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Mehrwertsteuersenkung: Das ändert sich für Handwerker

Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember sinkt die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz von sieben Prozent auf fünf Prozent. Das soll die Wirtschaft ankurbeln, bedeutet aber Arbeit für das Handwerk.

Zum 1. Januar 2007 stieg die Umsatzsteuer in Deutschland von 16 Prozent auf 19 Prozent. Das war damals ein historischer Anstieg. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Bücher, Lebensmittel oder Zeitungen blieb bei sieben Prozent. Viele  Handwerker werden sich noch an die Umstellung und den damit verbundenen Aufwand erinnern.

Jetzt hat die Bundesregierung in ihrem beispiellosen Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro auch eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung auf 16 Prozent im Gepäck. Auch der ermäßigte Satz sinkt von Juli bis Dezember: Von sieben auf fünf Prozent.

20 Milliarden Euro sind dafür im Konjunkturpaket vorgesehen. Die Umsatzsteuer ist nach der Lohnsteuer die bedeutendste Einnahmequelle von Bund, Ländern und Gemeinden. 

Aus Sicht des Handwerks kann diese Maßnahme durchaus einen wichtigen Impuls für den Binnenkonsum geben.  Das Thema bedeutet aber auch eine Menge Arbeit für die Unternehmen mit einem sehr kurzen Vorlauf. Die Politik setzt darauf, dass sich die Steuererleichterung  in den Endpreisen für die Kunden niederschlägt. Mit der Maßnahme soll der Umsatz angekurbelt werden.

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"Aus Sicht der Kunden sollten Händler und Dienstleister die Senkung an den Verbraucher möglichst eins zu eins weitergeben", sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler gegenüber dpa. Es werde sicherlich auch Kunden geben, die dies konkret einfordern.  

Pauschale Rabatte an der Kasse

Während Verbraucher jetzt vielleicht überlegen, was sie sich in den sechs Monaten anschaffen werden, stehen in den Unternehmen erhebliche Umstellungsarbeiten an. Inhaber von Ladengeschäften wie Bäcker, Fleischer, Friseure, Optiker, Sanitätshäuser oder Goldschmiede müssen ihre Kassen und IT-Systeme an die Umsatzsteuersatzsenkung anpassen (oder vom Hersteller anpassen lassen) und ihre Waren neu auszeichnen.

Wobei das Bundeswirtschaftsministerium die befristete Umsatzsteuersenkung bereits mit einer Billigkeitsregelung bei der Preisauszeichnung flankiert. Es können auch pauschale Rabatte an der Kasse gewährt werden, ohne dass alle Preise in einer Nacht- und Nebelaktion bis zum 1. Juli 2020 geändert werden mussten. Auf den Kassenbons muss aber der korrekte Steuersatz ausgewiesen werden.

Verträge und Angebote

Fragen, wie Verträge und Angebote abgefasst werden sollten und wie Anzahlungen zu behandeln sind, bleiben weiter bestehen. Vor allem das Baugewerbe steht der Mehrwertsteuersenkung deshalb kritisch gegenüber.

Laut Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes werde sich "eine zusätzliche bürokratische Belastung" durch die Umstellung der Mehrwertsteuersätze ergeben.

"Ob dieser Mehraufwand durch erwartete konjunkturelle Wirkung gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten", so Pakleppa. Der Verband der Bauindustrie hat angeregt, die Mehrwertsteuersenkung auf Privatkunden zu beschränken und den B2B-Bereich auszunehmen. 

Bau- und Ausbau Lesen Sie hier, was die Mehrwertsteuersenkung für Bau- und Ausbaubetriebe bedeutet

Und der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing hat sich mit einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewandt und schlägt ähnlich der Ausnahmeregelung  für die Preisauszeichnung auch eine Billigkeitsregelung für den Fall der Rechnungsstellung vor.

"Damit könnten Unternehmen bei einer falsch mit zu hoher Umsatzsteuer ausgestellten Rechnung den vollen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer geltend machen, wenn nachweislich der überhöhte Steuerbetrag an den leistenden Unternehmer gezahlt und von diesem beim Finanzamt angemeldet wurde", so der FDP-Politiker. Dies würde die Unternehmen besonders in den Randzeiten der Umstellung entlasten, etwa weil eine Leistung im Vormonat oder über zwei Monate hinweg erbracht wurde.  

Sonderfall Gastronomie

Ein ganz besonderer Fall ist das Lebensmittelhandwerk. Die Betriebe können in den nächsten Monaten mit deutlich günstigeren Preisen bei den Kunden punkten. Nicht nur beim Außer-Haus-Verkauf, auch beim Verzehr von Speisen vor Ort gilt vorübergehend der ermäßigte Mehrwertsteuersatz. Dafür müssen die Geschäfte ihre Kassen aber noch öfter anpassen als andere Unternehmen.

Nach aktuellem Stand gilt Folgendes:

Vom 1. Juli und bis 31. Dezember 2020 sinkt die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie von regulär 19 Prozent auf ermäßigt (neu) fünf Prozent.

Bei Getränken bleibt es beim Regelsteuersatz, der dann aber 16 Prozent beträgt. Ab 1. Januar 2021 und bis 30. Juni 2021 beträgt die Mehrwertsteuer für Speisen zum Vor-Ort-Verzehr wieder ermäßigt sieben Prozent. Für Getränke fallen ab dem 1. Januar 2021 wieder regulär 19 Prozent Mehrwertsteuer an.

Ab dem 1. Juli 2021 gelten in allen Bereichen wieder die "normalen" Mehrwertsteuersätze in Höhe von 19 Prozent (für den Vor-Ort-Verzehr und die meisten Getränke) und sieben Prozent (für Lebensmittel und zubereitete Speisen zum Mitnehmen) wie vor dem 1. Juli 2020.

Dieses Hin und Her sei "ein großer Wehrmutstropfen, der die Freude über die Senkung schmälert", schreibt der Bäckerverband.   

Infos

Warenlieferungen: Bei Lieferungen gilt der Zeitpunkt, in dem die Warenbeförderung an den Kunden beginnt. 

Dienstleistungen: Die Höhe des Steuersatzes hängt davon ab, wann die Leistung vollendet wird. Wenn ein Kunde eine Dienstleistung im Mai oder Juni in Anspruch genommen hat und die Rechnung erst nach dem 1. Juli verschickt wird, gilt noch der alte MwSt.-Satz. Das gilt auch für Teilleistungen.

Werklieferungen/-leistungen: Das Datum der Abnahme ist für den Steuersatz entscheidend. 

Anzahlungen: Werden vor dem 1. Juli 2020 Anzahlungen für Leistungen vereinnahmt, die zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 erbracht werden (Leistungszeitpunkt), dann gilt für diese Anzahlungen zunächst der bisherige Steuersatz von 19 Prozent bzw. sieben Prozent. "Die Steuer ist in der Schlussrechnung sowie in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum, in dem die Leistung erbracht wird, zu korrigieren", berichtet der ZDH. 

Verträge: Bestehende Mietverträge oder Wartungsverträge sollten hinsichtlich des Steuersatzes geprüft werden, denn der Vertrag gilt gegebenenfalls als Rechnung. Entscheidend ist die konkrete Formulierung im Vertrag und ob Brutto- oder Netto-Preise vereinbart wurden.

Angebote: Was ist mit älteren Angeboten? "Sind im Angebot die Einzelposten ausgewiesen – also der Nettobetrag sowie die Umsatzsteuer aufgeführt – dürfte sich der Endpreis für den Kunden verringern", so Isabel Klocke vom Steuerzahlerbund. Der Handwerker müsste nun den geringeren Umsatzsteuersatz in Rechnung stellen.

Text: / handwerksblatt.de

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