Bäcker wollen Qualität und Attraktivität der Ausbildung stärken
Das Bäckerhandwerk setzt sich kritisch mit der Ausbildung auseinander. Eine Umfrage unter Azubis zeigt: Die Berufsorientierung muss verbessert und die angehenden Fachkräfte wertschätzender behandelt werden.
Seit über einem Jahrzehnt wirbt der Zentralverband (ZV) des Deutschen Bäckerhandwerks mit seiner Kampagne "Back dir deine Zukunft" um Nachwuchs. "Wir konnten unsere Ausbildungsberufe für mehr junge Menschen sichtbarer machen", bilanziert Nils Vogt, der als Referent beim ZV für Berufsbildung und Fachkräftesicherung verantwortlich ist. Trotz des langjährigen Engagements sind jedoch zu viele Lehrstellen unbesetzt geblieben.
Ausbildungsgipfel in Weinheim
ZV-Bildungsexperte Nils Vogt hat sich über den lebhaften Austausch und die euphorische Stimmung während des zweitägigen Ausbildungsgipfels gefreut. Daran hatten alle an der Ausbildung beteiligten Akteure der Berufsausbildung teilgenommen. Foto: © Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksNoch vor dem Beginn des Ausbildungsjahres 2022/2023 wollte der Zentralverband deshalb ein Zeichen setzen. Er hat alle an der Ausbildung beteiligten Akteure zu einem Ausbildungsgipfel eingeladen. Am 25. und 26. Juni 2022 trafen sich Ausbilder, Azubis, in den sozialen Medien aktive Backfluencer, Lehrkräfte der Berufsschulen und der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung sowie Vertreter aus den Innungen an der Bundesakademie in Weinheim. "Wir haben dieses neue Format erprobt, um gemeinsam zu erarbeiten, wo wir mit der Ausbildung stehen und wo wir hinmöchten."
Umfrage über Berichtsheft-App
Dass in der Ausbildung des Bäckerhandwerks nicht alles rund läuft, dürften viele schon geahnt haben. Der Zentralverband hat sich im Vorfeld des Ausbildungsgipfels Gewissheit verschafft. "Wir wollten nicht über, sondern mit der Zielgruppe sprechen", erklärt Nils Vogt. Dazu haben die Bäcker einen neuen Kommunikationskanal genutzt. Auszubildende, die die Berichtsheft-App des Zentralverbands verwenden, wurden darüber aufgerufen, sich an einer Umfrage zu beteiligen. Die Resonanz bezeichnet Nils Vogt als "wirklich gut". Über 500 Azubis sind der Bitte des Zentralverbands gefolgt. Die Ergebnisse seien "ein richtiges Pfund".
Übersicht: Berichtsheft-Apps im Handwerk In unserem Online-Artikel "Berichtsheft-Apps für die Ausbildung im Handwerk" auf handwerksblatt.de wägt eine Expertin vom Zentralverband des Deutschen Handwerks ab, welche Vor- und Nachteile mit der Nutzung eines digitalen Berichtshefts verbunden sind. In unserer Übersicht stellen wir zahlreiche Berichtsheft-Apps für verschiedene Ausbildungsberufe des Handwerks vor. Darunter ist auch die "BDDZ-Azubi-App" für das Bäckerhandwerk.
Vorzeitig an Abbruch gedacht
In der Umfrage wurden die Auszubildenden gefragt, welche weiteren Leistungen und Angebote sie neben der Ausbildungsvergütung erhalten. Foto: © Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksDie Antworten auf die zehnte Frage haben den Bildungsreferenten darin bestärkt, dass Qualität und Attraktivität der Ausbildung gestärkt werden müssen. "Über 60 Prozent der befragten Azubis haben darüber nachgedacht, ihre Ausbildung vorzeitig abzubrechen."
Als Begründung wurden an erster Stelle fehlende Wertschätzung, aber auch Überlastung und Konflikte angeführt. "Die Generation Z steigt mit anderen Erwartungen ins Berufsleben ein. Dies erfordert ein Umdenken vonseiten der Ausbildungsbetriebe."
Zeichen von Wertschätzung
In der Frage 8 sollten die Auszubildenden beantworten, welche Leistungen und Angebote sie sich neben der Ausbildungsvergütung wünschen. Foto: © Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksWertschätzung könne sich in einer übertariflichen Ausbildungsvergütung ausdrücken. Es wäre aber auch denkbar, den angehenden Bäckern und Fachverkäufern einen Zuschuss zum Führerschein zu zahlen, ein E-Bike zur Verfügung zu stellen, ein Auslandspraktikum zu ermöglichen oder ein Azubi-Event zu organisieren.
"Es gibt bereits sehr viele Betriebe, die mit gutem Beispiel voran gehen. Wir haben ihnen auf dem Ausbildungsgipfel eine Bühne geboten, damit andere sich davon inspirieren lassen können", so Vogt.
Kein realistisches Berufsbild
"Nicht sonderlich überrascht" war der Bildungsexperte des Zentralverbands davon, dass rund die Hälfte der befragten Auszubildenden vor dem Antritt ihrer Ausbildung kein realistisches Bild hatten, was sie in den kommenden drei Jahren erwartet.
Schüler sollten sich ausprobieren
Die Berufsorientierung an den Schulen müsse deutlich verbessert werden. Es brauche mehr Raum und Verbindlichkeit für Praktika. Schüler sollten bei der Wahl eines Praktikumsplatzes nicht nur "auf die bequeme Lösung vis-à-vis der Haustür" setzen, sondern ausprobieren, "was sie kitzelt und neugierig macht". Zum anderen müssten an allen Schulformen die Strukturen bei der Berufsorientierung aufgebrochen werden.
Selbstständigkeit als Unterrichtsthema
Neben mehr Offenheit für Praktika im Handwerk regt Vogt an, einen Bäckermeister in den Unterricht einzuladen. "Wenn wir in Deutschland über Gründung und Selbstständigkeit sprechen, sind häufig nur die Start-ups gemeint. Dabei gibt es im Bäckerhandwerk viele sehr gut aufgestellte Betriebe, die einen Nachfolger suchen, oder Nischen, die man als junger Meister oder junge Meisterin besetzen kann."
Förderung der beruflichen Bildung
Als ein "starkes Signal" bewertet Nils Vogt, dass Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Schirmherrschaft des Ausbildungsgipfels übernommen hat. Doch den gut gemeinten Worten über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung müssten auch Taten folgen. "Die Berufsschulen und überbetrieblichen Ausbildungszentren brauchen eine bessere Ausstattung." Zudem würde eine finanzielle Förderung vor allem Kleinstbetrieben dabei helfen, wieder mehr auszubilden.
Backfluencer auf Social Media
Bernd Kütscher, Direktor der Akademie in Weinheim, mit den Backfluencerinnen Susanna Rupp, Alina Martyenka und Miriam Schmid (v.l.n.r.). Foto: © Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksMit ihrer Nachwuchskampagne "Back dir deine Zukunft" sind die Bäcker nach Einschätzung von Nils Vogt bereits dort präsent, wo sich die Zielgruppe überwiegend aufhält: in den sozialen Medien.
Eine bessere Sichtbarkeit des Bäckerhandwerks und Einfluss auf die Berufsorientierung verspricht er sich vor allem von den Backfluencern. Sie gewähren ihren Followern auf Instagram oder TikTok mit kurzen Video-Schnipseln authentische Einblicke in den Berufsalltag und "geben dem Bäckerhandwerk damit ein Gesicht und eine Stimme".
Authentische Einblicke
Der Zentralverband erarbeitet zusammen mit ihnen Ideen und Themen für ihre Posts. "Ansonsten haben sie inhaltlich alle Freiheiten", betont Nils Vogt. Zu den authentischen Einblicken gehört für ihn auch, dass sich die Backfluencer kritisch äußern oder eine Stirn voller Sorgenfalten zeigen. "Wir wollen beispielsweise nicht schönreden, dass Bäcker mitunter körperlich hart arbeiten müssen. Es ist aber auch ein attraktiver und zukunftsfähiger Beruf, in dem Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Regionalität eine große Rolle spielen."
Lösungsansätze erarbeiten
Foto: © Zentralverband des Deutschen BäckerhandwerksNach dem Ende des Ausbildungsgipfels geht es für Nils Vogt an die Umsetzung. Es gilt, die Ergebnisse aus den neun Workshops und aus dem Azubi-Talk auszuwerten und die daraus abgeleiteten Lösungsansätze für eine bessere Ausbildung in die gesamte Branche zu tragen.
Dies könne in Form von Checklisten, Leitfäden oder Podcasts sein. "Wir verstehen diesen Prozess nicht als Closed Shop, der nur auf die Teilnehmer des Ausbildungsgipfels beschränkt ist. Wir möchten alle an der Ausbildung beteiligten Akteure des Bäckerhandwerks einbeziehen", versichert der Referent des ZV.
Schnelle Umsetzung vorgesehen
Nils Vogt ist vor allem der lebhafte Austausch und die euphorische Stimmung während des zweitägigen Ausbildungsgipfels in Erinnerung geblieben. Er sieht sich und den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks nun in der Pflicht. "Wir müssen jetzt schnell dranbleiben und dafür sorgen, dass dieses Event kein einmaliger Impuls war, sondern dass die Ausbildung im Bäckerhandwerk substanziell davon profitiert."
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Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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