Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der HWK Südwestfalen, geht zum Jahresende in den Ruhestand. Einer seiner Hauptaugenmerke lag auf der Berufsbildung.

Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der HWK Südwestfalen, geht zum Jahresende in den Ruhestand. Einer seiner Hauptaugenmerke lag auf der Berufsbildung. (Foto: © Boris Golz)

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"Handwerk bedeutet Karriere"

Handwerkspolitik

Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen, spricht im Interview über Mittel gegen den Fachkräftemangel.

Zum Jahresende verabschiedet sich Meinolf Niemand, 13 Jahre Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen, in den Ruhestand. Zu seinem Hauptaugenmerk zählt die Aus- und Weiterbildung sowie damit verbunden der Fachkräftemangel im Handwerk. Sein Credo: Man muss jedem verdeutlichen, dass eine Ausbildung im Handwerk Karriere bedeutet – und eine erfüllende Tätigkeit.

DHB: Herr Niemand, zu Beginn Ihrer Amtszeit am 1. Oktober 2008 hat es drei Ausbildungsberater gegeben, jetzt gibt es ein Team Fachkräftesicherung mit neun Mitarbeitern. Was hat sich verändert?
Niemand:
Damals gab es drei Ausbildungsberater, die neben ihrer eigentlichen Tätigkeit das Thema Nachwuchswerbung mit erledigt haben. Mittlerweile ist das Team viel größer geworden, weil die Aufgaben so vielfältig geworden sind. Wir müssen die sozialen Medien bespielen, wir müssen bei den Bildungsmessen, bei Elternabenden aktiv sein, wobei sich die Direktansprache und die Personengruppen geändert haben. So bearbeiten wir auch die klassischen Themenfelder wie "Migration", "Kein Abschluss ohne Anschluss" oder "Frauen ins Handwerk", aber auch neue Projekte wie die mobile Schülerwerkstatt.

DHB: Was steckt dahinter?
Niemand:
Wir gehen mit Anschauungsobjekten in die Schulen, damit die Schüler die Haptik des Handwerks erfahren. In normalen, Nicht-Corona-Zeiten haben wir die Handwerksrallye, zu der wir Schulen einladen und deren Schüler an 13 bis 14 Stationen handwerklich tätig sein können. Bei diesem Wettbewerb gibt es einen Preis für die Klassenkasse. Damit sprechen wir alle Schulen an – die Hauptschulen, die Sekundarschulen und auch die Gymnasien, zu denen wir mittlerweile endlich Zugang haben.

DHB: Das war vermutlich schwierig.
Niemand:
Das hat tatsächlich Jahre gedauert, aber Projekte wie die Ausbildungsolympiade haben für gute Kontakte gesorgt. Ein absoluter Erfolgsschlager sind die Ausbildungsbotschafter, obwohl das Projekt zunächst skeptisch gesehen wurde. Wir hatten Betriebe gebeten, uns junge Auszubildende zu nennen und bekamen innerhalb von zwei, drei Wochen direkt im ersten Jahr 144 Rückmeldungen! Diese jungen Auszubildenden schulen wir und bringen sie als Ausbildungsbotschafter in die Klassen, damit sie ihre Altersklasse ansprechen.

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DHB: Ein geschickter Schachzug, denn die können auch die Sozialen Medien besser bedienen als die "Altgedienten".
Niemand:
So ist es! Mich will keiner in den Sozialen Medien sehen, aber die Auszubildenden kommunizieren mit den Schülern direkt auf Augenhöhe und können ihnen daher Sachverhalte viel besser als ich begreiflich machen.

DHB: Corona war da nicht hilfreich.
Niemand:
Natürlich hat uns Corona einen Durchhänger beschert, wobei allerdings keiner die jungen Menschen in dieser Zeit erreicht hat. Wichtig ist aber auch, dass alle Player rund um die Ausbildung in Südwestfalen tatsächlich gut zusammenspielen. Wir haben eine hervorragende Beziehung zu unseren drei Industrie- und Handelskammern, ein hervorragendes Miteinander mit der Arbeitsverwaltung in den einzelnen Regionen. Wir wissen: Nachwuchswerbung und Fachkräftesicherung ist eine Aufgabe für alle. Jetzt steigen dank unserer Bemühungen die Zahlen, aber das reicht nicht aus, um den Fachkräftebedarf zu decken.

DHB: Sie haben da eine große Lücke?
Niemand:
Wie eigentlich überall haben auch wir hier in Südwestfalen eine riesige Lücke, die im letzten halben Jahr exorbitant gewachsen ist. Wenn wir dies hochrechnen, kommen wir auf einen Fehlbedarf von 1.000 Lehrstellen pro Jahr, die wir mangels Bewerber nicht besetzen können.

DHB: Fehlt das Potenzial oder ist das Handwerk der Verlierer im Kampf um die Talente?
Niemand:
Die Klientel wird immer schwieriger. Das individuelle Kümmern im Betrieb wird immer größer. Und wenn ich jemanden gewonnen habe, muss ich viel persönlichen Einsatz bringen, dass sie oder er auch die Prüfung schafft, um ihn dann aufwendig an das Unternehmen binden zu können.

ZITAT "Eine Hauptaufgabe bei der Nachwuchswerbung ist – zu verdeutlichen, eine Ausbildung im Handwerk bedeutet Karriere, es stehen jedem alle Möglichkeiten offen."Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der HWK SüdwestfalenDHB: Lässt sich der Nachwuchs nicht mit der Karrierechance locken, mit einem eigenen Betrieb als eigener Chef durchzustarten?
Niemand:
In der Tat stehen in unserem Kammerbezirk rund 3.000 Unternehmen derzeit zur Übernahme an. In unserem Bildungszentrum in Arnsberg sind wir in den Gewerken, in denen wir Meistervorbereitungskurse betreiben, gut aufgestellt. Aber selbst diese voll besuchten Lehrgänge reichen nicht aus, den Bedarf zu decken, obwohl das Interesse der Nachwuchskräfte da ist.

DHB: Also müssen Sie früher ansetzen, um Fachkräfte überhaupt in das Handwerk zu holen …
Niemand:
… was eine Hauptaufgabe bei der Nachwuchswerbung ist – zu verdeutlichen, eine Ausbildung im Handwerk bedeutet Karriere, es stehen jedem alle Möglichkeiten offen. Aber es geht auch um eine erfüllende und spannende Tätigkeit. Das belegen Befragungen von Auszubildenden mit einem erstaunlichen Ergebnis. Die Lehrlinge sind stolz, wenn sie abends sehen, was sie im Laufe des Tages geschaffen haben. Natürlich müssen alle Rahmenbedingungen stimmen, etwa Einkommen oder Betriebsklima. Aber bei den jungen Menschen steht tatsächlich die Erfüllung durch die Arbeit im Vordergrund, das müssen wir mehr spielen.

DHB: Sie haben sich stets dem Bildungsbereich gewidmet. Was sind die Meilensteine Ihrer Amtszeit?
Niemand:
Dazu zählt sicherlich, dass wir die Bildungsaktivitäten in Südwestfalen konzentrieren konnten. Durch unsere jährlichen Investitionen haben wir ein exzellent aufgestelltes Bildungszentrum mit 14 Berufen und haben uns einen guten Namen erarbeitet. Nichtsdestotrotz haben wir weitere Innovationsprojekte in der Pipeline, die wir vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung, Modernisierung und dem Zusammenwachsen der Gewerke anpacken müssen. Deswegen stehen in den nächsten Jahren große Investitionen an. Aber das geht auch über den Bildungsbereich hinaus. Wir als Kammer müssen uns den Betrieben als allgemeiner Dienstleister andienen.

DHB: Sie haben auch einen Rechtfertigungszwang: Wofür kassiert die Kammer die Gebühren?
Niemand:
Ja, das stimmt, aber dafür steht die gesamte Beratungsleistung, von der betriebswirtschaftlichen über die technische Beratung, QM-Beratung, Marketingberatung, Digitalisierung, Ausbildungsberatung. Und ich glaube, da haben wir hier ein gutes Team beieinander, was diese Aufgabe erfüllt. Gerade unsere Notfallberatung in der Corona-Zeit hat Betrieben gezeigt, wie wichtig die Kammer ist – und da hat das gesamte Haus ein sensationelles Engagement gezeigt. Jetzt geht es weiter, weil Betroffene Rat wegen Rückzahlungsforderungen suchen. Im Bildungsbereich hatten wir es geschafft, dass die Kurse nahezu nahtlos online weiterlaufen konnten – und auch in der Flutkatastrophe waren wir aktiv, auch wenn die Zahl der Betroffenen nicht so hoch wie in der Eifel war.

DHB: Vor welchen Herausforderungen steht denn die Kammer jetzt?
Niemand:
Das ist natürlich die Digitalisierung zusammen mit der Frage, wie wir unsere Serviceleistung an die Betriebe bringen. Dafür sind sicher auch neue Kommunikationskanäle notwendig, um noch einmal direkteren Zugang zu bekommen. Es gilt weiterhin, den Kontakt zur Politik nicht zu verlieren. Und selbst wir als Kammer haben auch einen eigenen Fachkräftebedarf, der sich nicht einfach decken lässt. Vor allem nicht im Bildungsbereich. Wir werden ab nächstem Jahr im technischen Bereich auch Klimatechnik schulen. Damit haben wir das komplette Portfolio "rund ums Haus" in unserem Berufsbildungszentrum. Das ist ein Angebotsportfolio aus einem Guss. Vor dem Hintergrund Digitalisierung und der Vernetzung ist es unschlagbar, solch ein Angebot machen zu können. Das wird uns geschäftsmäßig sicher einen enormen Schub geben.

DHB: Wenn Sie jetzt Ende des Jahres in den Ruhestand gehen, tut es Ihnen nicht ein wenig Leid, in diesen spannenden Zeiten zu gehen?
Niemand:
Ich glaube, man geht immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ja, es sind spannende Zeiten, aber es gilt auch, den Stab rechtzeitig zu übergeben. Das Haus ist aus meiner Sicht gut aufgestellt, und ich will keine Projekte anstoßen, die mein Nachfolger nur weiterführen kann. Wichtig war und ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt, nur so kann eine Kammer gut funktionieren, und natürlich mit einem tollen Team. Wir hier in Arnsberg hatten und haben ein motiviertes Team, das mitzieht, das sich mit dem Arbeitgeber identifiziert und Ideen nach vorne bringt – und das werde ich sicherlich vermissen.

Das Gespräch führte Stefan Buhren.

Text: / handwerksblatt.de

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