Gewerkschafter Robert Wessel im Interview

Gewerkschafter Robert Wessel im Interview (Foto: © Teamfoto Marquardt)

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Interview: "Handwerk verdient mehr Anerkennung"

Der Gewerkschafter Robert Wessel spricht über sein Engagement für das Handwerk, über die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen und Ausbildungserfolge.

Robert Wessel ist als Betriebsratsvorsitzender bei der Blumenbecker Gruppe mit Hauptsitz in Beckum tätig. Das Unternehmen ist ein internationaler Industriedienstleister, der unter anderem Automatisierungstechnik anbietet. Wessel gehört seit 2019 der Vollversammlung und dem Vorstand der Handwerkskammer Münster an. In diesen Gremien vertritt er die Interessen von Arbeitnehmern im Handwerk des Kammerbezirks Münster.

DHB: Herr Wessel, wie sind Sie zum Handwerk gekommen und was hat Sie dazu bewogen, sich gewerkschaftlich und im Betriebsrat zu engagieren?
Wessel:
Ich habe meine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Elektroinstallateur in einem kleinen Handwerksbetrieb begonnen. Die Arbeit war vielseitig: Neubauten, private Haushalte, gewerbliche Objekte – jeder Tag brachte eine neue Herausforderung. 1990 wechselte ich zu Blumenbecker, einem größeren Handwerksbetrieb. Dort spezialisierte ich mich nach Weiterbildungen zum Servicetechniker. Später übernahm ich die Sachbearbeitung und Auftragsabwicklung.
Die Tarifbindung hat mir gezeigt, wie wichtig klare Regelungen sind. Für mich war es selbstverständlich, mich gewerkschaftlich zu engagieren. 2018 wurde ich zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt – ein Amt, das ich bis heute mit großer Überzeugung ausübe.

DHB: Was motiviert Sie, sich zusätzlich ehrenamtlich für das Handwerk im Kammerbezirk einzusetzen?
Wessel:
Das Hauptamt funktioniert nur mit einer starken Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt. Nur das sichert Praxisnähe. Ich möchte dazu beitragen, die Ziele der Kammer umzusetzen. Der Austausch in den Ausschüssen ist ein Gewinn für alle. Wer die Chance hat mitzugestalten, sollte sie nutzen.

DHB: Welche Rolle spielen Mitbestimmung und ein Betriebsrat für die Attraktivität eines Handwerksbetriebs?
Wessel:
Eine sehr große. Der Betriebsrat ist das Bindeglied zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. Er achtet darauf, dass Rechte und Pflichten eingehalten werden. Die Mitglieder sind geschult, kennen das Arbeitsrecht und erleichtern damit die Zusammenarbeit. So entstehen klare Strukturen, die allen zugutekommen.

DHB: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Fachkräftesicherung?
Wessel:
Das ist eines der drängendsten Themen. Es beginnt mit einer fundierten Ausbildung, ergänzt durch innerbetriebliche Besonderheiten. Der Arbeitsplatz muss interessant sein. Zusätzliche Leistungen und Tarifstandards spielen dabei eine zentrale Rolle. Außerdem braucht das Handwerk gezielte Werbung in allen Medien, um zu zeigen, wie spannend und wichtig diese Berufe sind.

DHB: Welche Bedeutung haben Weiterbildung und Qualifizierung?
Wessel:
Eine enorme. Die Arbeitswelt verändert sich ständig. Wer nicht Schritt hält, wird schnell abgehängt. Weiterbildung ist die einzige Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit zu sichern – für den Betrieb und für jeden Einzelnen.

DHB: Wie erleben Sie die digitale Transformation?
Wessel:
Sie ist unaufhaltsam – und eine Chance. Wer nicht mitzieht, verliert. Bei Blumenbecker begrüßen wir digitale Prozesse: Sie verbessern Kommunikation, sparen Zeit und sogar Papier. Parallel engagieren wir uns für Nachhaltigkeit, etwa durch Waldaufforstungen.

DHB: Was bewegt die Beschäftigten derzeit am meisten?
Wessel:
Arbeitsbedingungen sind ein Dauerbrenner, ebenso wie Entlohnung. Ich bin ein Verfechter der Tarifbindung. Gesellschaftliche Anerkennung ist ein weiteres Thema. Das Handwerk wird oft unterschätzt, dabei ist es unverzichtbar. Was passiert, wenn morgens kein frisches Brot da ist oder der Strom ausfällt? Das Handwerk verdient Respekt und Wertschätzung.

DHB: Was wünschen Sie sich von der Politik?
Wessel:
Weniger Bürokratie, mehr Unterstützung – und zwar praxisnah. Einheitliche Regelungen und finanzielle Förderung zukunftsorientierter Prozesse wären ein Anfang.

DHB: Wie kann das Handwerk für junge Menschen attraktiver werden?
Wessel:
Flexible Arbeitszeiten, vielleicht eine Vier-Tage-Woche, faire Bezahlung und Sozialleistungen. Die Jugend hat andere Erwartungen – darauf müssen wir reagieren. Es braucht Offenheit, Verständnis und manchmal neue Wege, etwa Freizeit- und Gesundheitsangebote. Die Erwartungen der jungen Generation sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – nicht alles lässt sich umsetzen. Es wird anspruchsvoller, Auszubildende und Nachwuchskräfte langfristig zu binden, denn ihre Vorstellungen unterscheiden sich oft von denen älterer Kolleginnen und Kollegen. Flexibilität bei Arbeitszeiten und klare Strukturen sind aus meiner Sicht entscheidend, um Generationenkonflikte zu vermeiden. Wichtig ist, zuzuhören, die Jugend ernst zu nehmen und bereit zu sein, eingefahrene Denkmuster zu hinterfragen. Hilfreich kann auch die Einbindung von Vertrauenspersonen sein, um Brücken zu schlagen. Genauso wichtig ist vorausschauendes Handeln. Wer Fachkräfte sichern will, muss langfristig planen. Für das Handwerk bedeutet das, regelmäßig über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden – eine bewusste Entscheidung angesichts der alternden Belegschaft, Abwanderungen in andere Branchen und der wachsenden Studienorientierung. Auch in der Nachwuchsgewinnung brauchen wir neue Wege. Heute müssen wir uns breiter aufstellen, digitale Kanäle nutzen und junge Menschen gezielt ansprechen. Dazu gehört auch die Rekrutierung im Ausland.

DHB: Und persönlich – was wäre Ihr Wunschziel bis 2029?
Wessel:
Dass der Neubau des Handwerkskammerbildungszentrums (HBZ) abgeschlossen oder auf der Zielgeraden ist. Außerdem wünsche ich mir von Politik und Gesellschaft mehr Nähe zu den Menschen und echte Unterstützung für Anliegen des Handwerks.

 

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Text: / handwerksblatt.de