Wer ein Arbeitszeugnis schreibt, muss eine Gratwanderung meistern: Einerseits ist der Chef verpflichtet, das Zeugnis wahrheitsgemäß auszustellen, andererseits muss er es aber auch wohlwollend formulieren – das sagt Paragraf 109 Gewerbeordnung (GewO). Grund: Der Arbeitgeber darf das berufliche Fortkommen seines Ex-Mitarbeiters nicht unnötig erschweren. Wir geben praktische Tipps für Form und Inhalt.
Wohlwollend und wahrheitsgemäß
"Über den Textinhalt des Zeugnisses kann der Arbeitgeber grundsätzlich frei entscheiden. Er muss allerdings darauf achten, dass es wohlwollend, wahrheitsgemäß, vollständig und einheitlich ist", erklärt Volljuristin Anne-Kathrin Selka, Rechtsberaterin bei der Handwerkskammer Cottbus. "Der Arbeitnehmer hat übrigens keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung oder einen bestimmten Wortlaut."
Zur Benotung von Leistung und Verhalten des Mitarbeiters gibt es allgemein anerkannte Floskeln, die von den meisten Personalverantwortlichen verwendet werden. Steht im Zeugnis "stets zur vollsten Zufriedenheit", entspricht das der Schulnote "sehr gut". Oft sind nur ein Wort oder eine Silbe als Abstufung zu einer anderen Benotung entscheidend. "Das wissen aber viele Chefs nicht. Ohne es zu wollen, schreiben sie dann ein Zeugnis, das vielleicht gut klingt, aber in Wahrheit nur mittelmäßig ist", weiß Selka. "Weil in der Zeugnissprache keine klaren Begriffe verwendet werden, sondern Umschreibungen, kann dies zum Streit über die Auslegung führen."
Diese umschreibende Zeugnissprache bietet die Grundlage für sogenannte "Geheimcodes", von denen man immer wieder hört. Manche Arbeitgeber nutzen Floskeln, die mehr sagen, als sie auf den ersten Blick erkennen lassen und senden so "geheime" Botschaften an den nächsten Chef des Mitarbeiters. Aber Achtung: Diese Geheimsprache ist nach der Gewerbeordnung verboten!
Bitte keinen Hinweis auf die "gesellige Art"
Ein recht bekanntes Beispiel für eine solche Botschaft ist der Satz: "Er hat eine freundliche und gesellige Art", als Umschreibung für: "Er hat eine Schwäche für Alkohol." Zu diesen verbotenen Codes gehören auch bestimmte Zeichen, die Benutzung eines Papiers mit einer besonderen Farbe oder Wasserzeichen, eines bestimmten Stiftes, Stempels oder optische Hervorhebungen von Textstellen, etwa mit Unterstreichungen.
"Besonders problematisch zu beurteilen ist, welche Formulierungen als Geheimzeichen zu verstehen sind", betont Juristin Selka. "Allein die entfernte Möglichkeit einer nachteiligen Deutung eines bestimmten Wortlauts ist nicht ausreichend, um eine Verschlüsselung anzunehmen. Viele Formulierungen sind nicht per se unzulässig, sondern es kommt immer auf den jeweiligen Kontext an."
Arbeitnehmer, die mit ihrem Zeugnis unzufrieden sind, prüfen meistens, ob es wohlwollend formuliert ist. Die Expertin warnt: "Eine nicht wohlwollende Formulierung kann das Zeugnis unzulässig machen. Vor allem Begriffe, die eine positive Beurteilung entwerten, wie etwa die Bindewörter 'aber´, 'leider´, 'bedauerlicherweise´ oder das Weglassen der Dankesformel. Wer das nicht weiß und einfach selbst etwas formuliert, der macht auf jeden Fall Fehler."
Wichtige Schlussformel
Welche Bewertung der Arbeitnehmer bekommen hat, können Personaler meistens schon an der Schlussformel erkennen. Sie kann vorangegangene Bewertungen grundsätzlich verstärken, aber auch herabsetzen. Die komplette Schlussformel lautet: "Wir bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute."
Steht sie unter einem mittelmäßigen Zeugnis, ergibt sich daraus ein Widerspruch. Auch ein Zeugnis, in dem die Schlussformulierung sehr knapp gehalten ist oder ganz fehlt, fällt negativ auf. Der Mitarbeiter hat aber keinen Anspruch auf die Verwendung der Formel, sagt das Bundesarbeitsgericht.
Jedes Jahr tausende Prozesse
Jedes Jahr müssen daher Richter in Tausenden von Prozessen über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses urteilen, Tendenz steigend. Einklagbar sind jedoch keine konkreten Formulierungen, nur die Tatsache, dass ein Zeugnis erstellt wird! "Reden Sie immer zuerst mit dem Arbeitnehmer über das Zeugnis und ändern Sie gegebenenfalls Formulierungen, um einen Streit aus der Welt zu schaffen", appelliert Selka. Viele Leute haben heute eine Rechtschutzversicherung und daher ist die Klagefreudigkeit im Arbeitsrecht ziemlich groß.
Was schreibt man aber ins Zeugnis, wenn ein Mitarbeiter wirklich eine Null war? Dann stehen Wahrheit und Wohlwollen in Konkurrenz. Juristin Selka betont: "Eine schlechte Beurteilung muss entsprechend begründet werden. Nicht nur in der Gesamtnote, sondern auch in den einzelnen Kategorien wie Sozialverhalten oder Fachkönnen. Selbst eine mittelmäßige Beurteilung ist ja für ein Zeugnis schon fast schlecht." Also: Wenn es der Wahrheit entspricht, und man es beweisen kann, dann ist es auch erlaubt, darüber zu schreiben – man darf nur keine bewusste Abwertung des Mitarbeiters vornehmen. Grundsätzlich gehören Schwierigkeiten, die es im Arbeitsverhältnis gab, nicht ins Zeugnis.
Keine Infos über Privates
Streitpunkt ist häufig auch, welche Inhalte im Zeugnis stehen. Es soll grundsätzlich nur das enthalten, was für einen zukünftigen Arbeitgeber von Interesse sein könnte. Es darf keine Informationen zu privaten Angelegenheiten des Arbeitnehmers wie etwa die Zugehörigkeit zu einer Partei oder einer Gewerkschaft erwähnen oder andeuten. Gleiches gilt für Betriebsratsaktivitäten. Etwas anderes ist nur auf Verlangen des Arbeitnehmers erlaubt. Ähnlich verhält es sich mit dem Beendigungsgrund: Der darf nur drin stehen, wenn der Zeugnisempfänger das wünscht.
Für den Arbeitgeber gibt es keinen Weg daran vorbei, ein Arbeitszeugnis auszustellen: Weigert er sich, kann der Ex-Mitarbeiter es einklagen und anschließend die Zwangsvollstreckung betreiben. Der Unternehmer kann sich sogar schadensersatzpflichtig machen: Wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass er wegen des fehlenden oder verspäteten Zeugnisses keinen neuen oder einen schlechteren Job gefunden hat. Sogar dem zukünftigen Brötchengeber kann der Ex-Chef zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er wissentlich falsche Angaben im Zeugnis gemacht hat.
Praxistipp
"Legen Sie dem ausscheidenden Mitarbeiter keine Steine in den Weg und stellen Sie das Zeugnis zeitnah und korrekt aus, selbst, wenn Sie ihm gerne noch einen Denkzettel verpassen würden. Vermeiden Sie unnötigen Streit, der nur Geld und Nerven kostet, Ihnen aber keinen Vorteil bringt!", rät Rechtanwältin Selka. Die Handwerkskammern bieten individuellen Rat, veranstalten regelmäßig Seminare und geben kostenlose Mustervorlagen heraus.
Es gibt verschiedene Arten von Zeugnissen:
• Ein so genanntes einfaches Zeugnis wird normalerweise bei kurzfristigen oder geringer qualifizierten Tätigkeiten ausgestellt. Es enthält lediglich Angaben über die Person des Arbeitnehmers sowie über den Inhalt und die Dauer des Arbeitsverhältnisses.
• Das qualifizierte Zeugnis enthält zusätzlich die Beurteilung der Führung und der Leistung und ist nur auf Verlangen des Arbeitnehmers auszustellen. Was drin stehen muss, ist nicht vorgeschrieben. Üblich sind die vier Bestandteile Eingangspassus, Tätigkeitsbeschreibung, Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie Schlussformel mit entsprechendem Inhalt. Ein qualifiziertes Zeugnis kann der Arbeitgeber nur ausstellen, wenn der Mitarbeiter solange bei ihm beschäftigt war, dass er Leistung und Verhalten beurteilen kann. Dazu sollte ein Zeitraum von 6 Wochen ausreichen (Landesarbeitsgericht Köln, Az. 4 Sa 1485/00).
• Das so genannte Zwischenzeugnis ist fällig, wenn ein triftiger Grund vorliegt, etwa wenn sich der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers ändert oder der Vorgesetzte wechselt.
Urteile zum Arbeitszeugnis:
• Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Zeugnis Dank und gute Wünsche auszusprechen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2012, Az. 9 AZR 227/11).
• Die Art der Tätigkeit – hier eines Maurers – muss das Zeugnis möglichst genau und in der branchenüblichen Weise darstellen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Februar 2013, Az.: 6 Sa 468/12).
• Wer ein Arbeitszeugnis mit Kinderschrift oder quer zum Text unterschreibt, handelt nicht korrekt. Denn das lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Zeugnisses zu (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 27. Juli 2016; Az. 4 Ta 118/16).
• Ein Smiley mit heruntergezogenem Mundwinkel in der Zeugnis-Unterschrift enthält eine negative Aussage, die nicht hingenommen werden muss (Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 18. April 2013, Az. 5 Ca 80 b/13).
• Kein rosa Papier fürs Arbeitszeugnis! (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 23. Juni 2016, Az. 1 Ta 68/16).
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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