VW verliert Prozesse um Schummel-Diesel
Drei Autokäufer erhalten anstelle ihrer Dieselfahrzeuge mit manipulierter Abgas-Software Neuwagen vom Händler. Das OLG Karlsruhe gab ihnen Recht.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Geprellte Dieselfahrer können sich freuen: Mit drei aktuellen Urteilen stellt sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe auf ihre Seite. Erstmals seit dem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofes hat damit ein Oberlandesgericht den Käufern von Diesel mit illegaler Abschalteinrichtung Neuwagen zugesprochen – und sie müssen obendrein auch keine Nutzungsentschädigung an den Händler zahlen. Das heißt, die drei Kläger haben ihre Autos jahrelang kostenlos gefahren und erhalten jetzt ohne Aufpreis ein aktuelles Modell oder den vollen Kaufpreis zurück. Juristen bezeichnen diese Urteile als richtungsweisend.
Vergleiche sollten Urteile verhindern
Allerdings hat das OLG die Revision zugelassen, sodass die Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Volkswagen hatte versucht, den Entscheidungen durch attraktive Vergleichsangebote zuvorzukommen – was nur in einem Fall gelang. Die Strategie des Autoherstellers, Klagen mit großzügigen Zahlungen aus der Welt zu schaffen, hat bislang ein höchstrichterliches Urteil verhindert. Deshalb hat der Bundesgerichtshof am 27. Februar dieses Jahres in einem bemerkenswerten Hinweisbeschluss seine Rechtsauffassung veröffentlicht. Die höchsten deutschen Zivilrichter meinen: VW-Fahrzeuge mit Abschalteinrichtung sind mangelhaft.
Dieser Ansicht folgte nun das OLG Karlsruhe in den Fällen eines Audi A3, eines VW Sharan und eines VW Touran. Die Autohändler beriefen sich vergeblich darauf, dass die Nachlieferung eines Ersatzfahrzeuges unmöglich sei, weil das verkaufte Fahrzeug nicht mehr baugleich hergestellt werde. Der BGH hatte klargestellt, dass der Käufer eines mangelhaften PKW ein fabrikneues, typengleiches Ersatzfahrzeug verlangen kann, wenn das gekaufte Modell nicht mehr produziert wird. Die Oberlandesrichter sahen das genauso.
Neulieferung zumutbar
Händler und VW argumentierten weiter, dass das Aufspielen der neuen Software die günstigere Alternative sei und die Lieferung von Neuwagen unverhältnismäßig teuer. Aber auch das überzeugte das OLG nicht. Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Kosten sei der Moment, in dem der Käufer den Mangel reklamiere, so das Gericht. Damals stand das Update aber noch gar nicht zur Verfügung, die Nachbesserung war zu diesem Zeitpunkt also gar nicht möglich.
Außerdem ergebe eine umfassende Abwägung der Interessen und Würdigung aller Einzelumstände, dass die Ersatzlieferung keine unverhältnismäßigen Kosten verursache, erklärten die Richter. Die beklagten Autohäuser wurden zur Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeuges verurteilt.
Keine Nutzungsentschädigung
Eine Besonderheit dieser Fälle ist, dass die Autokäufer keine Entschädigung für die jahrelange Nutzung ihrer Fahrzeuge leisten müssen. Bis zu dem Hinweis des Bundesgerichtshofs hatten die Untergerichte überwiegend anders entschieden und den Verkäufern einen Gegenanspruch für die Fahrleistung der Wagen zugesprochen. Hierbei kamen schnell hohe vierstellige Beträge zusammen.
Die Urteile sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie Einfluss auf Tausende Verfahren im Abgasskandal haben können, die vor den unteren Instanzen bundesweit laufen. VW hat bereits erklärt, dass man beim Bundesgerichtshof Revision einlegen werde. Dass es dort zu einem günstigeren Ergebnis für den Autokonzern kommen wird, ist angesichts des Hinweisbeschlusses mindestens zweifelhaft.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteile vom 24. Mai 2019, Az. 13 U 144/17, 13 U 167/17 und 13 U 16/18
In der Diesel-Affäre gibt es bei Daimler einen neuen Verdacht auf Manipulation der Software für die Abgasreinigung. Das Kraftfahrtbundesamt hat ein formelles Anhörungsverfahren gegen den Autohersteller Daimler Benz eingeleitet. → Hier weiterlesen!
Hersteller kommen mit Updates nicht nach. Insgesamt sind die deutschen Autohersteller bei der Nachrüstung mit Abgas-Software für Diesel noch immer im Verzug. Derzeit sei rund eine Million der betroffenen etwa 5,3 Millionen Fahrzeuge bei der Software noch nicht auf dem neuesten Stand, teilte das Bundesverkehrsministerium im April mit. Deutsche Hersteller hatten im Jahr 2017 ein Software-Update zugesagt und wollten dies bis Ende 2018 umsetzen.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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