Das rheinland-pfälzische Handwerk sieht sich nicht zu Unrecht als tragende Säule und Vorreiter bei der Umsetzung der Klimawende im Land. Weder das energieeffiziente Eigenheim noch die persönliche Elektromobilität wären ohne das Handwerk denkbar – und das sind nur zwei Beispiele. Auch in der Politik setzt sich diese Erkenntnis immer weiter durch: "Nachhaltigkeit liegt in der DNA der Handwerksbetriebe in Rheinland-Pfalz. Als wichtiger Motor der regionalen Wirtschaft erkennen sie Trends und leben den Begriff Nachhaltigkeit im besten Sinne. Sie stellen ihre Betriebe nicht nur mit dem Blick auf die nächste Bilanz, sondern für die nachfolgende Generation auf", sagte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt Ende Juni in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Brüssel.
Daher – auch darin besteht weitgehend Einigkeit – kommt dem Handwerk bei der Umsetzung des "European Green Deal" eine besondere Bedeutung zu. Doch die Initiative, mit der die Europäische Kommission die EU bis 2050 klimaneutral machen will, bringt nicht nur neue Chancen für das Handwerk mit sich. Nicht wenige Betriebsinhaber fürchten, dass der Green Deal zu bürokratischen Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen führen könnte, die bereits erreichte Meilensteine des nachhaltigen Wirtschaftens wieder infrage stellen würden.
Europäische Klimaziele sind ohne das Handwerk nicht zu erreichen
Tim Krögel, Eric Schaaf, Michael Zimmermann, Melanie Temmes und Ralf Hellrich im Gespräch mit Moderatorin Katrin Pribyl. Foto: © Andreas SchröderUm die Vertreter des Europäischen Parlaments für diese Gefahr zu sensibilisieren, war die Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Handwerkskammern Trier, Rheinhessen, Pfalz und Koblenz auf Einladung von Ministerin Schmitt nach Brüssel gekommen. "Ohne das Handwerk ist die Erreichung der europäischen Klimaziele nicht möglich", betonte Kurt Krautscheid, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz.
Er appellierte an die anwesenden Vertreter der Politik, darunter an die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Katarina Barley, den durch Pandemie, Fachkräftemangel, Materialengpässe sowie den Krieg in der Ukraine überlasteten Betriebe nicht noch mehr aufzubürden. "Gerade kleine Unternehmen sind überproportional von Bürokratie betroffen. In vielen Fällen müssen sie identische Anforderungen wie Großunternehmen erfüllen, ohne auch nur annähernd vergleichbare Ressourcen zu haben", argumentierte Krautscheid.
Betriebe berichten von ihren Erfahrungen
Eric Schaaf, Geschäftsführer von Die Tischlertekten GmbH & Co. KG, Melanie Temmes, Inhaberin der Metzgerei Gries, und Michael Zimmermann, Geschäftsführer der Zimmermann Bedachungen GmbH und Vizepräsident der Handwerkskammer Rheinhessen, berichteten in einer Talkrunde mit Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz, und Tim Krögel, Leiter der Vertretung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) in Brüssel, was ihre drei Betriebe schon heute für die Klimawende leisten und welche Auswirkungen steigende bürokratische Belastungen auf ihren Arbeitsalltag haben. Seitens des ZDH beobachte man, das europaweite Regelungen meistens mit Blick auf große Konzerne ausgearbeitet würden, fasste Krögel einen wichtigen Aspekt des Problems zusammen. Beispiele seien Regeln zu Lieferketten oder zu Verpackungsangaben. Die Erfüllung solcher Regeln brächten kleine Handwerksbetriebe nicht nur schnell an die Grenzen des Machbaren, häufig ergäben sie inhaltlich für regional arbeitende Kleinbetriebe auch nur wenig Sinn, so der Tenor seitens der anwesenden Unternehmer.
Katarina Barley (v. M.) und Daniela Schmitt (v., 3.v.l.) mit den Vertretern des rheinland-pfälzischen Handwerks in Brüssel. Foto: © Andreas Schröder"Als Mitgestalter der Klimawende brauchen unsere Handwerksbetriebe einen verlässlichen Fahrplan", betonte Bernd Elsen, Vizepräsident der Handwerkskammer Trier, am Rande der Veranstaltung. In der aktuellen wirtschaftlichen und weltpolitischen Lage sollten Klimaziele Elsen zufolge so langfristig wie möglich gelten. Um die Vorhaben möglichst zügig umzusetzen, sei vor allem auch die Politik gefordert, notwendige Maßnahmen zur Deckung des Fachkräftebedarfs in Europa zu ergreifen. "Als wesentlicher Baustein dafür muss die berufliche Bildung gestärkt werden", forderte der Elektromeister. Für Michael Zimmermann ist das vor allem eine Frage der gesellschaftlichen Wertschätzung für das Handwerk. Die Rolle der Gewerke das Handwerks bei der Umsetzung der Klimawende könne dazu beitragen, das Image der Karriere mit Lehre weiter zu verbessern. Dennoch, das wurde in Brüssel erneut deutlich, benötige man weiterhin die Hilfe der Politik, wenn man mehr junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen möchte.
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Text:
Andreas Schröder /
handwerksblatt.de
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