Kein Widerrufsrecht bei Auftragsbestätigung am nächsten Tag
Der Bundesgerichtshof stellt sich schützend vor Handwerker, deren Kunden mit ihrem Widerrufsrecht tricksen wollen. Nimmt der Auftraggeber ein Angebot am nächsten Tag an, hat er kein Recht zum Widerruf. Denn er hatte genug Zeit zum Nachdenken, sagen die Richter.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Widerrufsrecht des Kunden: Daumenschraube für Handwerker?
Das Widerrufsrecht für Verbraucher hat schon so manchen Handwerker um seinen Werklohn gebracht und zur Verzweiflung getrieben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun eine lange umstrittene Frage zugunsten der Handwerker geklärt und schützt sie vor unseriösen Geschäftspartnern. In dem entschiedenen Fall hatte sich der trickreiche Auftraggeber sogar damit gebrüstet, dass er „darauf ein Geschäftsmodell aufbaue“. Die Bundesrichter machten ihm aber einen Strich durch die Rechnung. Denn da der Kunde das Angebot des Dachdeckers erst am nächsten Tag angenommen hatte, war dies kein Vertrag, der "außerhalb von Geschäftsräumen" geschlossen wurde. Angebot und Annahme fielen nämlich zeitlich und räumlich auseinander. Daher hat der Kunde hier auch kein Widerrufsrecht, erklärte der BGH.
Der Fall
Ein privater Hausbesitzer beauftragte einen Dachdeckerbetrieb mit der Erneuerung von Dachrinnen und Abdichtungen. Bei den Arbeiten fiel einem Mitarbeiter auf, dass der Wandanschluss des Daches defekt war. Der Dachdecker kalkulierte rund 1.200 Euro für den Zusatzauftrag und teilte dies dem Kunden mit. Am nächsten Tag bestätigte der Kunde den Auftrag auf der Baustelle. Obwohl die Arbeiten mangelfrei erledigt wurden, widerrief der Hauseigentümer alle Aufträge schriftlich und verlangte vor Gericht den Werklohn zurück. Später übergab er dem Handwerker noch einen Flyer "Der Handwerker-Widerruf - Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern" und erklärte, dies sei sein neues Geschäftsmodell.
Während das Amtsgericht seine Klage als rechtsmissbräuchlich abgewiesen hatte, gab das Landgericht Hannover hinsichtlich des Zusatzauftrags dem Kunden recht. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil wieder auf und sah kein Recht zum Widerruf.
Das Urteil
Für das höchste deutsche Zivilgericht war hier entscheidend, dass Angebot und Annahme an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten erfolgten. Das Widerrufsrecht für Verbraucher setze aber beim Vertragsschluss die gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien außerhalb der Geschäftsräume voraus. Die Karlsruher Richter erklärten, dass die Verbraucherrechterichtlinie nur Verbraucher schütze, die außerhalb der Geschäftsräume ad hoc entscheiden müssen. Könne der Verbraucher hingegen überschlafen, ob er den Auftrag erteilen möchte oder nicht, benötige er kein Widerrufsrecht.
Das Urteil wörtlich: "Der Vertrag ist vor Ort aber nicht, wie nach § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB erforderlich, bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschlossen worden. Hierfür ist erforderlich, dass sowohl das Angebot als auch die Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner erklärt werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt." Eine derart zeitlich versetzte Auftragserteilung werde aber vom Gesetz nicht erfasst.
Kunde stand nicht unter Druck
Zitat aus dem Urteil: "Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen liegt danach nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt. Findet eine Vertragsverhandlung nicht sofort im Anschluss an das Angebot statt, sondern hat der Verbraucher Gelegenheit, das Angebot des Unternehmers zu prüfen und zu überdenken, ist nach dem mit der Verbraucherrechterichtlinie verfolgten Schutzzweck der Tatbestand des bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags nicht erfüllt", so das Urteil. "Eine typische Druck- oder Überraschungssituation der Verbraucherrechterichtlinie, vor der § 312b BGB schützen soll, liegt dann nicht vor".
Der Kunde habe das Angebot des Dachdeckers bis zur Annahme am nächsten Tag überdenken können und daher kein Widerrufsrecht gehabt.
Typischer Fall ohne Widerrufsrecht: erst Aufmaß, später Vertrag
Nicht vom Verbraucherschutz erfasst werden laut BGH grundsätzlich auch solche Situationen, in denen der Unternehmer zunächst zum Maßnehmen und Schätzen in die Wohnung des Verbrauchers kommt und den Vertrag erst später in den Geschäftsräumen schließt. Dies begründen die Richter damit, dass der Verbraucher hier die Gelegenheit hatte, vor Vertragsschluss über die Schätzung des Unternehmers nachzudenken.
Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 2023 Az. VII ZR 151/22
Handwerker finden kostenlose Informationen und Musterformulare für Widerrufsbelehrungen auf der Website des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).
Widerrufsrecht
Seit 2014 haben Privatkunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden (AGV).
Beispiel für einen AGV: Der Handwerker nimmt Aufmaß vor Ort und schließt anschließend beim Kunden direkt einen mündlichen Vertrag. In solchen Situationen müssen Betriebe Verbraucher rechtzeitig und umfassend über ihr Widerrufsrecht belehren. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kunde 14 Tage lang den Vertrag widerrufen, ohne Angaben von Gründen.
Achtung: Falls die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt, falsch oder unvollständig ist, verlängert sich das Recht auf 12 Monate und 14 Tage! Beginnt der Handwerker mit seiner Arbeit auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Ablauf der 14-tägigen Frist, sollte er auf keinen Fall die Belehrung vergessen! Denn nur dann muss der Kunde bei einem Widerruf die bereits erbrachten Leistungen bezahlen. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht der Handwerker in solchen Fällen leer aus!
Neue Regeln für die Widerrufsbelehrung seit dem 28. Mai 2022:
- Seit dem 28. Mai 2002 muss keine Faxnummer mehr genannt werden – weder in der Widerrufsbelehrung noch im -formular! Eine freiwillige Angabe ist weiterhin möglich.
- Die Telefonnummer muss ab dem 28. Mai 2022 in der Widerrufsbelehrung stehen (Achtung: nicht im Widerrufsformular!).
- Die E-Mail-Adresse muss in beiden angegeben sein, also auch im Widerrufsformular.
- Die Widerrufsbelehrung muss die Verbraucher auch über die Umstände, unter denen sie ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verlieren, informieren.
- Neu ist auch, dass dem Verbraucher eine Bestätigung zur Verfügung gestellt werden muss. Dazu muss der Unternehmer dem Verbraucher ein Dokument (als Papier, Mail, SMS etc.) zukommen lassen, in dem bestätigt wird, dass der Kunde ausdrücklich der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist zugestimmt und seine Kenntnis vom damit einhergehenden Verlust des Widerrufsrechts mit Vertragsausführung bestätigt hat. Auch über diesen Umstand ist der Kunde zu informieren.
KEIN Widerrufsrecht bei Notfalleinsätzen
In Einzelfällen hat der Kunde kein Widerrufsrecht, selbst wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurde. Solche Ausnahmen sind zum Beispiel "Notfalleinsätze" wie dringende Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, zu denen der Verbraucher den Handwerker ausdrücklich angefordert hat. Das kann etwa ein Rohrbruch sein oder die Beseitigung von Sturm- oder Hagelschäden. Achtung: Die Ausnahmen gelten nicht automatisch. Vielmehr muss der Handwerker den Verbraucher darüber belehren, dass ihm hier kein Widerrufsrecht zusteht.
Widerrufsrecht Kunde widerruft Haustürgeschäft, Handwerker guckt in die Röhre. > Hier mehr lesen!Informationen zum WiderrufsrechtDer Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat aktuelle Musterformulare für Handwerker erstellt, unter anderem eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher. Alle Muster und einen Ratgeber zum Thema Verbraucher-Widerrufsrecht finden Sie kostenlos zum Herunterladen > hier auf zdh.de DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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