Handwerksbetriebe stehen täglich vor der Herausforderung, ihre Leistungen rechtlich sauber zu vereinbaren. Die Erstellung von AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) erfordert juristisches Fachwissen, das weit über das reine Copy-&-Paste hinausgeht. In diesem Leitfaden finden Sie ausführlich Erläuterungen im Frage-Antwort-Stil, praktische Beispiele und konkrete Formulierungen – eine Art Coaching für Ihren gesamten AGB-Prozess. Autor ist Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann, Fachanwalt für int. Wirtschaftsrecht (Bar Approved Specialist Lawyer in Int. Business Law), Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Muss ich AGB nutzen oder reicht ein individualisierter Hauptvertrag?
AGB sind nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie dienen der Standardisierung und Effizienz bei häufig wiederkehrenden Aufträgen: Einmal entwickelt, sparen sie Verhandlungsaufwand und halten einheitliche Spielregeln fest. Ein Hauptvertrag hingegen wird individuell für einen konkreten Auftrag ausgehandelt. Er ist ideal bei Großprojekten mit spezifischen Leistungen.
Praxis-Tipp: Analysieren Sie Ihr Auftragsvolumen: Zeichnen Sie die letzten 100 Aufträge in einer Tabelle auf und prüfen Sie den Grad der Gemeinsamkeiten. Ab etwa 20 bis 30 Prozent identischer Abläufe lohnt es sich, AGB einzuführen. Achtung: Wenn Sie denselben Hauptvertragstext mehrfach verwenden, gilt dieser Vertrag rechtlich als AGB (§ 305 BGB) – inklusive aller formellen Einbindungsregeln.
Wie binde ich meine AGB in den Vertrag ein?
Um Ihre AGB oder Ihren standardisierten Hauptvertrag wirksam ins Vertragsverhältnis einzubinden, müssen Sie folgende drei Voraussetzungen erfüllen. Hier hilft der sogenannte A-B-C-Check. Unterscheiden Sie dabei zwischen Geschäftskunden (B2B) und Verbrauchern (B2C).
A = Hinweis
• Bei B2B-Geschäften zwischen Geschäftsleuten: Im Angebot oder Vertrag muss deutlich stehen: "Es gelten unsere AGB in der Fassung vom [Datum]." oder "Unsere Mustervertragsbedingungen sind beigefügt." Dieser Hinweis ist in Großkundenangeboten oder Rahmenaufträgen unentbehrlich.
• Bei B2C-Geschäften mit Verbrauchern: Zusätzlich zum AGB-Hinweis müssen Sie in Angeboten für Privatkunden klar darauf hinweisen, welche Widerrufsrechte bestehen (etwa "Sie haben ein Widerrufsrecht, nähere Informationen finden Sie in unseren AGB").
B = Zugänglichkeit
• B2B: Stellen Sie Ihre AGB oder den Mustervertrag dem Unternehmenskunden per PDF-Anhang mit gut lesbarem Dateinamen (z. B. "AGB_Stand_2025-07-10.pdf"), per Link in der Angebots-E-Mail oder als Ausdruck beim persönlichen Termin zur Verfügung.
• B2C: Neben PDF und Link sollten Sie einem Verbraucher eine gedruckte Fassung überreichen. Verweisen Sie in der Angebotsbestätigung schriftlich auf den AGB-Link und fügen Sie das Dokument in elektronischer Form bei.
C = Zustimmung
• B2B: Holen Sie eine ausdrückliche Zustimmung durch Unterschrift auf der letzten Angebotsseite mit Vermerk "Ich habe die AGB gelesen und akzeptiere sie." oder eine elektronisch gespeicherte Checkbox im Online-Portal ein.
• B2C: Verbraucher müssen die AGB aktiv bestätigen und zusätzlich das Widerrufsformular erhalten. Sinnvoll ist eine eingescannte Unterschrift oder eine Checkbox mit Hinweis auf das Widerrufsrecht und die AGB.
Vorsicht: Fehlt A, B oder C, sind Ihre vorformulierten Bedingungen unwirksam! Im Streitfall gelten dann ausschließlich die gesetzlichen Vorschriften, Ihre vertraglichen Regelungen werden nicht berücksichtigt.
Welche Inhalte dürfen in den AGB vorkommen?
Die §§ 305–309 BGB legen fest, welche Klauseln in Ihren AGB erlaubt, beschränkt oder verboten sind. Machen Sie sich mit folgenden vier Schwerpunkten vertraut:
§ 305c BGB – Überraschende Klauseln:
Klauseln, mit denen der Vertragspartner nicht rechnen muss, sind nicht wirksam. Beispiel: Eine überraschende Verjährungsverkürzung in AGB, die in einem Anhang in Schriftgröße 6 versteckt ist.
§ 307 BGB – Allgemeines Benachteiligungsverbot:
Klauseln dürfen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen. Die Prüfung erfolgt anhand des Inhalts und der Umstände des Einzelfalls. Beispiel: Eine formularmäßige AGB-Klausel, die dem Kunden sämtliche Mängelrechte pauschal entzieht, verstößt gegen § 307 BGB .
§ 308 BGB – Teilgeschützte Klauseln
Einige Klauseln sind nur soweit wirksam, wie sie angemessen sind. Insbesondere ist eine Freizeichnung für einfache Fahrlässigkeit unwirksam, wenn sie pauschal alle Schäden erfasst. Ein Beispiel für eine wirksame Haftungsbegrenzung: "Die Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist auf vorhersehbare Schäden begrenzt und auf maximal zehn Prozent der Auftragssumme beschränkt (höchstens 20.000 Euro)."
§ 309 BGB – Verbotsnormen
Einige Klauseln sind generell unzulässig. Dazu gehört der Haftungsausschluss für Personenschäden (etwa Tod, Körperverletzung) sowie Klauseln, die den Verbraucher unangemessen benachteiligen.
Eignen sich AGB-Vorlagen aus dem Internet?
Nein, denn viele Online-Vorlagen sind veraltet oder allgemein gehalten und berücksichtigen nicht die Besonderheiten Ihres Betriebs. Sie bergen die folgenden Risiken:
• Haftungslücken: Fehlende oder unpassende Klauseln öffnen teure Haftungsrisiken.
• Unwirksame Klauseln: Unzulässige Formulierungen verstoßen gegen §§ 305–309 BGB und können das gesamte AGB-Kapitel unwirksam machen.
• Rechtssicherheit: Ohne regelmäßige Updates passen Muster nicht an neue Gesetze oder Rechtsprechung.
Vorsicht: Wer Internet-Vorlagen ohne juristische Prüfung übernimmt, kann am Ende mehr zahlen, als wenn er gar keine AGB nutzt!
Welcher unterschiedliche Schutz gilt für Privat- und Geschäftskunden?
Handwerksbetriebe bedienen häufig sowohl Firmen- als auch Privatkunden. Gestalten Sie Ihre Bedingungen also nach je nach Zielgruppe!
B2B (Unternehmer an Unternehmer)
- Rechtswahl: Freie Auswahl laut Rom I-VO.
- Gerichtsstand: Vereinbarung möglich laut EuGVVO.
- Schiedsverfahren: Zulässig (etwa DIS, ICC) und Chance auf AGB-Aushebelung.
- Klauselprüfung nur nach §§ 305–307 BGB, weniger schützend als für Verbraucher.
B2C (Unternehmer an Verbraucher)
- Informationspflichten: Widerrufsbelehrung, Preistransparenz, Laufzeitangaben (§§ 312 ff. BGB).
- Verbotene Klauseln: § 309 BGB listet zahlreiche unzulässige AGB-Regelungen.
- Gerichtsstand und Rechtswahl: Keine Benachteiligung des Verbrauchers, ein Gerichtsverzicht ist unwirksam.
Praxistipp:
Führen Sie in Ihren AGB klar getrennte Abschnitte für B2B und B2C oder nutzen Sie separate Vertragsdokumente!
Was muss ich bei grenzüberschreitenden Leistungen beachten?
Auch Handwerker arbeiten manchmal im Ausland. Hier muss man ebenfalls zwischen Geschäftskunden und Privatkunden unterscheiden.
Rechtswahl und Gerichtsstand
• B2B: Es ist zulässig, in den AGB deutsches Recht und den Betriebssitz als ausschließlichen Gerichtsstand festzulegen.
• B2C: Unabdingbare Verbraucherschutzvorschriften im Empfängerland verdrängen Ihre Wahl.
Umsatzsteuer
• B2B: Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b UStG): Sie fakturieren netto, der Leistungsempfänger führt die Steuer ab.
• B2C: EU-One-Stop-Shop (OSS) für digitale Leistungen oder Registration in jedem Staat bei Überschreiten der Schwellen.
Vertragstyp
• Werkvertrag: reine Dienstleistung.
• Werklieferungsvertrag: Materiallieferung plus Montage.
Praxistipp:
Die Abgrenzung wirkt sich auf Gewährleistungsfristen und die Steuerpflicht aus. Formulieren Sie klar, ob Material inklusive oder netto abgerechnet wird.
Was spricht für ein Schiedsverfahren im B2B-Bereich?
Ein Schiedsverfahren kann gegenüber einem Gerichtsverfahren Vorteile bringen. Diese sind ein schnelleres Verfahren, Vertraulichkeit, man kann die Schiedsrichter wählen und AGB abwählen. Ein Schiedsverfahren hat allerdings auch Nachteile: Es gbt keine Berufung und oft sind die Kosten höher.
Praxistipp
Wer ein Schiedsverfahren vereinbaren will, kann dieses Formulierungs-Beispiel einer ausführlichen DIS-Schiedsklausel nutzen:
"Alle Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag, einschließlich seiner Gültigkeit, Auslegung, Durchführung, Verletzung oder Beendigung ergeben, werden endgültig nach den Schiedsgerichtsregeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) in ihrer jeweils geltenden Fassung entschieden. Das Schiedsverfahren wird von einem Einzelschiedsrichter geführt, sofern die Parteien nicht innerhalb von zehn (10) Kalendertagen ab Zustellung der Schiedsforderung eine anderslautende Vereinbarung treffen. Der Sitz des Schiedsgerichts ist Berlin, Deutschland. Das Verfahren findet in deutscher Sprache statt. Das anwendbare materiellrechtliche Recht ist das Recht der Bundesrepublik Deutschland, unter Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG). Die Kosten des Schiedsverfahrens werden vom Verlierer des Verfahrens getragen, sofern das Schiedsgericht keine abweichende Kostenentscheidung trifft. Ort und Zeit der Durchführung des Schiedsverfahrens werden vom Schiedsrichter festgelegt. Die Parteien vereinbaren, dass das Schiedsgericht befugt ist, vorläufige Maßnahmen (Interim Measures) anzuordnen, insbesondere einstweilige Verfügungen. Das Urteil des Schiedsgerichts ist endgültig und für die Parteien bindend. Vollstreckungsanträge können bei jedem zuständigen Gericht eingereicht werden. Die Schiedsvereinbarung gilt auch dann, wenn dieser Schiedsklauselbestandteil dieses Vertrags für nichtig oder nicht vollstreckbar erklärt wird; die übrigen Bestimmungen dieses Vertrags bleiben davon unberührt."
Wie oft sollte ich meine AGB überarbeiten?
Setzen Sie sich ein festes Update-Intervall – halbjährlich oder jährlich. Berücksichtigen Sie dabei neue EU-Richtlinien (etwa die Digitale-Dienstleistungen-Verordnung), BGB-Novellen, aktuelle Rechtsprechung von BGH und EuGH sowie Technische Normen (CE oder UKCA). Protokollieren Sie jede Änderung mit Datum, Versionsnummer und Kurzbeschreibung am Dokumentanfang. So bleibt Ihre AGB-Struktur transparent und nachvollziehbar.
Wie wende ich AGB praxisnah an?
Nach der Erstellung oder Überarbeitung Ihrer AGB ist die praktische Umsetzung entscheidend. Am besten machen Sie zuerst einen Testlauf: Setzen Sie die AGB in einem realen Angebot ein. Anschließend holen Sie Feedback von Mitarbeitern und ausgewählten Bestandskunden ein. Als nächstes erklären Sie Ihrem Team die neuen Regelungen und den Umgang damit. Zuletzt überwachen Sie Vertragsabläufe und identifizieren Sie Schwachstellen.
Checkliste
Ihr Zehn-Punkte-Fahrplan für Ihre AGB:
1. Bedarf ermitteln: Analysieren Sie Ihr Auftragsprofil (etwa über die letzten 50 Projekte). Entscheiden Sie, ob sich AGB oder ein individueller Hauptvertrag besser lohnen.
2. AGB-Formaldepot: Erstellen Sie ein zentrales Verzeichnis für Ihre AGB-Versionen mit Datum, Versionsnummer und Change-Log.
3. A-B-C-Check (§ 305 II BGB): Hinweis "Es gelten unsere AGB (Stand…)", Zugänglichkeit (PDF/Link/Anhang), ausdrückliche Zustimmung (Unterschrift/Checkbox).
4. Inhaltsprüfung (§§ 305–309 BGB): Identifizieren und beseitigen Sie unzulässige Klauseln (Haftung, Vertragsstrafen, Preisänderungen).
5. Segmentierung: Legen Sie klar getrennte Kapitel oder Musterdokumente für B2B und B2C an. Vermeiden Sie Vermischung, um Verbraucherschutzvorschriften nicht zu verletzen.
6. Internationalisieren: Regeln Sie für Auslandsleistungen Rechtswahl, Gerichtsstand, Umsatzsteuer (Reverse-Charge, OSS) und vertragliche Pflichtinformationen.
7. Vertragstyp-Definition: Differenzieren Sie eindeutig zwischen Werkvertrag (Dienstleistung) und Werklieferungsvertrag (Material + Montage) in Ihren Dokumenten.
8. Streitbeilegung: Entscheiden Sie, ob Sie Schiedsverfahren (nur B2B) oder ordentliche Gerichte nutzen; formulieren Sie genaue Schiedsregeln.
9. Testlauf & Feedback: Simulieren Sie Ihren Vertragseinbindungsprozess mit realen Angeboten, sammeln Sie interne und Kunden-Feedback, und passen Sie Ihre AGB an.
10. Regelmäßige Revision: Planen Sie halbjährliche Updates ein, berücksichtigen Sie neue Gesetze, EU-Richtlinien, Rechtsprechung und technische Normen.
Wichtig: Diese Checkliste ist Ihr roter Faden für rechtssichere AGB und Hauptverträge. Gerade bei komplexen Fällen sollten Sie abschließend mit einem spezialisierten Anwalt überprüfen.
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Text:
Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann /
handwerksblatt.de
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