.000 Euro Mett ein – nur für diese Brötchen. So profitiert auch der Metzger von nebenan von unserem Engagement in den Niederlanden."

Kontakte knüpfen auf der Baumesse

Gerade wer im Ausland Aufträge akquirieren möchte, braucht so viele Kontakte wie möglich. Eine gute Plattform, um in den Niederlanden solche Kontakte herzustellen, ist für Handwerksunternehmen aus dem Baugewerbe die "Internationale Bouwbeurs" in Utrecht. Die Messe gehört zu den größten Baufachmessen im gesamten Beneluxraum.

Unter dem Motto "Boewen doen we samen" – zu Deutsch: Wir bauen zusammen – haben sich zehn nordrheinwestfälische Unternehmen gemeinsam auf einem Firmengemeinschaftsstand in Utrecht präsentiert. Der landesgeförderte Stand wurde von der Kreishandwerkerschaft Borken, der Handwerkskammer Münster sowie dem Fachverband Tischler NRW in Kooperation mit NRW.International organisiert. Den Unternehmen wurde dabei nicht nur ein einheitliches repräsentatives Auftreten in den Landesfarben, sondern auch ein fachorientiertes Programm geboten.

Viele Informationen und Wissenswertes beim deutsch-niederländischen Bauforum

Besonders das deutsch-niederländische Bauforum, das von der Deutsch-Niederländischen Handelskammer organisiert wurde, zog viele Fachbesucher an. Durch Fachvorträge erhielten die Unternehmen Informationen und Wissenswertes über Energieeinsparverordnungen in Deutschland und den Niederlanden sowie über die Fallstricke bei Ausschreibungen im jeweiligen Nachbarland. Außerdem konnten sie durch ein Demozentrum das eigene Unternehmen und ihre Produkte präsentieren und gleichzeitig weitere Kontakte mit niederländischen Kunden knüpfen.

Antonius Finke von der AFS Solar Lufttechnik GmbH & Co. KG in Südlohn war als Aussteller bei der Messe und hat dabei positive Erfahrungen gemacht. "Für uns war das eine gute Entscheidung, mit dabei zu sein. Wir haben bisher über die Messe zwar noch keine Aufträge akquirieren können, dafür konnten wir aber sehr viele hochwertige Kontakte herstellen", sagt er. Der Handwerksbetrieb führt seit 2006 sporadisch Aufträge auch in den Niederlanden aus. Der Anteil des Gesamtumsatzes, der dabei erwirtschaftet wird, sei aber noch "verschwindend gering".

"Für ein Engagement über der Grenze braucht man einen langen Atem"

Das soll sich nun ändern. Das Unternehmen schaut jetzt verstärkt auf den niederländischen Markt und möchte dort mehr Aufträge ausführen. Die Messe sei eine gute Plattform, um sich zu präsentieren – besonders weil man dort Vertreter vieler unterschiedlicher Branchen treffen kann. "Wir sind überzeugt, damit den richtigen Schritt gemacht zu haben und werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei der nächsten Messe dabei sein", so Finke. Durch die Zusammenarbeit mit den Organisatoren des Firmengemeinschaftsstands und den ausstellenden Firmen sei die Arbeitslast insgesamt nicht hoch. Trotzdem hat sich das Handwerksunternehmen schon ein halbes Jahr vorher auf den Messebesuch vorbereitet. "Man braucht schon einen langen Atem, wenn man in den Niederlanden aktiv werden will."

Text: / handwerksblatt.de