An der Schwelle zu Arbeit und Ausbildung
Neue Studie: Flüchtlinge haben eine hohe Bildungsorientierung und demokratische Wertevorstellungen. Wo es noch hapert, sind die Sprache, lange Asylverfahren und die Anerkennung von Kompetenzen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Geflüchtete: Willkommen im Handwerk!
Die seit 2013 nach Deutschland eingereisten Geflüchteten stehen jetzt an der Schwelle zur Integration in Arbeit und Ausbildung. "Etwa 40.000 Flüchtlinge allein in NRW haben inzwischen Integrations- und Sprachkurse besucht und könnten eine Chance haben", sagt Christiane Schönefeld, Chefin der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. Schönefeld will bei Unternehmen und der Politik einen "Weckruf setzen", damit die Integration gelingt.
Der Spracherwerb steht an erster Stelle
Der Spracherwerb steht bei der Integration an erster Stelle. Ein Problem seien daher nach wie vor die Sprachkurse, die immer noch nicht ausreichend und nicht für alle Flüchtlinge angeboten würden. Hier sei der Gesetzgeber in der Verantwortung. Genau wie bei den Asylverfahren, die oft viel zu lange dauern würden. Allein in Nordrhein-Westfalen gebe es 150.000 anhängige Verfahren. "Erst mit einem sicheren Rechtsstatus haben die Menschen eine Chance auf Arbeitsmarktintegration."
Aber auch die Wirtschaft sei gefragt. Hier gebe es noch eine Diskrepanz zwischen den sehr engagierten Verbänden, etwa dem Handwerk, und den Unternehmen selbst. Trotz vieler positiver Einzelbeispiele würden noch etliche Firmen nicht die Notwendigkeit sehen, Migranten einzustellen, so die Arbeitsagentur-Chefin. Schönefeld: "Wir brauchen mehr Engagement, sonst vergeuden wir Talente." Die neuen Programme "Kommit" und "Step by Step" der Arbeitsagentur sollen dabei eine Hilfe für die Unternehmen sein.
Finden viele Arbeit oder nur Einzelne?
Bei einer Expertenrunde mit Teilnehmern aus Politik und Wirtschaft, zu der die Arbeitsagentur nach Düsseldorf eingeladen hatte, ging es darum, welche konkreten Chancen zur Integration in Arbeit und Ausbildung es bereits gibt und welche Hürden den Zugang noch erschweren. "Finden viele Arbeit oder nur Einzelne? Das ist das große Thema für 2017!", sagte Schönefeld.
Welche Bildung, welche Wertvorstellungen haben die seit drei Jahren nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge eigentlich? Diesen und anderen Fragen geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nach und begleitet hierzu 4.600 Flüchtlinge. Jetzt liegen erste Ergebnisse der umfassenden Studie vor. Dabei gab es viele überraschende Ergebnisse, erklärte Arbeitsmarkt-Forscher Herbert Brückner.
Höhere Bildungsorientierung als erwartet
Die Geflüchteten würden eine höhere Bildungsorientierung zeigen als erwartet und hätten zu 96 Prozent demokratische Wertvorstellungen. 46 Prozent der erwachsenen Geflüchteten möchten einen allgemeinbildenden Schulabschluss machen und 66 Prozent streben eine Berufsausbildung an. Auf der anderen Seite wollen viele Geflüchtete zunächst einmal arbeiten und Geld verdienen und erst später in Bildung und Ausbildung investieren, so Brücker. Schwierig, aber nicht so verheerend wie erwartet sei die Bildungsstruktur. 37 Prozent der Geflüchteten haben in ihrer Heimat eine weiterführende Schule besucht, zehn Prozent nur die Grundschule und weitere neun Prozent gar keine Schule. 30 Prozent hätten ein Hochschulstudium begonnen.
Bei der beruflichen Bildung sieht es eher düster aus
"Bei der beruflichen Bildung sieht es allerdings düsterer aus, da es in den Herkunftsländern keine duale Ausbildung gibt", so Professor Brücker. "Die berufliche Erfahrung wird in den meisten Herkunftsländern im Job gesammelt. Dadurch gibt es zwar Fähigkeiten, diese sind aber nicht zertifiziert."
Was das Thema Schulabschluss angeht, schlägt die Arbeitsagentur-Chefin vor, die Schulen auch für Flüchtlinge zu öffnen, die älter als 18 Jahre sind. Ein Drittel der Flüchtlinge habe wegen Krieg und Flucht nicht die Chance gehabt, einen Schulabschluss zu machen, wüsste aber, wie wichtig Bildung hierzulande ist.
Lammert lobt das Engagement des Handwerks
Unterdessen hat der NRW-Landesvorsitzende der CDU, Armin Laschet, die Bemühungen des Handwerks ausdrücklich gelobt. Vor der Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln sagte Laschet: "Das Handwerk ist wieder einmal an der Spitze." 2.500 junge Flüchtlinge seien bereits in Ausbildung. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hatte sich in Berlin für das 10.000-Plätze-Programm für Flüchtlinge stark gemacht.
Text: Kirsten Freund/Rüdiger Gottschalk
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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