Klimaanlagen mittels KI vorausschauend warten
Wenn Serverräume überhitzen, droht der Verlust wichtiger Daten. Künstliche Intelligenz (KI) erkennt mit zeitlichem Vorlauf, ob sich bei den Klimaanlagen eine Störung ankündigt. Damit können sie vorausschauender gewartet werden.
"9.000 Klimaanlagen verschiedener Hersteller, verschiedener Modelle und verschiedener Größen – das ist schon ein beachtliche Hausnummer", sagt Britta Hilt. Den Namen ihres Kunden kann die Geschäftsführerin des Saarbrücker Softwarehauses IS Predict nicht nennen. Es handele sich um "einen großen Betreiber von IT-Service-Centern". Dem ist es wichtig, dass die Kühlgeräte zuverlässig ihren Dienst tun. "Server gehören zur kritischen Infrastruktur. Fallen sie wegen Überhitzung aus, können Daten verloren gehen. In vielen Branchen bedeutet das den Super-GAU", beschreibt Britta Hilt, die IS Predict vor zehn Jahren zusammen mit einem ehemaligen Kollegen von IDS Scheer sowie mit der Scheer Holding gegründet hat, das mögliche IT-Horrorszenario.
KI "hebt die Hand"
Bislang laufe die Wartung der Geräte regelbasiert ab. "Nach einer bestimmten Laufzeit inspizieren die Servicetechniker die Klimaanlagen und tauschen gegebenenfalls Komponenten aus, die nach den Erfahrungen der Hersteller bald ausfallen könnten." Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sorgt für einen "Paradigmenwechsel". Die KI "hebt erst die Hand", wenn sich wichtige Werte der Klimaanlagen wie Druck, Temperatur und Ventilstellung allmählich zu einem außergewöhnlichen Muster verdichten. Dies wird als Anomaliekennzahl dargestellt.
Als Vergleich für den KI-generierten Wert zieht Britta Hilt die Elektrokardiografie (EKG), die Änderungen der elektrischen Spannung im Herzen sichtbar macht. "Je nachdem, wie stark die Anomaliekennzahl steigt, wird dem Operations Team signalisiert, dass die Anlage bei Gelegenheit oder dringend innerhalb der nächsten zwei Wochen gewartet werden muss." Wichtig sei dem Kunden, dass die Vorhersage möglichst zuverlässig ist. Die KI-Software-Lösung von IS Predict erreiche eine Quote von etwas mehr als 98 Prozent.
Eigenes KI-Netz entwickelt
Das Verfahren basiert auf Deep Learning. "Allerdings arbeiten wir nicht mit neuronalen Netzen, sondern haben ein eigenes ,predictive intelligence‘-Netz entwickelt, woraus eine erklärende KI entsteht", erklärt Britta Hilt den technischen Hintergrund. Um den Selbstlernalgorithmus aufzubauen, der die Prognosen ermöglicht, werden Daten aus der Vergangenheit benötigt. Der Betreiber der IT-Service-Center etwa hat IS Predict zunächst zwischen zehn und 15 Datenpunkte von 100 bereits installierten Klimaanlagen bereitgestellt. Daraus lässt sich ein erstes Berechnungsmodell aufbauen. "Bevor die Nummer 9, 35 oder 86 ausgefallen sind, haben sich die Datenmuster verändert. Das merkt sich die KI und wendet das Gelernte künftig an."
Dieser Prozess wiederholt sich, bis die Vorhersagen möglichst präzise sind. Danach wird die KI für eine größere Anzahl von Geräten getestet. In die Trainingsphase bezieht IS Predict die Fachleute der jeweiligen Kunden ein. "Bei den Klimaanlagen suchen wir mit ihnen nach den Gründen, warum die Anomaliekennzahl bei zehn Ausfällen super anschlägt, aber beim elften oder zwölften Mal nicht", führt Britta Hilf als Beispiel an. Mit dem eingebrachten Know-how der "Domänen-Experten" verbessert sich die Genauigkeit der KI immer weiter.
KI meldet nur kritische Fälle
Seit Ende 2019 ist die "Predictive Intelligence"-Software beim Betreiber der IT-Service-Center im Regelbetrieb. Die KI überwacht nun alle 9.000 Klimaanlagen. "Deren Daten stellt der Kunde abends in seine Datenbank auf unserer Cloud ein, die Analytics wertet sie in wenigen Minuten aus, so dass die Ergebnisse am nächsten Morgen bereitstehen." Gemeldet werden nur die kritischen Fälle. Die Nachricht kann als einfache E-Mail verschickt, aber auch im System des Kunden als Instandhaltungsauftrag generiert werden.
Der Faktor Zeit spiele im Falle der Serverräume eine eher untergeordnete Rolle. "Die Betreiber wollen rund zwei Wochen im Voraus wissen, wann sich ein Gerät auffällig verhält." Eine Übermittlung der Daten sei aber auch im Bereich von Millisekunden "near realtime" möglich. Dies werde etwa für die Schweißroboter in der Automobilindustrie gefordert, da die direkte Bandsteuerung davon abhinge. Bei den Herstellern sei die KI auf deren Server oder deren privater Cloud abgelegt, so dass die Daten innerhalb der Firewall bleiben.
Kosten senken, Laufzeit verlängern
Dem Betreiber der IT-Service-Center hilft die vorausschauende Wartung durch die KI dabei, die Investitionskosten zu senken. "Um die Kühlung der Serverräume sicher zu stellen, musste als Backup immer noch eine weitere Klimaanlage vor Ort sein", verdeutlicht Britta Hilt. Dies entfällt nun. Zudem sorgt die "Predictive Intelligence" dafür, dass sich die Laufzeit der Kompressoren verlängert.
Bei den Anwendungen von Industrie 4.0 gehe es aber nicht nur darum, Geld zu sparen und die Technik zu verbessern. Durch die vorausschauende Wartung der KI-Software halten sich Nachtschichten sowie Feiertags- und Wochenenddienste in Grenzen. "Überall herrscht Fachkräftemangel", so Britta Hilt. "Qualifizierte Fachkräfte dürften Arbeitgeber bevorzugen, bei denen sie neben einem angemessenen Einkommen, einem guten Arbeitsumfeld und räumlicher Nähe zum eigenen Wohnort auch familienverträgliche Arbeitszeiten vorfinden."
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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