Hier hätte der Unternehmer eigentlich den Wert der erbrachten Teilleistung beziffern und eine Rechnung darüber stellen müssen.

Hier hätte der Unternehmer eigentlich den Wert der erbrachten Teilleistung beziffern und eine Rechnung darüber stellen müssen. (Foto: © yozayo/123RF.com)

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Nach einem Widerruf gibt es Geld nur bei prüfbarer Rechnung

Ein Handwerker erhält das Geld für erbrachte Leistungen nach einem widerrufenen Vertrag nur, wenn er eine prüfbare Abrechnung vorlegt. Das Oberlandesgericht Rostock ist da streng.

Seit Einführung des Verbraucherbauvertrags steht privaten Kunden ein Widerrufsrecht zu. Das gilt zumindest für Verträge über neue Gebäude oder über erhebliche Umbaumaßnahmen. Widerruft der private Kunde den Vertrag, kann der Auftragnehmer aber Wertersatz für bereits geleistete Arbeiten verlangen. Dafür muss er jedoch eine prüfbare Abrechnung vorlegen, entschied das Oberlandesgericht Rostock.

Der Fall

Ein Ehepaar ließ ein Einfamilienhaus errichten. Über ihr Widerrufsrecht hatte der Bauunternehmer sie nicht belehrt. Der Pauschalpreis von 197.800 Euro brutto sollten sie in Raten zahlen. Nachdem erst der Dachstuhl fertig war, widerrief das Paar den Bauvertrag wegen angeblicher Mängel.

Da die Auftraggeber bereits 90.000 Euro brutto gezahlt hatten, forderten sie davon 40.497,81 Euro brutto zurück. Sie meinten, der Unternehmer habe bis zum Widerruf erst Leistungen im Wert von 54.550 Euro netto erbracht, außerdem zogen sie Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 12.951,52 Euro netto ab. Der Bauunternehmer forderte im Gegenzug einen offenen Werklohn von 90.000 Euro brutto ein und erklärte in dieser Höhe die Aufrechnung. Es kam zum Prozess.

Die Entscheidung

Wie zuvor das Landgericht Schwerin stellte sich auch das Oberlandesgericht (OLG) Rostock sich auf die Seite der Bauherren. Der Unternehmer musste 40.497,81 Euro brutto  zurückzahlen. Das Ehepaar habe den Bauvertrag wirksam widerrufen, erklärte das Gericht.

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Die Verbraucher konnten wegen der fehlenden Widerrufsbelehrung den Bauvertrag auch noch ein Jahr und 14 Tagen nach Vertragsschluss widerrufen (§ 356 e S.2 BGB). Der Widerruf führt dazu, dass die Parteien die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückgewähren müssen.

Ist die Rückgewähr der Leistungen – wie hier – ausgeschlossen, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer für die erbrachten Teilleistung einen Wertersatz. Hierbei ist vereinbarte Vergütung zu Grunde zu legen (§ 357 d BGB). Da in diesem Fall nur Ratenzahlungen vereinbart waren, war das nicht möglich. So hätte der Unternehmer eigentlich den Wert der erbrachten Teilleistung beziffern und eine Rechnung darüber stellen müssen. Das hat er aber hier nicht getan, weshalb eine Aufrechnung mit seinen Forderungen nicht möglich war.

"Voraussetzung für die Fälligkeit des Wertersatzanspruchs ist jedenfalls dann eine Abrechnung des Unternehmers, wenn lediglich Teilleistungen aus einem Pauschalpreisbauvertrag erbracht worden sind", so das Gericht wörtlich.

Fazit

Bauunternehmer müssen den Wertersatz die Teilleistung im Verhältnis zum Wert der geschuldeten Gesamtleistung berechnen. Sie müssen hierfür das Verhältnis der erbrachten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Es genügt nicht, nur den Ratenzahlungsplan heranzuziehen.

Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 23. November 2022, Az. 4 U 14/22

Praxistipp

"Es bedarf zwingend einer prüffähigen Schlussrechnung, um den Wertersatzanspruch geltend zu machen", sagt Ecovis-Rechtsanwalt Alexander Ronert. Er rät dazu, diese Schritte  einzuhalten:

  • Der Pauschalpreis ist gegebenenfalls nachträglich in Gewerke aufzuschlüsseln.
  • Dann ist darzulegen, welche Leistungen der Bauunternehmer bisher jeweils erbracht hat.
  • Abschließend ist der Betrag der erbrachten Leistungen ins Verhältnis zum vereinbarten Pauschalpreis zu setzen.

Informationen zum WiderrufsrechtDer Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat aktuelle Musterformulare für Handwerker erstellt, unter anderem eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher. Alle Muster und einen Ratgeber zum Thema Verbraucher-Widerrufsrecht finden Sie ­kostenlos zum Herunterladen > hier auf zdh.de Widerrufsrecht

Seit 2014 haben Privatkunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden (AGV).
Beispiel für einen AGV: Der Handwerker nimmt Aufmaß vor Ort und schließt anschließend beim Kunden direkt einen mündlichen ­Vertrag. In solchen Situationen müssen Betriebe ­Verbraucher rechtzeitig und umfassend über ihr Widerrufsrecht belehren. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kunde 14 Tage lang den Vertrag widerrufen, ohne Angaben von Gründen.

Achtung: Falls die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt, falsch oder unvollständig ist, verlängert sich das Recht auf 12  Monate und 14 Tage! Beginnt der Handwerker mit seiner Arbeit auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Ablauf der 14-tägigen Frist, sollte er auf keinen Fall die Belehrung vergessen! Denn nur dann muss der Kunde bei einem Widerruf die bereits erbrachten Leistungen bezahlen. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht der Handwerker in solchen Fällen leer aus! 

Neue Regeln für die Widerrufsbelehrung seit dem 28. Mai 2022:
- Seit dem 28. Mai 2002 muss keine Faxnummer mehr genannt werden – weder in der Widerrufsbelehrung noch im -formular! Eine freiwillige Angabe ist weiterhin möglich.
- Die Telefonnummer muss ab dem 28. Mai 2022 in der Widerrufsbelehrung stehen (Achtung: nicht im Widerrufsformular!).
- Die E-Mail-Adresse muss in beiden angegeben sein, also auch im Widerrufsformular.
- Die Widerrufsbelehrung muss die Verbraucher auch über die Umstände, unter denen sie ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verlieren, informieren.
- Neu ist auch, dass dem Verbraucher eine Bestätigung zur Verfügung gestellt werden muss. Dazu muss der Unternehmer dem Verbraucher ein Dokument (als Papier, Mail, SMS etc.) zukommen lassen, in dem bestätigt wird, dass der Kunde ausdrücklich der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist zugestimmt und seine Kenntnis vom damit einhergehenden Verlust des Widerrufsrechts mit Vertragsausführung bestätigt hat. Auch über diesen Umstand ist der Kunde zu informieren.

KEIN Widerrufsrecht bei Notfalleinsätzen

In Einzelfällen hat der Kunde kein Wider­rufsrecht, selbst wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurde. Solche Ausnahmen sind zum Beispiel "Notfalleinsätze" wie dringende Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, zu denen der Verbraucher den Handwerker ausdrücklich angefordert hat. Das kann etwa ein Rohrbruch sein oder die Beseitigung von Sturm- oder Hagelschäden. Achtung: Die Ausnahmen gelten nicht automatisch. Vielmehr muss der Handwerker den Verbraucher darüber belehren, dass ihm hier kein Widerrufsrecht zusteht.
Widerrufsrecht Kunde widerruft Haustürgeschäft, Handwerker guckt in die Röhre. > Hier mehr lesen!

 

Text: / handwerksblatt.de

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