"Wir alle wissen, warum wir hier sind: Weil der Kampf um Europas Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist. Entscheidend für unsere Betriebe, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand", sagte Ursula von der Leyen beim Treffen mit den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft.

"Wir alle wissen, warum wir hier sind: Weil der Kampf um Europas Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist. Entscheidend für unsere Betriebe, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand", sagte Ursula von der Leyen beim Treffen mit den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft. (Foto: © ZDH / Agentur Bildschön / Boris Trenkel)

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Wirtschaftsverbände fordern Wettbewerbsagenda für die EU

Handwerkspolitik

In Berlin traf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Vertreter der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Die Verbände fordern verbesserte Rahmenbedingungen für die Betriebe, damit die Wirtschaft wieder zu alter Stärke zurückfindet.

"Wir alle wissen, warum wir hier sind: Weil der Kampf um Europas Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist. Entscheidend für unsere Betriebe, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand." Damit eröffnete die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, das Treffen mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft im Haus des Handwerks in Berlin. Frieden und Freiheit seien nur zu schützen, wenn die Wirtschaft an Stärke gewinnt. "Das ist der klare Auftrag, und er duldet keinen Aufschub mehr. Denn auch die Welt um uns herum wartet nicht", sagte von der Leyen.

Im Mittelpunkt der Arbeit der Kommission stehe die europäische Wettbewerbsfähigkeit. "Die Herausforderungen sind gewaltig und die Zeit ist knapp." Einiges sei bereits auf den Weg gebracht worden, darunter die Binnenmarktstrategie und ein neuer Wettbewerbsfonds. In ihrer weiteren Rede ging von der Leyen auf fünf Themenbereiche ein: Bürokratieabbau, bezahlbare Energie, Binnenmarkt, Handel und die Entlastung des Mittelstands. Ihr sei bewusst, dass die Bürokratiebelastung vielen Mittelständlern und Handwerksbetrieben viel Zeit, Geld und auch Nerven koste.

Bürokratieabbau soll Betriebe entlasten

"Wir müssen eine breite Schneise durch den Dschungel schlagen. Wir durchforsten deshalb gemeinsam mit den Verbänden und Unternehmen der verschiedenen Sektoren die europäische Gesetzgebung, um dann auch zu sehen, was hindert euch auf dem Weg zu diesem Ziel, was bremst euch aus, was macht euch das Leben schwer. Das versuchen wir loszuwerden." Sechs Omnibuspakete mit Vereinfachungen warteten auf die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten. Der Erfüllungsaufwand der Betriebe sinke damit um acht Milliarden Euro im Jahr. Weitere Pakete sollen kommen. Kommen soll auch ein Wettbewerbs- und ein KMU-Check für eine bessere Rechtsetzung. 

Bezahlbare Energie sei elementar für die Wettbewerbsfähigkeit. Der Grund für die hohen Kosten sei Europas Abhängigkeit von importierter Energie. Ein Schlüssel sei, die Produktion von Energie in Europa zu erhöhen. Hier gebe es Fortschritte, 72 Prozent des erzeugten Stroms in der EU stammten aus "low-carbon Energie", das zahle sich aus. Aber wichtig sei auch der Ausbau der europäischen Netzinfrastruktur. "Denn je flexibler Energie innerhalb Europas fließen kann, desto günstiger wird sie", so von der Leyen. Es sollen mehr Mittel in den Ausbau fließen, gleichzeitig sollen Genehmigungsverfahren schneller funktionieren.

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Barrieren auf dem Binnenmarkt abbauen

Ursular von der Leyen (M.) beim Spitzengespräch in Berlin mit Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (l.), Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (2. v. l.), Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (2. v. r.), und Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (r.) Foto: © ZDH / Agentur Bildschön / Boris TrenkelUrsular von der Leyen (M.) beim Spitzengespräch in Berlin mit Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (l.), Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (2. v. l.), Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (2. v. r.), und Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (r.) Foto: © ZDH / Agentur Bildschön / Boris Trenkel

Auf dem Binnenmarkt gebe es immer noch Barrieren, die die Wirtschaft behindern. "Diese Hindernisse bauen wir jetzt systematisch ab", versprach die Kommissionspräsidentin. Vieles müsse vereinfacht und vereinheitlicht werden – "nicht irgendwann, sondern jetzt". Dazu gehörten die Arbeitnehmerentsendung, die Kennzeichnungspflicht von Produkten oder die Anerkennung von Berufsabschlüssen. Die Mitgliedstaaten ermahnte sie, auf europäische Gesetze nicht "obendrauf den eigenen nationalen Goldrahmen" zu setzen. Das schaffe nur neue Barrieren.

Von der Leyen betonte, dass offene Märkte entscheidend seien. "Und die geopolitischen Spannungen sind Gift. Wir erleben Ausfuhrkontrollen in China, die ganze Produktionslinien bei uns in Bedrängnis bringen. Drohende Handelskriege schaffen Unsicherheit." Zölle halte sie für falsch, auch die Zölle, die die USA erheben. "Für uns entscheidend ist, dass unsere Unternehmen weiter Marktzugang haben. Aber wir sollten auch bedenken, dass 80 Prozent unseres Handels mit Ländern außerhalb der USA stattfindet. Und deshalb spannen wir unser großes Netz an Handelspartnerschaften in der Welt noch weiter."

Verbände fordern Wettbewerbsagenda

Ein Schwerpunkt der Arbeit der Kommission liege auch auf der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in Europa. Die europäische Rechtsetzung soll wie auch die Binnenmarkstrategie in Zukunft die Interessen der KMU stärker berücksichtigen. Von der Leyen: "Ein Beispiel: Ein kleineres Unternehmen muss expandieren können, ohne gleich die vollen Pflichten der Großen zu haben. Deshalb führen wir die neue Kategorie der 'Small Mid-Caps' ein. Mit unseren Paketen zur Vereinfachung wollen wir den Verwaltungsaufwand für alle Unternehmen um mindestens 25 Prozent senken. Für KMU um 35 Prozent."

Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Standorte in der Europäischen Union sei wegen der von der Kommissionspräsidentin geschilderten Probleme gefährdet. Ein wirtschaftlich geschwächtes Europa kann seine Interessen und Werte weniger gut durchsetzen. Die Wiedergewinnung wirtschaftlicher Stärke muss daher oberste Priorität europäischer Politik sein. Das fordern die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, darunter der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Sie erwarten eine "entschlossene Wettbewerbsagenda" zur Verbesserung der Standortbedingungen im Binnenmarkt, Deutschland spiele dabei eine wichtige Rolle. Ein starkes Europa brauche einen starken Standort Deutschland.

Wirtschaft fordert Taten

Umgekehrt könne die deutsche Wirtschaft nur in einem als Ganzem starken Europa wieder erblühen. "Die EU-Institutionen müssen endlich wirtschaftskonform und pragmatisch handeln. Sie müssen ihren Ankündigungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas endlich Taten folgen lassen. Der Wettbewerb wartet nicht auf uns." Die Verbände fordern auch die deutsche Bundesregierung auf, diesen Kurs zu unterstützen. Sie greifen die Themenauswahl von der Leyens auf und formulieren konkrete Forderungen für jeden Bereich.

Forderungen der deutschen Wirtschaft1. Bürokratierückbau beschleunigen – Wettbewerbsfähigkeit stärken
Die EU-Rechtssetzung muss besser und schneller werden – mit verpflichtenden Folgenabschätzungen und Wettbewerbsfähigkeitschecks für alle wirtschaftsrelevanten Gesetze, einer stringenten Anwendung des One in, two out-Prinzips sowie dem konsequenten Abbau regulatorischer Doppelungen und unverhältnismäßiger Belastungen. Die EU sollte bestehende Überregulierungen durch weitere Omnibus-Pakete abbauen und langfristig regelmäßige Überprüfungen von Gesetzen durchführen. Komplexe Regulierungen und exzessive Berichtspflichten dürfen die Innovations- und Investitionskraft unserer Unternehmen nicht lähmen. Um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sind zudem ambitionierte Vereinfachungen im Umweltrecht notwendig.

2. Energie bezahlbar und verlässlich sichern
Europa braucht einen schnellen Netzausbau, Technologieoffenheit und die faire Anrechnung internationaler Klimaschutzbeiträge – nur so bleibt Energie für Unternehmen planbar und wettbewerbsfähig. Die ambitionierten Klimaziele der EU erfordern Investitionen in historischem Ausmaß. Ein Clean Industrial Deal muss deshalb Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit untrennbar verbinden und garantieren, so dass Energie auch bei steigendem Bedarf bezahlbar und verlässlich verfügbar bleibt. Damit die Industrie investieren kann, muss auch das EU-Emissionshandelssystem rasch zukunftsfest gemacht werden. Entscheidend ist ein zuverlässiger und wirksamer Schutz vor Carbon Leakage.

3. Binnenmarkt vertiefen – Fachkräftemobilität erleichtern
Der Binnenmarkt ist der Heimatmarkt der deutschen Wirtschaft und das wirtschaftliche Rückgrat Europas. Er muss basierend auf der Binnenmarkt-Strategie der EU-Kommission schnell und spürbar vertieft werden. Im Vordergrund steht, die Freiheiten im Waren- und Dienstleistungsverkehr zu vereinfachen und so weit wie möglich von noch bestehenden Auflagen zu befreien. Neben immer noch zu unterschiedlichen Vorschriften für Produkte und Verpackungen besteht vor allem im Bereich Dienstleistungen und Arbeitnehmermobilität enormes Potenzial. Der Abbau von Entsendungshürden etwa durch mehr und bessere Digitalisierung sowie Entbürokratisierung, eine moderne Koordinierung der Sozialversicherung und die raschere Anerkennung von Berufsabschlüssen würden den Binnenmarkt und das grenzüberschreitende Wirtschaften nachhaltig stärken.

4. Märkte öffnen und Resilienz stärken
Europa muss zügig neue Handelsabkommen abschließen und stabile Wertschöpfungsverbünde sowie Lieferketten aufbauen, um seine Stärke global abzusichern und die wirtschaftliche Resilienz zu erhöhen. Die Abkommen mit Mercosur, Indien, Australien, Indonesien und Malaysia sind rasch zu finalisieren und ratifizieren. Parallel gilt es, Lieferketten zu diversifizieren, um Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu reduzieren. Auch sind Rohstoffpartnerschaften gezielt auszubauen. Strategische Kooperationen – etwa von Global Gateway Projekten – sind so zu gestalten, dass auch mittelständische Unternehmen aller Branchen und Regionen profitieren. Ein Level Playing Field ist Voraussetzung dafür, dass europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb bestehen können.

5. Mittelstand entlasten – praxisgerechte Regeln schaffen
Ein starker Mittelstand ist eine zentrale Voraussetzung für eine widerstandsfähige und innovative europäische Wirtschaft. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden jedoch durch überbordende Bürokratielasten in ihrer Wettbewerbs- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Daher sollten bestehende Belastungen konsequent reduziert werden – praxisnah im Betrieb und rechtssicher. Vorschriften sollten verbindlichen Folgenabschätzungen unterzogen werden, welche die Realität der KMU ernst nehmen. Ein verpflichtender KMU-Tauglichkeitstest muss jeder neuen EU-Regelung vorausgehen, gemäß dem Prinzip Think small first. Gerade kleine und mittlere Betriebe sowie sogenannte Small Mid-Caps leiden besonders unter hohen Energiekosten, langen Genehmigungsverfahren und unübersichtlichen Berichtspflichten. Die Mittelstandspolitik muss wieder einen zentralen Platz in der europäischen Wettbewerbsfähigkeitsagenda erhalten.

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Text: / handwerksblatt.de

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