Vergaberecht, Ausschreibung

Verwaiste Baustellen bei den öffentlichen Auftraggebern. (Foto: © khunaspix/123RF.com)

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Wenn Baustellen zu Leerstellen werden

Betriebsführung

Städte und Gemeinden finden kaum noch Handwerker für ihre Bauaufträge. Schuld ist unter anderem das viel zu komplizierte Vergaberecht.

Die Auftragsbücher quellen über und qualifizierte Mitarbeiter sind derzeit kaum zu bekommen. Welcher Handwerker will denn da noch an einem zeitraubenden und komplizierten Vergabeverfahren teilnehmen? Zumal die öffentliche Hand für ihre späten Zahlungen bekannt ist.

Städte und Gemeinden finden daher immer schwerer Handwerksfirmen für ihre Aufträge. Nicht selten verlaufen Ausschreibungen inzwischen erfolglos, weil sich kein Bieter mehr durch die Formularberge kämpfen will.

Dennoch kann es für einen Betrieb Sinn machen, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen: Jährlich werden Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages per Ausschreibung vergeben, über 95 Prozent davon finden im sogenannten Unterschwellenbereich (siehe Infokasten "Vergaberecht") statt.

"Vergabeverfahren sind alle sehr ähnlich, wenn man mal an einigen teilgenommen hat, bekommt man eine gewisse Routine, dann ist das Ausfüllen der Formulare einfacher", weiß Wilhelm Gobbers, Inhaber eines familiengeführten SHK-Betriebs in Krefeld. Sein Unternehmen nimmt regelmäßig erfolgreich an Ausschreibungen teil. Die Mühe lohnt sich meistens. Als es einmal nicht so rund lief und seine Firma bei einer Vergabe als günstigster Bieter zu Unrecht übergangen wurde, stand ihm die Handwerkskammer Düsseldorf mit Rat und Tat zur Seite. Kammerjurist Michael Bier beriet den Firmeninhaber bei seinem Einspruch gegen den Bauherrn. "Hervorragende, zügige und kompetente Hilfe", lobt Gobbers. Den Zuschlag für den Auftrag mit einer halben Millionen Euro Volumen erhielt er am Ende dann doch.

Selbst Vergabestellen sind überfordert

Dass Handwerksbetriebe auf die Unterstützung der Kammer zurückgreifen können, ist gut. Noch besser wäre aber, wenn Vergabeverfahren nicht so kompliziert wären. Gerade auf kleine und mittlere Unternehmen hat die zunehmende Komplexität der öffentlichen Auftragsvergabe eine abschreckende Wirkung, weiß der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) .

Ein Negativbeispiel für ein echtes "Bürokratiemonster" stellt nach Ansicht des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) das ehemalige nordrhein-westfälische Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) dar. "Bereits kurz nach Inkrafttreten wurde deutlich, dass die Regelungen in der Praxis nicht handhabbar waren. Die Vergabestellen selbst waren mit der Anwendung des Gesetzes überfordert", meint der ZDB.

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Das Gesetz wurde geändert, die neue Fassung trat am 1. April 2018 in Kraft. "Die Reform bringt Erleichterungen für Betriebe und Behörden, weil das TVgG komplett gestrafft und auf die notwendigen Vorschriften reduziert wurde", erklärt der Düsseldorfer Kammerjurist Michael Bier. "Die Vorgaben zu Umweltschutz, Arbeitsbedingungen und Frauenförderung sind weggefallen, genauso wie die bisher notwendigen Verpflichtungserklärungen." Das Gesetz konzentriert sich nun ausschließlich auf die Mindestlohn-Thematik und bezieht sich dabei auf die Vorgaben des Bundes.

Freihändige Vergabe heißt nicht Direktauftrag

Das TVgG ist übrigens erst ab einem Auftragswert von 25.000 Euro anzuwenden. Unterhalb dieses Grenzwertes kann die öffentliche Hand in NRW beschränkt ausschreiben, das heißt sie kann nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen auffordern, ein Angebot abzugeben. Hier gelten aber ebenso die Vergabegrundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung. 

Foto: © pogonici /123rf.com

"Meistens wird auch das Verfahren der freihändigen Vergabe missverstanden. Sie bedeutet nicht, dass die Behörde einen Direktauftrag vergeben darf", betont Bier. Bei der freihändigen Vergabe – die in der UVgO jetzt Verhandlungsvergabe heißt – darf die Behörde formlos Unternehmen um eine Angebotsabgabe bitten, etwa per E-Mail oder Telefon.

Als wenn das alles nicht schon komplex genug wäre, unterscheiden sich die Vergabe-Vorschriften auch noch von Bundesland zu Bundesland. Bauunternehmen, die im gesamten Bundesgebiet unterwegs sind, müssen sich notgedrungen auf 16 verschiedene landesvergaberechtliche Regime einstellen. Nur Bayern verzichtet auf ein Landesvergabegesetz. "Vorbildlich!", meint der ZDB.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStB) fordert Erleichterungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Zumindest für die Zeit des aktuellen Baubooms, damit die Kommunen wieder Handwerker für ihre Baustellen bekommen. Freie Vergaben sollen nach dem Wunsch des DStB im größeren Umfang als bisher möglich werden.

Vorbereitet mit Präqualifizierung

Ein wenig erleichtern können sich Unternehmen die Beteiligung an Ausschreibungen, indem sie sich in eine Präqualifizierungs- Datenbank (PQ-Bau und PQ-VOL) eintragen lassen. Darin ist ihre Eignung als Bieter für ein Jahr gespeichert und sie können sich das erneute Einreichen der Unterlagen bei der nächsten Vergabe sparen. 

Denn auch wenn derzeit die Kasse des Handwerks klingelt, weiß niemand, wie die Konjunktur in Zukunft aussehen wird. "Man muss auch in guten Zeiten die Kontakte pflegen und langfristig fair miteinander umgehen", ist die Strategie des SHK-Betriebsinhabers Gobbers. Und klar ist: Wer heute baut, hat in den kommenden Jahren Bedarf nach Instandhaltung – auch die öffentlichen Auftraggeber.

Anne Kieserling


Vergaberecht 
Das Vergaberecht umfasst alle Vorschriften, die die öffentliche Hand beim Einkauf von Gütern und Leistungen zu beachten hat. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge existiert kein einheitliches Gesetz, sie beruht auf einer Vielzahl von Regelungen. Ob eine Leistung europaweit auszuschreiben ist, richtet sich danach, ob bestimmte Auftrags-Schwellenwerte überschritten werden: bei Lieferungen und Dienstleistungen ab 221.000 Euro und bei Bauleistungen ab 5.548.000 Euro – wobei immer der Gesamtwert des ausgeschriebenen Projekts entscheidet, nicht das Einzellos.

Die Vergabe oberhalb der EU-Schwellenwerte regeln in Deutschland unter anderem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, nur für Bauaufträge gilt hier weiter die VOB/A. Für Vergaben unterhalb der EU-Werte gilt die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Sie ist in NRW seit dem 9. Juni 2018 in Kraft, im Saarland seit dem 1. März 2018, in Rheinland-Pfalz soll sie nach Aussage des Ministeriums Anfang 2019 in Kraft treten. Für Bauvergaben bleibt auch im Unterschwellenbereich die VOB/A maßgeblich. In NRW gelten ergänzend das Tariftreue- und Vergabegesetz und weitere landesrechtliche Vorschriften.

Elektronische Vergabe: Bis zum 18. Oktober 2018 müssen im Oberschwellenbereich alle Auftraggeber und Auftragnehmer vollständig auf elektronische Vergabe (evergabe-online.de) umgestellt haben. Im Unterschwellenbereich gilt die Pflicht zu E-Vergabe ab dem 1. Januar 2020, jedoch nicht für Auftragswerte unterhalb 25.000 Euro und beschränkte Vergaben.

Die Handwerkskammern helfen ihren Mitgliedsbetrieben bei allen Fragen rund um die Vergabe.

 

 

Text: / handwerksblatt.de

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