Keine Stromsteuer-Entlastung für Unternehmen in Schwierigkeiten
Unternehmen in Schwierigkeiten können keine stromsteuerlichen Entlastungen erhalten, da diese eine unzulässige Beihilfe wären. Der Bundesfinanzhof urteilte zum ersten Mal in dieser Frage.
Der Bundesfinanzhof hat erstmals entschieden, dass "Unternehmen in Schwierigkeiten" keine stromsteuerliche Entlastung gewährt werden kann.
Der Fall
In ihrer Bilanz wies eine GmbH einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre Anträge auf Stromsteuerentlastung nach § 9b und § 10 Stromsteuergesetz (StromStG) lehnte das Hauptzollamt mit der Begründung ab, dass die GmbH ein sogenanntes "Unternehmen in Schwierigkeiten" sei und daher nach Maßgabe des EU-Beihilferechts die beantragten Entlastungen nicht gewährt werden dürften.
Das Urteil
Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage – wie schon die Vorinstanzen – zurück. Er entschied, dass die Steuerentlastungen nach § 9b und § 10 StromStG wegen ihrer selektiven Wirkung staatliche Beihilfen sind und als solche dem Durchführungsverbot nach Artikel 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterliegen. Die Einstufung als grundsätzlich unzulässige Beihilfen ergebe sich auch daraus, dass das in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet wurde und keine Ausnahmen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c oder Art. 108 Abs. 4 AEUV vorliegen.
Ist die GmbH in Schwierigkeiten trotz positiver Prognose des Gesamtkonzerns?
Im Kern ging es im Streitfall um die Frage, ob ein Unternehmen auch dann "in Schwierigkeiten" im Sinne des Artikel 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) ist, wenn zwar mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist, jedoch wegen der Einbindung des Unternehmens in einen Konzern eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann.
Hierzu traf der BFH zwei wesentliche Aussagen: Erstens stellt die AGVO bei der Definition eines Unternehmens "in Schwierigkeiten" in Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO konkret auf die einzelne GmbH ab, welche die Beihilfe beansprucht. Dieser auf bestimmte Gesellschaftsformen bezogene Unternehmensbegriff umfasst deshalb nicht einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen in einem Konzernverbund.
Zweitens kommt es auf eine positive Fortführungsprognose nicht an, weil eine solche Einschränkung nach dem Wortlaut des Art. 2 Nr. 18 Buchst. a AGVO nicht vorgesehen ist. Dem Unionsgesetzgeber sei es gerade darauf angekommen, dass keine detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers notwendig ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Januar 2022, Az. VII R 28/19
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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