Die Hürde, zum Telefonhörer zu greifen, ist nach wie vor groß. Viele Betriebe verbinden das mit Klinkenputzen. Doch sachlich geht es darum, gute Leistungen und Produkte anzubieten. (Foto: © mavoimage/123RF.com)

Vorlesen:

Vertrieb: Die Chancen liegen auf der Straße

Betriebsführung

Neue Kunden gewinnen, Beziehungen pflegen, alte Kontakte reaktivieren – ohne aktiven Vertrieb geht es im Handwerk nicht. Tipps von Vertriebs-Expertin Tanja Stachowiak. Sie sagt: "Wer den Vertrieb vernachlässigt, lässt wertvolle Chancen ungenutzt."

Tanja Stachowiak, Beraterin aus Düsseldorf, unterstützt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Gründern dabei, ihre Vertriebsaktivitäten professionell aufzustellen und hilft, pragmatische Lösungen zu finden. 

Oft scheitert es schon am ersten Schritt: dem Anruf zur Akquise. Viele Unternehmer denken bei Vertrieb sofort an Klinkenputzen und lehnen das ab. Dabei sollten auch Vertriebsaktivitäten genauso selbstverständlich zum "Werkzeugkoffer" eines Handwerksbetriebs gehören. "Und das Beste: Dafür braucht es weder große Budgets noch teure Software", betont die Expertin im Gastbeitrag für das Deutsche Handwerksblatt:

Wertvolle Chancen bleiben ohne Vertrieb ungenutzt

Tanja Stachowiak Foto: © privatTanja Stachowiak Foto: © privat

Auch wenn kein Betrieb dem anderen gleicht, zeigt die Erfahrung: Wer den Vertrieb vernachlässigt, lässt wertvolle Chancen ungenutzt.

Neue Geschäftsbeziehungen aufbauen, bestehende Kunden binden und frühere Kontakte zurückgewinnen – all das sind Aufgaben, die regelmäßig angegangen werden müssen. Und zwar nicht nur dann, wenn gerade Zeit dafür ist.

Wirtschaftliche Phasen sind von Schwankungen geprägt. In Hochphasen sind viele Betriebe so ausgelastet, dass sie Aufträge verschieben oder gar ablehnen müssen.

Es erscheint dann nur logisch, auf zusätzliche Vertriebsaktivitäten zu verzichten. Doch genau hier liegt ein Trugschluss: Vertrieb bedeutet nicht nur verkaufen – sondern ist vor allem eine innere Haltung.

Wer auch in guten Zeiten sichtbar bleibt, Beziehungen pflegt und neue Impulse setzt, sorgt dafür, dass das Auftragsbuch auch in ruhigeren Zeiten gut gefüllt bleibt.

Gerade kleinere Betriebe tun sich schwer mit dem Thema - warum eigentlich?

Die Unternehmerinnen und Unternehmer, mit denen ich arbeite, sind echte Fachleute auf ihrem Gebiet. Sie haben sich mit viel Herzblut und Engagement selbstständig gemacht und stehen mit voller Überzeugung hinter dem, was sie tun.

Doch genau darin liegt oft die Herausforderung: Der Betriebsalltag ist geprägt von vielfältigen Aufgaben – von den handwerklichen Kernaufgaben über die Kundenpflege bis zur Organisation des gesamten Betriebs. Da bleibt für den Vertrieb im Tagesgeschäft oft kaum Zeit.

Und eigene Mitarbeitende, die sich ausschließlich darum kümmern, sind in kleineren und oftmals auch größeren Betrieben meist nicht vorgesehen. So geraten wichtige Aufgaben wie neue Kunden zu gewinnen, Anfragen zeitnah zu beantworten oder Angebote nachzufassen schnell ins Hintertreffen. Dabei braucht es gar keine ausgefeilten Vertriebskonzepte oder komplizierten Strategien.

Es braucht einfache Ansätze, die zum Betrieb passen

Was zählt, sind einfache, zum Betrieb passende Ansätze, die sich im Alltag umsetzen lassen. Oft reicht es schon, an kleinen Stellschrauben zu drehen – und diese Veränderungen in feste Abläufe zu überführen. Wichtig ist: Man muss nicht alles auf einmal verändern.

Ich empfehle, zunächst zu schauen: Was läuft bereits gut? Wo gibt es Handlungsbedarf? Dann lassen sich konkrete Aufgaben ableiten, priorisieren und – ganz wichtig – auf mehrere Schultern verteilen. Nichts muss von Anfang an perfekt sein. Entscheidend ist, ins Tun zu kommen, Erfahrungen zu sammeln und daraus die nächsten Schritte abzuleiten. Vertrieb soll zum Unternehmen passen.

Die ersten Schritte auf dem Weg dahin 

Bevor erste Maßnahmen ergriffen werden, lohnt sich ein Schritt zurück: ein Blick von außen auf den eigenen Betrieb. Dabei können Freunde, Verwandte, Mitarbeitende oder auch externe Begleiter wertvolle Impulse geben. Es geht nicht darum, alles auf den Kopf zu stellen – sondern darum, gezielt zu hinterfragen, wo man steht und wohin man will. Einige Fragen, die dabei helfen können

• Wo will ich hin – und bin ich (noch) auf dem richtigen Weg? 

• Wie hat sich mein Markt verändert?

• Was macht der Wettbewerb – und was macht er vielleicht besser? 

•  Wer sind meine Kundinnen und Kunden – und wie erreiche ich sie? 

• Wie sichtbar bin ich – online und im direkten Umfeld? 

• Passt mein Auftritt – etwa Website, Bilder, Texte – zu mir und meinem Betrieb? 

Je nach Betrieb und Ausrichtung ergeben sich daraus ganz unterschiedliche nächste Schritte:

• Wer kümmert sich um die Pflege des Internetauftritts, sei es auf der eigenen Homepage oder gegebenenfalls Plattformen wie LinkedIn oder Instagram? 

• Wer übernimmt das persönliche Netzwerken – etwa in der Innung oder im Verein? Ist das überhaupt mein Weg – oder gibt es jemanden im Team, der das übernehmen kann?

• Gehen wir auf Messen? Bringt uns eine Anzeige, Plakatwerbung oder ein Sponsoring weiter?

• Werden unsere guten Leistungen weiterempfohlen – oder wie fördern wir das gezielt?

• Und wie gehen wir mit negativen Rückmeldungen um?

Es geht darum, die passenden Ideen für den eigenen Betrieb zu finden – und diese Schritt für Schritt umzusetzen.

Was, wenn ich die Tipps alle beherzige und die Kunden bleiben trotzdem weg?

Man hat eine ansprechende Website, ruft aktiv potenzielle Kunden an, verfolgt Angebote nach – und dennoch bleibt die Resonanz aus. In solchen Fällen lohnt es sich, Gewohntes zu hinterfragen.

Wo lässt sich Zeit – und damit Geld – sparen? Sind die Abläufe klar und effizient? Oder ist der Wettbewerb einfach schneller, präsenter und besser auf aktuelle Anforderungen eingestellt?

Denn nicht jede Maßnahme wirkt für sich allein. Es ist die richtige Kombination aus verschiedenen Aktivitäten, die den Unterschied macht. Und dabei darf eines nicht vergessen werden: Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht. Ein sympathisches und kompetentes Auftreten ist – neben Preis und Leistung – ein unschätzbarer Erfolgsfaktor.

Nicht jeder braucht eine Vertriebs-Software

Für den Einstieg in den Vertrieb braucht es nicht zwingend eine spezielle Software. Entscheidend ist, dass Informationen zu Kundinnen und Kunden übersichtlich und für alle Beteiligten zugänglich sind – natürlich unter Einhaltung des Datenschutzes.

In vielen Fällen reicht zu Beginn bereits eine einfache Excel-Tabelle, auf die das Team gemeinsam zugreifen kann. Hilfreich ist es außerdem, einen klaren Leitfaden zu entwickeln:

• Wer übernimmt die Ansprache neuer Kunden?

• Wer fasst wann bei Angeboten nach?

• Wer dokumentiert Rückmeldungen? 

Solche Fragen sollten im Betrieb gemeinsam geklärt werden. Wichtig ist dabei nicht nur die Struktur, sondern auch der regelmäßige Austausch im Team – wie häufig dieser stattfindet, wissen die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer selbst am besten.

Vertrieb ist keine reine "Chefsache"

Jeder im Team kann etwas dazu beitragen – sei es im direkten Kundenkontakt, durch Hinweise auf neue Anfragen oder durch Ideen, wie man den Betrieb nach außen noch besser präsentieren kann. Oft entstehen die besten Impulse genau dort, wo täglich mit Kundinnen und Kunden gearbeitet wird.

Mein Tipp: Kontinuität und klare Abläufe helfen dabei, den Vertrieb dauerhaft im Blick zu behalten – und so für eine gleichmäßige Auslastung zu sorgen. Was ist der Vorteil, wenn man einen externen Unterstützer einbindet? Ein Blick von außen kann oft den entscheidenden Impuls geben.

Externe Begleiter bringen nicht nur frische Perspektiven mit, sondern auch den passenden "Werkzeugkoffer" – also erprobte Methoden, Ideen und das nötige Fingerspitzengefühl, um Dinge in Bewegung zu bringen. Sie stellen die richtigen Fragen, erkennen Muster und helfen dabei, eingefahrene Abläufe zu hinterfragen.

Es ist Goldwert, wenn die Unterstützer die Region und die Besonderheiten der Betriebe kennen und somit Lösungen finden, die auch mal direkt am Tisch besprochen und pragmatisch umgesetzt werden können – ohne lange Umwege. So lassen sich auch stockende Vertriebssituationen wieder in Schwung bringen. Und ja, auch die vermeintlich unangenehmen Themen wie Kaltakquise lassen sich so zeitweise auslagern. Das entlastet – und schafft Raum, um sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren.

Was tun, bei der Scheu vor dem ersten Anruf

Die Hürde, zum Telefonhörer zu greifen, ist nach wie vor groß. Viele verbinden das Telefonieren – insbesondere die Kaltakquise – mit negativen Erfahrungen oder unangenehmen Situationen. Doch sachlich betrachtet geht es darum, gute Leistungen und Produkte anzubieten und damit den eigenen Betrieb wirtschaftlich erfolgreich zu führen.

Ein Anruf muss nicht aufdringlich sein. Hier kann man sich fragen, wie möchte ich selber gerne angesprochen werden, im besten Fall also höflich und den Grund des Anrufs auf den Punkt gebracht, kombiniert mit einem einfachen sympathischen Einstieg. Telefonate können so direkte und sehr persönliche Ergänzungen zu anderen Vertriebsmaßnahmen sein.

Wichtig ist, mit einer positiven Haltung in das Gespräch zu gehen. Denn: Man sollte immer vom Besten ausgehen. So entstehen professionelle und wertschätzende Gespräche auf Augenhöhe – auch wenn nicht sofort ein Auftrag folgt. Man hat sich in Erinnerung gebracht, und wenn der Bedarf wieder steigt, werden sichtbare und erreichbare Betriebe bevorzugt.

Und zu guter Letzt: Niemand muss zum Vertriebsprofi werden. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Präsenz. Mit einfachen Mitteln und regelmäßigem Tun lässt sich bereits viel erreichen – und oft ist das "Machen" der entscheidende Schritt, um sich vom Wettbewerb abzuheben.

Gastbeitrag von Tanja Stachowiak, Selbständige Beraterin, Vertrieb und Prozesse, Düsseldorf

Was ist bei der Akquise erlaubt und was nicht? Telefonische Kaltakquise zur Kontaktanbahnung und Neukundengewinnung ist in Deutschland nur im Geschäftskundenbereich (B2B) erlaubt, wenn ein berechtigtes Interesse an der Kontaktaufnahme besteht. Bei werblichen E-Mails ist jedoch eine ausdrückliche vorherige Einwilligung des Empfängers erforderlich, sonst sind sie verboten. Im Privatkundenbereich (B2C) ist die Kaltakquise ganz verboten. Im Zweifel sollte man die Beraterinnen und Berater bei seiner Handwerkskammer oder IHK dazu ansprechen.

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Text: / handwerksblatt.de