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HWK Trier | Mai 2025
Beratung: Beruflich weiterkommen im Handwerk
Persönliche Beratung beim "Zukunftstreffer" :Die nächste Sprechstunde ist am Dienstag, 13. Mai, von 16. bis 17.30 Uhr.
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Rechnungen: Darauf kommt es an - Themen-Specials
Oktober 2014
Viele Handwerksunternehmer haben hohe Außenstände, sprechen aber nicht darüber. Zwei Betriebsinhaber vom Niederrhein brechen jetzt das Schweigen.
Die Zahlungsmoral von Privatkunden soll gut sein? Von wegen! Rudolf Rox kann ein Lied davon singen. "Wir haben die Nase voll. Es macht keinen Spaß mehr." Der Handwerksunternehmer aus Wachtendonk am Niederrhein schimpft, weil er immer wieder die Dreistigkeit von Klienten erlebt: "Wir haben Kunden, die sehen uns ins Gesicht und sagen einfach: 'Wir zahlen nicht'". Er redet nicht von öffentlichen Auftraggebern, denn dass Kommunen und Co. sich viel Zeit für die Begleichung ihrer Rechnungen lassen, ist kein Geheimnis. Rudolf Rox spricht von privaten Kunden – sie galten bisher als Inbegriff von zuverlässigen Zahlern.
Hinter vorgehaltener Hand berichteten ihm viele andere Handwerker, dass sie hohe Außenstände haben. Aber sie sagen öffentlich nichts dazu, da sie Angst haben, dadurch eventuell Kunden zu verlieren, berichtet Rox. "Viele Unternehmer verzichteten sogar auf große Teile ihrer Forderungen, um wenigstens an einen kleinen Teil des Geldes zu kommen."
Das Unternehmen Elektro-Rox, das von Vater Rudolf und Sohn Daniel gemeinsam geführt wird, hat im Moment Außenstände von 30.000 Euro. Das ist keine Ausnahmesituation, vier bis acht Prozent vom Umsatz seien "normal". Viel Geld für einen kleinen Handwerksbetrieb mit acht Mitarbeitern. Dabei haben die beiden Betriebsinhaber in den letzten Jahren von ihrem Rechtsanwalt viel gelernt: "Handwerksunternehmer sind keine Bank", betont Hans Arno Rheingans, Fachanwalt für Steuerrecht: "Sie warten zu lange, bis sie handeln."
Die Handwerksunternehmer lassen inzwischen jedes Angebot unterschreiben, nehmen Abschlagszahlungen, haben Inkasso ausprobiert, mahnen schnell, schalten früh ihren Rechtsanwalt ein – aber selbst ein solch professionelles Forderungsmanagement nützt ihnen manchmal nichts. Wenn ein Kunde partout nicht zahlt, bekommen sie zwar per Gesetz Verzugszinsen, seit Ende Juli gibt es neun Prozent. Aber was haben sie davon? Das Hauptproblem, so Rheingans, sei ein ganz anderes: die Gerichte sind überlastet, ein Handwerker kann lange warten, bis die Gerichte überhaupt reagieren. Wenn der Jurist beim Amtsgericht eine Klage einreicht, erhält er die Nachricht: "Es kann vier bis fünf Monate dauern, bis sie eine Antwort bekommen. Von Nachfragen in dieser Zeit ist abzusehen."
Ist diese Hürde überwunden, lauert das nächste Hindernis, berichtet der Rechtsanwalt: Die Überlastung der Gerichtsvollzieher. Selbst bei eindeutigen Fällen dauere es manchmal bis zu einem Jahr, bevor der Gerichtsvollzieher bei dem säumigen Schuldner vor der Haustür steht. Und dann? Vater und Sohn Rox haben schon alle Tricks erlebt: Dann meldeten manche Schuldner flugs Privatinsolvenz an, die Ehefrau führe das Geschäft weiter – und er stehe immer noch mit leeren Händen da. "Wir haben kein echtes Druckmittel in der Hand", schimpfen die Elektrounternehmer aus Wachtendonk. Noch nicht einmal das verbaute Material dürften sie wieder aus der Wohnung des Schuldners holen.
Teilweise, sagt Betriebsberater Kay Schlüter aus Arnsberg. Auf dem Land zahlten die Kunden meistens noch pünktlich, "da kennt jeder jeden und da zählt ein Handschlag noch was". In den Städten hat Schlüter allerdings auch einen schleichenden Mentalitätswandel bemerkt. "Manche Privatkunden wollen von vorneherein nicht zahlen, irgendeinen Mangel findet man immer."
"Stimmt", sagt Claudia Schulte, Leiterin der Betriebsberatung der Handwerkskammer Düsseldorf, "ich höre immer wieder, dass der Handschlag nichts mehr gilt und Handwerker auch bei Privatkunden alles schriftlich vereinbaren müssen." Manche legten es förmlich darauf an, eine Leistung zu bestellen und nicht zu bezahlen: "Auch Kleinstunternehmer müssen in dieser Hinsicht absolute Profis sein. Das kostet Zeit, ist aber der einzige Weg, das Risiko solcher Ausfälle zu minimieren."
Was lernt der Handwerker daraus? Juniorchef Daniel Rox reagiert auf diese Frage drastisch. Er würde sich heute nicht mehr selbstständig machen: "Wenn man so viel Freizeit und Privatvermögen opfert und die Leute dann nicht ordentlich zahlen – das macht keinen Spaß mehr."
Rechtsanwalt Hans Arno Rheingans rät:
Betriebsberater Kay Schlüter empfiehlt:
Nicht alle Kunden lassen sich Zeit mit dem Bezahlen, doch Handwerksunternehmen sollten sich vor denen schützen, die sie am langen Arm verhungern lassen wollen. Nur ein absolut professionelles Forderungsmanagement kann einem Unternehmer helfen
Sie soll sich verschlechtert haben? Sorry, aber dafür gibt es keine Belege! Ganz im Gegenteil: Die Zahlungsfristen der Privatkunden (Verbraucher und Unternehmen) haben sich sogar verkürzt. Zahlten 2004 nur 73,6 Prozent innerhalb von 30 Tagen, waren es 2014 immerhin schon 87,2 Prozent (siehe Tabelle).
Bei ihnen sieht es ähnlich aus. Sie gehören nach Analyse der Wirtschaftsauskunftei Creditrefom zwar zum betrieblichen Alltag, auch im Handwerk. In den meisten Fällen sind sie jedoch gering. Erst wenn die Forderungsausfälle ein Prozent des Gesamtumsatzes übersteigen, wird es nach Meinung von Experten kritisch für den Betrieb. Das betraf 2013 aber nur 13,9 Prozent der befragten Handwerksbetriebe. Ein Jahr zuvor beklagten noch 15 Prozent der Firmen Forderungsverluste von über einem Prozent. Also zeigt der Trend auch hier nach unten.
Sie sind eine Sache, der Betriebsalltag jedoch eine völlig andere. Denn was nützt dem einzelnen Handwerksunternehmer die beste statistische Entwicklung, wenn ihm die Insolvenz droht, weil er Ewigkeiten auf sein Geld warten muss oder die Forderungen sogar in den Wind schreiben kann? Fünf Monate mögen nicht viel als Prozessdauer sein. Doch bis es zum Prozess kommt, sind oft schon Monate vergangen, bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, kann es auch noch einmal Wochen oder Monate dauern. Das ist viel Zeit für einen kleinen Handwerksbetrieb, im schlimmsten Fall kann es ihn die Existenz kosten. Denn der Unternehmer muss seine offenen Rechnungen bei Krankenkasse und Finanzamt sofort begleichen, auch seine Mitarbeiter wollen ihr Gehalt pünktlich.
Er soll zu lange dauern? Auch hier sprechen die Statistiken eine andere Sprache – jedenfalls zum Teil. In Nordrhein-Westfalen dauern Zivilprozesse im Schnitt fünf Monate – eine Zahl, die sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert hat. Bundesweit liegt NRW damit übrigens an der Spitze, in allen anderen Bundesländern dauern die Prozesse länger.
Sind sie wirklich überlastet, dauert der Vollzug dadurch viel zu lange? Stimmt! Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen 80 Gerichtsvollzieher. Da sich dieser Mangel nicht gleichmäßig über alle 130 Amtsgerichte des Landes verteilt, kommt es in einzelnen Bezirken zu extrem langen Wartezeiten – wie zum Beispiel in Wuppertal, wo ein Drittel der Planstellen nicht besetzt ist. Aber selbst im Durchschnitt dauert es in Deutschland zwei bis vier Monate, bis offene Forderungen vollstreckt werden. Frank Neuhaus, Vorsitzender des NRW-Gerichtsvollzieherbundes, bezeichnet deshalb die Lage als dramatisch: "Die Zwangsvollstreckung steht vor dem Kollaps."
Dazu kommt, dass Statistiken – wie die Dauer der Zahlungsfristen – nur Durchschnittswerte ermitteln, die durch manche Gewerke verfälscht werden. Denn es gibt Branchen, da bleibt den Kunden gar nichts anderes übrig, als direkt zu bezahlen. Beim Bäcker gibt es keine Brötchen ohne Bargeld, für den Haarschnitt muss der Kunde auch sofort das Portemonnaie zücken und in den meisten Kfz-Werkstätten bekommt er sein Auto gar nicht erst zurück, bevor er die Rechnung beglichen hat.
Wenn andererseits manche Privatkunden spät, nicht vollständig oder gar nicht zahlen, sind diese Fälle zwar hart, aber manchmal selbst verschuldet. Denn für einige Handwerksunternehmer ist professionelles Forderungsmanagement immer noch ein Fremdwort. Das erlebt zum Beispiel Betriebsberater Kay Schlüter in seiner täglichen Praxis. Da erzählen ihm einige Handwerksunternehmer, dass sie überhaupt nicht wissen, wie hoch ihre offenen Forderungen sind. Andere Handwerker "schreiben gar keine Rechnungen oder erst nach drei oder vier Monaten", berichtet der Berater der Handwerkskammer Südwestfalen. Wenn Schlüter nachfragt, bekommt er schon mal eine umwerfende Begründung: "Zum Rechnungsschreiben komme ich nicht, ich habe so viele Aufträge." Der Diplom-Kaufmann erzählt von Handwerksunternehmern, die noch auf Zuruf arbeiten, keine vernünftigen, detaillierten Angebote schreiben, auf eine Kreditauskunft verzichten oder bei großen Aufträgen keine Abschlagszahlungen vereinbaren.
Wer auf ein professionelles Forderungsmanagement verzichtet, zeigt sich blauäugig. Ein Unternehmer sollte wissen, wie er sich vor dem Teil der Bevölkerung schützen sollte, der offenbar keine Skrupel mehr kennt. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen nützen nicht, wenn der Staat die Betriebe im Stich lässt. Wenn Betriebe insgesamt über ein Jahr warten müssen, bis ein Urteil ergeht und die Forderung vollstreckt wird, ist das eine Zumutung!
Grafik: © Creditreform
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