In Beraterkreisen existiert ein Bonmot vom 60-Jährigen, der sich in Sachen Betriebsübergabe gründlich informieren will. Die Freude auf Beraterseite währte nur kurz über den scheinbar altersmäßig passenden Besuch – denn es ging um die Übernahme des Unternehmens seines Vaters. Auch wenn die Geschichte nie verifiziert wurde, steht sie symbolisch für die frühzeitige Planung der Unternehmensnachfolge.
Zitat"Wichtig ist, Betriebsübernahmen weiterhin als attraktive Gründungsform zu bewerben." Rolf Papenfuss, Referatsleiter im Bereich der Gewerbeförderung im ZDH
"So ein Übergangsprozess dauert für mich irgendwo zwischen acht und zehn Jahren und muss sorgfältig geplant werden", sagt zum Beispiel Andreas Halle, Augenoptikermeister aus Dortmund, der seinen Betrieb in die Hände seiner Tochter legen möchte. Der heute 55-Jährige ist nur einer von vielen Handwerkern, die für ihr Unternehmen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen, aber eben schon fündig geworden sind. "Die größte Hürde für einen erfolgreichen Übergabeprozess ist nach wie vor das Finden qualifizierter Nachfolgerinnen und Nachfolger", sagt denn auch Rolf Papenfuss, Referatsleiter im Bereich der Gewerbeförderung im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Schätzung des handwerklichen Spitzenverbands Deutschlands geht davon aus, dass rund 125.000 Betriebe in den nächsten fünf Jahren eine neue Führungsspitze suchen.
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Ein Problem, das gerade in Zeiten des Fachkräftemangels immer drängender wird. Zumal der potenzielle Nachwuchs für eine Übernahme, die Jungmeisterinnen und -meister, oft genug abwinkt: Je nach Kammergebiet ist rund jeder fünfte Meisterbrief-Inhaber allein wegen der Bürokratie nicht gewillt, einen Betrieb zu führen.
Dabei hat gerade eine Betriebsübernahme einen entscheidenden Vorteil: Der Betrieb ist etabliert und viele der bei einer Neugründung erforderlichen bürokratischen Hürden fallen deshalb schon mal weg. Dennoch sind Hürden an der Tagesordnung. Ein Klassiker in Sachen Bürokratie ist der Datenschutz. Wer eine GmbH, also eine Kapitalgesellschaft, übernimmt, kann automatisch die Kundendatei für Marketingaktionen nutzen, im Falle einer Personengesellschaft müssen alle Kunden gefragt werden, ob der neue Inhaber die Daten so nutzen darf wie bisher.
Natürlich ist auch eine Übernahme genauso wenig ruckelfrei wie eine Neugründung. Worauf Übergeber wie Übernehmer achten müssen, zeigt ein Blick auf die Ursachen für das Scheitern eines Stabwechsels. Das fängt bei der Übergabefähigkeit des Betriebes an, geht über strukturelle Probleme des Betriebs oder des Standorts bis hin zu möglichen Auflagen technischer Art oder der Übernahme des kompletten Teams. Vor allem aber ist es die finanzielle Abwicklung, weil sich zwei Parteien konträr gegenüberstehen: Der eine will es zu einem möglichst hohen Preis verkaufen, die andere zu einem möglichst niedrigen Preis übernehmen.
Beratung durch Handwerksorganisation
Bewährt hat sich bei diesem Prozess das Beratungswesen der Handwerksorganisation. Bundesweit stehen rund 900 Berater und Beraterinnen der Handwerksorganisation parat. Sie führen jährlich fast 100.000 Betriebsberatungen durch – und jede Dritte befasst sich mit den Themen Existenzgründung und Betriebsübernahme. "Inzwischen richten viele Handwerksorganisationen Mediatorenstellen ein, die auch bei der Begleitung von Betriebsübernahmen eingesetzt werden, um das Erreichen einer Konfliktlösung noch effektiver zu unterstützen", führt der ZDH aus. Damit steht das Beratungswesen im Handwerk von der Suche der Nachfolge über die Unternehmensbewertung und Preisfindung bis hin zur konkreten Umsetzung der Übergabe Betroffenen zur Seite.
Entscheidend ist vor allem die faire Kaufpreisgestaltung. Hier hat sich der Bewertungsstandard der AWH (Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Berater im Handwerk) etabliert. Selbst der Fiskus erkennt das als branchenübliches Verfahren an.
"Wichtig ist, Betriebsübernahmen weiterhin als attraktive Gründungsform zu bewerben", sagt ZDH-Experte Rolf Papenfuss. Das hat wiederum auch damit zu tun, wie das Unternehmertum in der Gesellschaft gesehen wird. ZDH-Präsident Jörg Dittrich fordert auch eine positive Sichtweise der Selbstständigkeit, als Leistungsträger in der Ausbildung, im Schaffen von Werten und Sicherung des Sozialstaats durch die Steuern und Abgaben. Dann dürften Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber im Handwerk trotz der demographischen Entwicklung und des Fachkräftemangels es vielleicht einfacher haben, eine Nachfolge für sich zu finden.
Der Betrieb
Ist mein Betrieb tatsächlich übergabefähig? Das heißt, der Betrieb muss wirtschaftlich rentabel agieren und sollte auch im Vergleich zur Konkurrenz wettbewerbsfähig sein. Folgende Fragen muss daher jeder Betriebsinhaber mit Blick auf die Nachfolge selbstkritisch beantworten:
Wie ist es um die Zukunftschancen bestellt?
Passt die Rechtsform oder sind Anpassungen notwendig?
Habe ich ein wettbewerbsfähiges Produkt- und/oder Leistungsangebot?
Ist meine technische Ausstattung auf dem neuesten Stand?
Hat sich im Betrieb ein Investitionsstau gebildet?
Bietet mein Standort ausreichend Vorteile?
Habe ich eine stabile Kundschaft und ist sie weiter ausbaufähig? Wie ist es um den Umsatz und vor allem um die Rendite bestellt?
Habe ich ein qualifiziertes und motiviertes Team?
Habe ich einen guten Ruf bei unterschiedlichen Zielgruppen, von der Kundschaft über die Lieferanten bis hin zur Bank?
Einer für alle – die Regel gilt leider nicht. Jeder Betrieb muss individuell analysiert und beurteilt werden. Hilfe bei der Wertermittlung des eigenen Betriebes gibt es bei der Handwerkskammer, aber auch der Innung.
Die Nachfolge
Der Betrieb soll in gute Hände gelangen und braucht daher eine qualifizierte Führungskraft. Wie es um die Chefqualitäten bestellt ist, wird sich erst im laufenden Betrieb zeigen. Entscheidend aber ist, dass die Qualifikation stimmt: Ist Meisterpflicht vorgeschrieben, muss die Nachfolge über den Meistertitel verfügen oder aber einen Meister zusätzlich einstellen. Daher sollten Sie mit Blick auf die Nachfolge folgende Fragen stellen:
Verfügt er oder sie über die handwerksrechtlichen Voraussetzungen?
Wie ist es um das technische, aber auch das kaufmännische Wissen bestellt?
Ist er oder sie ein Cheftyp mit der entsprechenden Persönlichkeit?
Hat er oder sie ausreichend berufliche Erfahrungen gesammelt?
Hat er oder sie Personalführungsqualitäten?
Der Betrieb kostet Geld – hat er oder sie dafür die finanzielle Basis und auch noch Eigenkapital, um den Betrieb nach Gusto umzubauen?
Das Geschäft steht und fällt mit den Kontakten – hat er oder sie ein umfassendes Netzwerk?
Für die Nachfolge kommen drei Gruppen infrage: die Familie, das Team oder grundsätzlich Externe, wobei auch Teammitglieder zwar Externe sind, aber sie kennen den Betrieb, die Abläufe, die Kunden. Abhängig von der Nachfolge ergeben sich unterschiedliche steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, weil sich bei einer Übergabe innerhalb der Familie durch das Erbrecht oder einer Schenkung an Angehörige ein anderer Spielraum als bei Externen ergibt.
Die Finanzen
Die Finanzen meinen nicht nur den Preis für das Unternehmen und deren Finanzierung durch den Übernehmer, sondern auch die Altersabsicherung für den Übergeber oder die Übergeberin ebenso wie die steuerlichen Aspekte, die abhängig vom Nachfolger oder der Nachfolgerin sind. Folgende Fragen müssen Sie sich stellen:
Ist die Finanzierung durch den Übernehmer gesichert?
Wie sind Sie im Falle eines Zahlungsausfalls abgesichert?
Wie abhängig sind Sie von der finanziellen Regelung des Übernehmers oder können Sie unabhängig agieren?
Haben Sie – sofern vorhanden – Ihren Steuerberater in den Prozess einbezogen?
Welche steuerlichen Auswirkungen hat die Betriebsübergabe auf Sie auch und gerade mit Blick auf die Altersabsicherung (Einmalzahlung, regelmäßige Zahlungen/Rente)?
Haben Sie mit Blick auf eine Übergabe innerhalb der Familie erbschaftsteuerliche Aspekte oder Schenkungen berücksichtigt?
Der Prozess
Eine Übergabe erfolgt nicht von heute auf morgen, neben der Planung kommt zum Beispiel eine Einarbeitungsphase des Nachfolgers hinzu oder aber auch beratende Tätigkeiten nach erfolgter Übergabe.
In der Regel wird für eine sorgfältige Planung ein Zeitraum von fünf Jahren von den ersten Gedanken bis zur Übergabe gerechnet. Außerdem halten Berater bei einer Übergabe innerhalb der Familie noch den Tipp parat, dass Sie keine Generation überspringen sollten. Dem Enkel, der Enkelin mangelt es vielleicht an Erfahrung und sorgt bei den Kindern für das Gefühl, unberechtigterweise übergangen worden zu sein. Folgende Fragen sollten Sie sich dabei stellen:
Kann ich wirklich vom Betrieb loslassen – und zwar rechtzeitig?
Habe ich mit der Familie über den Schritt gesprochen und vielleicht darin sogar einen potenziellen Nachfolger beziehungsweise Nachfolgerin?
Habe ich mein Leben nach dem Betrieb schon geplant?
Wen kann ich für einen geregelten Ablauf mit ins Boot holen – Steuerberater, Unternehmensberater, Handwerkskammer, Innung?
Habe ich einen Plan B, wenn die Nachfolge im letzten Moment scheitert?
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