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HWK des Saarlandes | Oktober 2024
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Dr. Robert Mayr ist Vorstandsvorsitzender der DATEV eG, eines der größten Softwarehäuser in Europa. Als Dienstleister für Steuerberater hat die DATEV immer ein Ohr am Mittelstand. (Foto: © DATEV eG)
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Corona hat im Handwerk zu einem Bewusstseinswandel beim Thema Digitalisierung geführt, sagt Dr. Robert Mayr, CEO der DATEV eG, im Interview. Steuerberater sind jetzt wichtige Coaches der Unternehmen, die den Blick auf die Chancen der Zukunft richten.
Dr. Robert Mayr ist Vorstandsvorsitzender der DATEV eG. Mit über 8.100 Mitarbeitern gehört das Unternehmen, das 200 Software- und Cloud-Lösungen sowie weitere IT-Dienstleistungen im Programm hat, zu den europaweit größten Softwarehäusern. Im Schnitt werden die Löhne und Gehälter von rund 13,5 Millionen Arbeitnehmern in Deutschland mit DATEV-Programmen abgerechnet.
Als Dienstleister für die steuerberatende Branche hat die DATEV auch das Ohr am Mittelstand. Wir sprachen mit DATEV-CEO Dr. Robert Mayr über die Auswirkungen der Corona-Krise, die Unterstützung durch den beratenden Berufsstand und den Digitalisierungsgrad im Handwerk.
DHB: Herr Dr. Mayr, hat Corona das Image der Steuerberater verändert?
Mayr: Das Image der Steuerberater war insbesondere bei ihren Mandanten schon immer ein gutes. Viele Steuerberater betreuen Familienunternehmen seit Generationen. In dieser historisch einmaligen Krise ist der Steuerberater noch mehr in den Fokus seiner Mandanten gerückt. Durch die langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit hat der Berater einen hervorragenden Einblick in das von ihm betreute Unternehmen. Er kennt die Zahlen und die Abläufe und kann so natürlich sehr schnell unterstützen.
DHB: Die Bundesregierung hat den Beratern in der Krise eine weitere wichtige Rolle übertragen: Die Corona-Hilfen für Unternehmen laufen über deren Schreibtisch.
Mayr: Die Einführung der sogenannten Compliance-Rolle des steuerberatenden Berufsstands in diesen Fördermittelprozess macht mich – ich bin ja selbst auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – ein wenig stolz. Insgesamt war und ist dies immer noch eine riesige Herausforderung, aber der Berufsstand meistert das in der aktuellen Pandemiesituation hervorragend. Das hat ihm in der gesamten Gesellschaft eine noch höhere Wertschätzung eingebracht.
DHB: Welche Rolle spielt die DATEV dabei?
Mayr: Für uns als DATEV, als Genossenschaft, war von Anfang an wichtig, dass wir dem Team aus Beratern und Mandanten bestmöglich zur Seite stehen. Das geht natürlich nur mit Unterstützung durch digitale Lösungen. Nur damit war es in so kurzer Zeit überhaupt möglich, diese Menge an gesetzlichen Änderungen des vergangenen und des aktuellen Jahres korrekt anzuwenden. Ich denke dabei an die gesenkten Umsatzsteuersätze, das Kurzarbeitergeld und vor allem die Liquiditätsversorgung der Unternehmen. Bei Letzterem zum Beispiel durch die Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln wie der Sofort- und Überbrückungshilfen.
DHB: Von den Steuerberatern und Kanzleien hat man gehört, dass sie bis zur Belastungsgrenze arbeiten.
Mayr: In der Tat hat die Pandemie die Belastung und die Art, wie die Steuerberater arbeiten, signifikant erhöht beziehungsweise verändert. Und natürlich gelten auch für die Kanzleien die neu definierten AHA-Regeln, also Abstand halten, Hygienekonzepte aufbauen und so weiter. Wir als DATEV haben bereits im ersten Lockdown vor einem Jahr mit verschiedenen Partnern pro Woche mehr als 10.000 Remote-Arbeitsplätze eingerichtet. Und das nicht nur bei den Kanzleien, sondern auch bei deren Mandanten, also natürlich auch im Handwerk.
DHB: Hat sich die Zusammenarbeit von Betrieben und ihren Beratern in der Krise verändert?
Mayr: Die Pandemie hat tatsächlich dazu beigetragen, eher traditionell aufgestellte Unternehmen von den Vorteilen der Digitalisierung und einer medienbruchfreien Zusammenarbeit zu überzeugen, was letztlich auch für die Unternehmen ein Gewinn war. Gleichzeitig stieg und steigt der betriebswirtschaftliche Beratungsbedarf. Anders als in der Finanzkrise 2008/2009 trifft die Corona-Krise viele mittelständische und kleine Unternehmen, was dazu geführt hat, dass die Steuerberater noch intensiver in betriebswirtschaftliche Themen eingebunden waren. Man unterstellt uns Steuerberatern ja, dass wir eher nüchterne Zahlenmenschen sind. In der Krise hat sich gezeigt, dass der Berufsstand auch eine ganz andere Seite hat, quasi als Berater bei Sorgen und Nöten. Da braucht es einen Berater, der in der Lage ist, Nervenstärke und Empathie einzubringen und der den Blick auf die Chancen der Zukunft richtet. Denn es geht nicht nur darum, wie man aus der Krise herauskommt, sondern auch darum, wie man sein Geschäftsmodell und die Prozesse so umstellt, dass man auch in der Krise noch Umsatz und ein ausreichendes Einkommen erzielt. Und auf der praktischen Ebene, etwa bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld, Steuerstundungen, Darlehen und Fördermitteln war der Berater als Coach gefragt.
DHB: Sie befragen im Rahmen Ihres DATEV-Corona-Barometers Steuerberater zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise im Mittelstand. Wie ist die Stimmung zurzeit?
Mayr: Die neuesten Werte zeigen, dass sich die wirtschaftliche Situation vieler Unternehmen seit dem zweiten Lockdown deutlich verschlechtert hat. Im November waren nach Einschätzung der Steuerberater 16 Prozent der Mandanten insolvenzgefährdet, wenn sie ohne staatliche Hilfe hätten auskommen müssen. In der neuesten Befragung sind dies bereits 27 Prozent. Dieser sprunghafte Anstieg macht aus meiner Sicht sehr gut deutlich, dass mit zunehmender Dauer des Lockdowns der Spielraum für viele mittelständische Unternehmen immer enger wird.
DHB: Es gibt ja auch viel Kritik an der schleppenden Auszahlung der Hilfen und am Antragsverfahren allgemein.
Mayr: Ja, drei Viertel der Befragten kritisieren, dass die Höhe der staatlichen Unterstützung an falschen Kriterien gemessen wird. Ein ähnlich hoher Prozentsatz, nämlich 62 Prozent, findet, dass die Hilfen von der Höhe her nicht ausreichend sind. Mehr als jeder zweite Befragte gibt an, dass die Auszahlung zu spät kommt – und das in einer Notsituation! Das Ganze wird noch dadurch verstärkt, dass das Antragsverfahren nach Ansicht der befragten Steuerberater mit vielen Defiziten versehen ist, die für die betroffenen Unternehmen massive Folgen haben können. Die Qualität der durch die öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellten Informationen, die man zur Bearbeitung der Überbrückungshilfen braucht, hat sich deutlich verringert. Mittlerweile kritisieren 50 Prozent der Berater, dass die Voraussetzungen zur Ermittlung und Beantragung der Überbrückungshilfen nicht eindeutig definiert sind. Im September 2020 waren es lediglich 19 Prozent. Das führt zu der gefährlichen Situation, dass immer weniger Kanzleien die Anträge auf Überbrückungshilfe problemlos bearbeiten können. Im September waren das noch 29 Prozent, heute sind es nur noch 13 Prozent.
DHB: Hat die Corona-Krise für einen Digitalisierungsschub gesorgt?
Mayr: Wir messen regelmäßig den Stand der Digitalisierung in den Steuerberatungskanzleien. Unser Digitalisierungsindex zeigt, dass die Digitalisierung zwischen März 2019 und September 2020 deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Gerade die kleineren Kanzleien haben deutlich aufgeholt. Luft nach oben gibt es allerdings noch bei der Akzeptanz der Mandanten zum digitalen und medienbruchfreien Datenaustausch. Der steuerberatende Berufsstand versteht sich als Digitalisierungspartner des deutschen Mittelstands und Handwerks und arbeitet weiter intensiv an dem Thema. Dabei geht es nicht nur um Hard- und Software, sondern auch um das Thema Homeoffice und den mobilen Datenaustausch.
DHB: Eine der größten Herausforderungen dabei ist vermutlich die Datensicherheit?
Mayr: Mit Datenschutz und Datensicherheit sprechen Sie ein Thema an, das in den Genen der DATEV fest verankert ist. Wir haben über 8.000 Mitarbeiter und es hat erstaunlich gut funktioniert, sie ins Homeoffice zu schicken, auch wenn man fairerweise sagen muss, dass wir uns auf mehr Agilität und vernetzte Zusammenarbeit schon vorbereitet hatten, unabhängig von der Krise. Ich glaube auch, dass sich nach Corona hybrides Arbeiten, im Wechsel zwischen Büro und Homeoffice, durchsetzen wird. Genau dort setzt die Datensicherheit an. Es ist erschreckend, wie schnell sich Cyberkriminelle auf diese neue Lage eingestellt haben und ganz bewusst nach Lücken bei der Verbindung ins Homeoffice gesucht haben. Unternehmen, die unvorbereitet waren, bekamen Probleme im Gegensatz zu denen, die beispielsweise schon einen abgesicherten VPN-Zugang installiert hatten.
DHB: Ist das Thema E-Rechnung ein Digitalisierungstreiber?
Mayr: Corona hat leider offenbart, dass wir bei bestimmten Prozessen, etwa dem E-Government, noch hinterherhinken. Für Betriebe bietet die E-Rechnung beziehungsweise X-Rechnung aber den perfekten Einstieg, um die Digitalisierung der kaufmännischen Prozesse Schritt für Schritt voranzutreiben. Schon vor Corona hat die E-Rechnung wie ein Katalysator gewirkt. Die X-Rechnung verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Seit November 2020 müssen Rechnungen an öffentliche Auftraggeber des Bundes und des Landes Bremen zwingend im Format X-Rechnung gestellt werden, was die elektronische Weiterverarbeitung von Daten erlaubt. Wir gehen davon aus, dass fast jedes Unternehmen mindestens einmal im Jahr mit einem öffentlichen Auftraggeber abrechnet. Perspektivisch müssen sich daher fast alle Unternehmen mit der X-Rechnung beschäftigen. Das zeigt sich auch im Handwerk. Als Zulieferer von großen Unternehmen müssen die Betriebe Rechnungen in einem elektronischen Format übermitteln, weil die Geschäftspartner einfach darauf bestehen. Jetzt kommt von einer zweiten, der staatlichen Stelle auch diese Anforderung. Entsprechend den bestehenden EU-Vorgaben werden in den nächsten Jahren alle öffentlichen Auftraggeber, vom Kindergarten bis zur Deutschen Bahn, ihre Vorgaben so gestalten, dass Lieferanten auf dieses X-Rechnungsformat umzustellen haben.
DHB: Ist das dem Handwerk in der Breite bewusst?
Mayr: Ich bin der Meinung, dass im Handwerk viele Betriebe die Vorteile des beleglosen Arbeitens, also auch durchgängig digitaler Prozesse, schon vor Corona als Königsweg der Zusammenarbeit gesehen haben. Insbesondere bei den kleinen Handwerksbetrieben haben wir aber gesehen, dass diese Unternehmen eher analog aufgestellt waren. Rund 40 Prozent der Betriebe im Handwerk mit weniger als fünf Mitarbeitern arbeiten ausschließlich papiergebunden. Der größte Teil der Handwerker steckt derzeit in einer Übergangsphase – wo auf der einen Seite noch papiergebunden gearbeitet, aber auch schon digital archiviert wird. Corona hat aber auch im Handwerk zu einem Bewusstseinswandel geführt.
Das Interview führten Kirsten Freund und Stefan Buhren.
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