Handwerker-Diesel dürfen bundesweit fahren
Der Bundestag hat die Überwachung von Diesel-Fahrverboten entschärft. Handwerker-Ausnahmen sollen bundesweit gelten. Und unter 50 Mikrogramm Stickoxid-Belastung soll es keine Fahrverbote geben.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Gezerre um Fahrverbote
Das Parlament hat sich auf die neuen Regeln für Stickoxid-Belastung und ein entschärftes Gesetz zur Fahrverbots-Kontrolle geeinigt. Es wird mehr generelle Ausnahmen geben: Neben Fahrzeugen von Handwerkern und Kommunen sollen auch nachgerüstete Dieselautos privater Entsorger verschont bleiben, die beispielsweise Verpackungsmüll aus gelben Tonnen oder Bauabfall transportieren.
Gestrichen werden soll auch die räumliche Einschränkung für Handwerker- und Lieferfahrzeuge. Das geht aus dem geänderten Bundes-Immissionsschutzgesetz hervor. Deren Ausnahme-Erlaubnis soll nicht nur in besonders belasteten Gebieten, sondern bundesweit gelten. Diese Änderung ist eine Reaktion auf Anmerkungen der EU-Kommission. Außerdem können Kommunen weitere Ausnahmen zulassen, wenn "unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern".
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Kritik der Datenschützer hat gewirkt
Statt einer großflächigen Überwachung wird es nach der korrigierten Fassung des Straßenverkehrsgesetzes nur Stichproben mit mobilen Geräten geben. Die zuerst vorgesehene flächendeckende Überwachung von Fahrverboten hatte zu heftiger Kritik – unter anderem aus dem Bundesrat – geführt. Eine verdeckte Datenerhebung ist nun unzulässig, ebenso wie Videoaufzeichnungen. Die Daten sind bei berechtigtem Befahren der Verbotszone unverzüglich zu löschen. Im anderen Falle müssen die Daten nach maximal zwei Wochen gelöscht werden, "selbst wenn die Verfolgung eines Verstoßes dadurch gehindert werden würde".
Unter 50 Mikrogramm Stickoxid heißt: keine Fahrverbote
Hier geht es zum neuen Bundes-Immissionsschutzgesetz ➔ jetzt lesen!Die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes führt dazu, dass Fahrverbote in deutschen Städten künftig erst ab einer Belastung von 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft als verhältnismäßig gelten. Außerdem dürfen neben allen Euro-6-Dieseln auch Wagen der Klassen Euro 4 und 5 in Verbotszonen fahren, wenn sie weniger als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer ausstoßen. Die Bundesregierung wollte zuerst Diesel-Fahrverbote über eine automatisierte Erfassung aller Verkehrsteilnehmer kontrollieren. Der erste Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sah dafür einen automatisierten Datenbankabgleich mit dem Kraftfahrt-Bundesamt vor. Mithilfe von automatischen Kennzeichenlesegeräten lassen sich die Kfz-Kennzeichen aller vorbeifahrenden Autos und Lastkraftwagen erfassen. Die Kennzeichen können dann mit Datenbanken abgeglichen werden.
Hersteller werden nicht zur Nachrüstung verpflichtet
Die beiden neuen Gesetze sind am 14. März vom Bundestag verabschiedet worden, am 15. März haben sie den Bundesrat passiert. Die Linken und die Grünen hatten dagegen gestimmt und wollen stattdessen eine blaue Plakette für abgasarme Fahrzeuge einführen.
Anträge der Linken und der Grünen, Hersteller zur technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw zu verpflichten, lehnten die Koalitionsfraktionen und die AfD gegen die Stimmen der FDP ab.
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Handwerk ist zufrieden
Im Vorfeld der Bundestags-Sitzung zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erklärt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Felix Pakleppa: "Wir begrüßen den Beschluss. Durch die Ausweitung der Ausnahmen ist sichergestellt, dass die Bautätigkeit nicht behindert wird. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Für das Baugewerbe ist es entscheidend, dass Fahrzeuge mit geringen Stickstoffdioxid-Immissionen nicht mit Fahrverboten belegt werden, denn ansonsten käme das dringend erforderliche Bauen in den Innenstädten zum Erliegen. Fahrverbote müssen daher das allerletzte Mittel sein."
✔Checkliste:
Durch die Gesetzesänderung werden folgende Fahrzeuge von Fahrverboten ausgenommen:
- Handwerkerfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 t mit Hardware-Nachrüstung
- generell Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 (Diesel-Pkw und Lkw bis 3,5 t)
- grundsätzlich auch schwere Lkw (ab 3,5t) der Schadstoffklasse Euro VI
- nachgerüstete Euro 4- und Euro 5-Fahrzeuge, die weniger als 270 Milligramm Stickoxid pro km ausstoßen
- auch für Handwerkerfahrzeuge, die die Nachrüstung selbst finanzieren, besteht nun eine bundesweite Ausnahme von Fahrverboten
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Klarheit für die Betriebe geschaffen
Auch Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zeigt sich zufrieden: "Das Handwerk begrüßt die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetz. Durch die Klarstellungen zur Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten und die festgesetzten Ausnahmeregelungen schafft die Gesetzesänderung Planungssicherheit, um Immissionsschutzmaßnahmen noch zielgerichteter umsetzen zu können. Nun haben die Unternehmen Klarheit, dass alle Fahrzeuge mit Euro 6 oder einer vorschriftsmäßigen Nachrüstung auch in Fahrverbotszonen Zugang bekommen.
Die Neuregelung verdeutliche außerdem: Wer vor Ort intensiv alternative Immissionsschutzmaßnahmen umsetze, habe eine gute Chance, Fahrverbote zu vermeiden. Das Handwerk stehe als Partner für eine nachhaltige Luftreinhaltepolitik bereit. Man beteilige sich nicht an Diskussionen über die Anhebung oder Absenkung von EU-Grenzwerten, sondern wolle auf der Basis klarer Rahmenbedingungen und korrekter Messungen die Probleme jetzt lösen. "Fahrverbote – die gerade das Handwerk vor Ort belasten – dürfen dabei nur die 'ultima ratio' sein", betont Schwannecke.
Das Handwerk setzt sich stattdessen für konkrete Konzepte zum ÖPNV- und Radverkehrsausbau, zur Verkehrsoptimierung, zur besseren Organisation des Wirtschaftsverkehrs und zur Emissionsreduzierung an allen Quellen ein. Und es engagiert sich auch für die Nachrüstung von Nutzfahrzeugen . "Wir hoffen auf bald verfügbare Nachrüstsätze", so der ZDH-Chef. Die neuen Förderprogramme des Bundes seien nachdrücklich zu begrüßen, sie sollten jedoch noch schlanker und mittelstandsfreundlicher ausgestaltet und für alle Gewichtsklassen des gewerblichen Verkehrs geöffnet werden, damit man schnell Erfolge vor Ort erzielen könne.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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