Soka-Bau: Härtefall oder nicht?
Die Härtefall-Regelung soll geringverdienende Soloselbstständige von der Soka-Pflicht befreien. Trotzdem müssen Nebenberufler oft zahlen: Entscheidend ist das Gesamteinkommen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Heftige Proteste gegen Soka-Bau-Abgabe
"Das kann doch nur ein Irrtum sein!" denkt sich Moritz P., als er das Schreiben der Soka-Bau aus dem Briefkasten holt. Hauptberuflich arbeitet er als Angestellter in einem Baumarkt, nebenher hat er einen kleinen Betrieb als Fliesenleger angemeldet. Im Jahr 2015 machte er damit keine 3.000 Euro Gewinn, 2016 sogar nur rund 700 Euro, so steht es in seinen Steuerbescheiden. Der Solo-Handwerker aus Düsseldorf hatte im Deutschen Handwerksblatt gelesen, dass die Soka-Bau neuerdings eine Härtefallregelung für geringverdienende Einzelunternehmer hat: Wer weniger als den einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrag verdient, muss die Berufsbildungsabgabe von 900 Euro nicht zahlen. Für das Jahr 2015 liegt der Freibetrag bei 8.472 Euro (bei Zusammenveranlagung mit dem Ehegatten 16.944 Euro), für 2016 bei 8.652 Euro (bei Ehegatten 17.304 Euro).
"Das betrifft mich", freut sich Moritz P.. Er schickt die nötigen Steuerunterlagen an die Soka-Bau und bittet darum, dass diese ihm seine bereits gezahlten Beiträge zurückerstattet. Doch die Sozialkasse lehnt ab! Mit der Begründung, dass er ja insgesamt deutlich über dem Grundfreibetrag verdient habe. Dass der Großteil dieses Einkommens aus seiner Arbeit als Angestellter stammt, interessiert die Soka-Bau dabei nicht. Moritz P. fragt sich: Für die Baukasse kann doch nur das Einkommen aus baugewerblicher Tätigkeit eine Rolle spielen? Zumal in seinem Steuerbescheid das gewerbliche Einkommen einzeln und getrennt ausgewiesen ist. Wieso sollte die Soka-Bau ein Gehalt aus anderweitiger, angestellter Arbeit einbeziehen? Aber so habe es die Verfahrenskommission entschieden, ist die Antwort der Soka-Bau.
Betroffen von dieser Auslegung der Härtefallklausel sind übrigens auch Rentner, die sich als Handwerker in ihrem alten Beruf ein Zubrot verdienen. Sie zählen nicht als Härtefälle, wenn Rente und gewerbliches Einkommen zusammen den Grundfreibetrag übersteigen.
Existenzminimum als Richtwert
Dazu erklärt Heribert Jöris, Geschäftsführer Sozial- und Tarifpolitik beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB): "Grundlage der Härtefallregelung ist der steuerliche Grundfreibetrag. Grundüberlegung war eine Anknüpfung an ein Existenzminimum, gleich aus welchen Einnahmequellen. Weiterer Aspekt der Verwaltungspraktikabilität war der Umstand, dass sich je nach Steuerbescheid eine Zuordnung zum Beispiel verschiedener Tätigkeiten als Einzelunternehmer gar nicht in allen Fällen vornehmen lässt. Daher sollte insbesondere bei einem Hinzuverdienst zur Grundsicherung, aber eben auch bei entsprechend niedrigem Einkommen, von der Beitragserhebung abgesehen werden. Die Grenze ist der für das Jahr (und die Veranlagung) geltende Grundfreibetrag. Wir haben uns tatsächlich darauf verständigt, dass es auf das steuerpflichtige Einkommen insgesamt ankommt. Wegen der verschiedenen Freibeträge kann das Bruttoeinkommen freilich noch deutlich höher liegen als am Ende das steuerpflichtige Einkommen tatsächlich ist. Nach Abzug der Werbungskosten, Freibeträge etc. darf das zu versteuernde Jahreseinkommen die Grenze (den Grundfreibetrag, aber eben nur den Euro-Bezugspunkt der Grenze) nicht überschreiten. Natürlich werden wir uns nun die Verwaltungspraxis anschauen und – wenn notwendig – nachsteuern."
Hintergrund: Seit 2015 verlangt die Soka-Bau jährlich 900 Euro als Berufsbildungsabgabe von Einzelunternehmern, was massive Proteste nach sich zog. Die Härtefallregelung wurde eineinhalb Jahre später eingeführt, nachdem das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärungen diverser Bau-Tarifverträge gekippt hatte. Die Härtefallregelung steht nicht im Tarifvertrag und ist daher nicht allgemeinverbindlich. Sie soll geringverdienende Solo-Unternehmer von der Beitragspflicht befreien. Bemessungsgrenze ist der steuerliche Grundfreibetrag.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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