Es war ein doppelter Schicksalsschlag, der die Erbin eines kleinen Ausbaubetriebs zum Beratungsgespräch bei der Handwerkskammer Rheinhessen in Mainz führte. Die Frau hatte ihren Mann verloren und musste dann auch noch feststellen, dass ihr die während seiner Krankheit im Betrieb aufgelaufenen Probleme über den Kopf wuchsen: "Die Witwe hatte zur Stabilisierung des Unternehmens schon hohe Privateinlagen geleistet und hätte Haus und Hof verloren, wenn das so weitergegangen wäre", erinnert sich Matthias Langner, einer der Berater der Mainzer Kammer. Nach der Erkrankung des Chefs hätten die Mitarbeiter unproduktiv vor sich hingewurstelt, "die Personalkosten stiegen trotz sinkender Umsätze".
Doch nachdem er als externer Berater die Probleme klar benannt habe, sei "ein Ruck durch den Betrieb gegangen", sagt Langner. Einige unzufriedene Mitarbeiter verließen das Unternehmen, die Witwe leaste neue Maschinen und führt das Geschäft nun fort. Für Langner ein gutes Beispiel dafür, wie durch einen rechtzeitigen Hilferuf eine Insolvenz vermieden werden kann.
Wer zu spät kommt ...
Die Zahl der Insolvenzen im Handwerk ist seit einigen Jahren rückläufig, 2014 ging sie bundesweit um fast zehn Prozent auf 4.930 zurück. Doch nach Einschätzung der Kammern könnte es noch weitaus weniger Pleiten geben, wenn Betriebsinhaber in Schwierigkeiten früher einen Berater aufsuchten. Ist das Unternehmen erst überschuldet oder gar zahlungsunfähig, lässt sich der Gang zum Insolvenzverwalter praktisch nicht mehr vermeiden.
Doch es gibt klare Warnzeichen: "Denken Sie an einen Frisörladen, der dauerhaft zu wenig Umsätze macht und dem jeden Monat zweihundert Euro fehlen", sagt Sabine Matuschowski, Betriebsberaterin bei der Handwerkskammer Dortmund. In solchen Fällen kratzten die Inhaber häufig Geld aus der ganzen Familie zusammen, statt fachlichen Rat einzuholen.
Besser wäre, etwa durch Marketing gegenzusteuern. Matuschowski und ihre Kollegen können dabei helfen – und auch Einsparpotenziale ausmachen, damit die Betriebe ihre Kosten in den Griff bekommen. Schließlich verfügen die Kammern über Vergleichszahlen zahlreicher Unternehmen aus der Branche: "So kann man Schwachstellen identifizieren", sagt Michael Weber, der zuständige Ansprechpartner der Handwerkskammer Münster. Mithilfe der Betriebsvergleiche lasse sich schnell feststellen, wenn ein Unternehmen "beispielsweise mit unrealistischen Stundenkostensätzen operiert".
Wie gehen Sie mit säumigen Zahlern um?
Auch Claudia Schulte von der Handwerkskammer Düsseldorf empfiehlt, bei Problemen frühzeitig vorbeizuschauen. "Wenn es einfach nur schlechter läuft als im Vorjahr, muss das natürlich noch keine Krise sein. Trotzdem sollte man auch in einem solchen Fall zusammen mit einem kompetenten, externen Ansprechpartner überprüfen: 'Passen meine Kalkulationen noch? Habe ich vielleicht im Personalbereich Probleme? Oder haben sich Betriebsabläufe geändert?'"
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Auch das Forderungsmanagement – also das Eintreiben von Rechnungen – habe schon manches Unternehmen in Bedrängnis gebracht. "Viele Probleme lassen sich schon im Vorfeld vermeiden, wenn man sich fachlichen Rat für die Abfassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Zahlungsbedingungen holt. Alle Betriebe sollten sich frühzeitig überlegen, wie sie mit säumigen Zahlern umgehen und sich auch über die rechtlichen Möglichkeiten informieren", rät Schulte. Die Handwerkskammern bieten dazu Seminare an.
Staatliche Beratungs-Zuschüsse
Vollständige Sicherheit gebe es natürlich nicht, räumt Schulte ein: "Der Ausfall einer großen Forderung kann auch ein gut arbeitendes, rentables Unternehmen in Existenznot bringen." Doch auch in diesen Fällen können die Handwerkskammern helfen. Berater Weber beispielsweise gelang es im vergangenen Jahr, die Bank eines Bauunternehmers dazu zu bewegen, einen fälligen Kredit zu stunden. Er arbeitete mit dem Handwerker und dem Institut gemeinsam einen Plan für die Genesung der Firma aus, "sie ist jetzt wieder auf dem richtigen Wege".
In schwierigeren Fällen können die Kammern außerdem eine intensive, staatlich geförderte Beratung durch externe Experten vermitteln. Für die Förderung ist seit dem Jahreswechsel das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zuständig. Voraussetzung für einen Antrag dort ist ein Informationsgespräch bei der örtlichen Handwerkskammer. Gefördert werden Beratungskosten von bis zu 3.000 Euro, die das Bafa zu 90 Prozent übernimmt. Der höchstmögliche Zuschuss beläuft sich also auf 2.700 Euro. Weitere Einzelheiten finden sich auf der Website des Bundesamts.
Text: Barbara Schäder
Krisenzeichen
Verschiedene Anzeichen deuten bereits früh auf Probleme im Bertrieb hin:
- Trotz steigender Auftragszahlen bleibt unter dem Strich nicht mehr Gewinn übrig. Das deutet auf Fehlkalkulationen oder Probleme im Forderungsmanagement hin.
- Der Gewinn deckt den kalkulatorischen Unternehmerlohn nicht mehr. Statt sich einzuschränken, sollte der Unternehmer mithilfe eines Beraters die Ursachen erforschen.
- Die Entnahmen sind dauerhaft höher als der Gewinn.
- Das Geschäftskonto ist permanent im Minus, also überzogen.
- Das Unternehmen kann Rechnungen nur noch mit Verspätung zahlen.
Achtung: Wer Zahlungen an die Krankenkasse oder das Finanzamt versäumt, muss damit rechnen, dass diese einen Fremdantrag auf Insolvenz stellen.
Vorbeugung
Damit es erst gar nicht zur Krise kommt, können Unternehmer vorbeugen:
- Preise und Kosten realistisch kalkulieren (hier können die Handwerkskammern mit Vergleichszahlen aus der jeweiligen Branche helfen).
- Nicht alles auf einen oder wenige Auftraggeber setzen.
- Informationen über wichtige Geschäftspartner einholen, beispielsweise unter unternehmensregister.de.
- Klare Regeln für den Fall aufstellen, dass ein Kunde zu spät oder gar nicht zahlt. Für die Erstellung von Mahnungen und notfalls auch die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen bieten viele Kreishandwerkerschaften oder Kammern einen Inkasso-Service an.
Insolvenz rechtlich betrachtet
Was ist Insolvenz?
Insolvenz ist die Unfähigkeit eines Schuldners, anfallende Zahlungen zu begleichen. Sie ist gekennzeichnet durch akute beziehungsweise drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Das Insolvenzverfahren muss beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden. Anträge können von Gläubigern und Schuldner gestellt werden. Als Eröffnungsgrund gilt in der Regel die Einstellung von Zahlungen. Geregelt ist das Verfahren in der Insolvenzordnung. Ziel ist es, die Gläubiger zu befriedigen, indem das Schuldnervermögen verwertet und der Erlös verteilt werden. Das Insolvenzgericht bestellt hierzu einen Insolvenzverwalter und stattet ihn mit entsprechenden Rechten aus.
Was ändert sich?
Die Bundesregierung will das Insolvenzrecht reformieren. Besonders die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter wird neu geregelt. Künftig kann er Rechtsgeschäfte nicht mehr zehn Jahre rückwirkend nur deshalb anfechten, weil Ratenzahlungen vereinbart wurden.
Was bedeutet das fürs Handwerk?
Foto: © so47/123RF.com Das kommt täglich vor: Hat ein Kunde Zahlungsschwierigkeiten, vereinbart der Handwerker mit ihm eine Ratenzahlung. Doch selbst wenn alle Raten bezahlt sind und die Arbeit erledigt wurde, kann sich der Unternehmer nicht darauf verlassen, sein Geld behalten zu dürfen. Gerät der Kunde nämlich in Insolvenz, kann der Insolvenzverwalter das Geschäft nach derzeitiger Rechtslage noch zehn Jahre lang anfechten. Argument: Der Handwerker habe wegen der Ratenzahlung von der Zahlungsunfähigkeit des Kunden gewusst. Damit habe er andere Gläubiger vorsätzlich benachteiligt. Folge der Insolvenzanfechtung ist, dass der Handwerker den Werklohn zurückzahlen muss.
Wird das durch das neue Gesetz besser?
Der Gläubiger steht nun nicht mehr im generellen Verdacht, dass er bei Zahlungserleichterungen – wie etwa Ratenvereinbarung – die Insolvenzreife des Schuldners kannte. Auch wird die Frist für die Anfechtung von zehn auf vier Jahre reduziert. Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, lobt die Änderungen als gut für das Handwerk und längst überfällig. Um spürbare Effekte zu erzielen, sollte die Frist seiner Ansicht nach aber auf zwei Jahre verkürzt werden. Auch die Bevorzugung öffentlicher Stellen gehe zulasten kleiner Gläubiger und sei abzulehnen.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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