Arbeitsbuch zur Digitalisierung für die Schule von morgen
Mit dem Distanzlernen sind die Schüler von Detlef Steppuhn längst vertraut. Der Berufsschullehrer setzt digitale Konzepte und Medien schon viele Jahre im Unterricht ein. Seine Erfahrungen, Tipps und Tricks gibt er in einem Buch an andere Schulen weiter.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Digitale Medien in der Berufsausbildung
Das Erich-Gutenberg-Berufskolleg (EGB) braucht neue Fotos. Zwei Schülerinnen der eScouts und ein Lehrer treffen sich auf dem Schulhof. Die Aufnahmen werden von einer Drohne gemacht, die sie über eine VR-Brille steuern. Die Schülerinnen probieren die Technik aus. Sie finden eine spannende Funktion: Das Fluggerät lässt sich so einstellen, dass es einem folgt. Eine der beiden jungen Frauen rennt los. Sie versucht, die Drohne abzuschütteln. Es gelingt ihr nicht. Doch die wilde Hatz über den Schulhof bringt beide zum Lachen. "Schüler lernen besser, wenn es ihnen Spaß macht", weiß Detlef Steppuhn aus langjähriger Erfahrung. Welche Rolle die Digitalisierung dabei spielen kann, hat der Berufsschullehrer in seinem Buch "SmartSchool – Die Schule von morgen" festgehalten.
Seit 25 Jahren unterrichtet Detlef Steppuhn am EGB im Kölner Stadtteil Buchheim. Er gibt die Fächer IT-Systeme, Anwendungsentwicklung, Organisationslehre, Büroprozesse und E-Commerce. Zudem leitet er den Bereich neue Technologien und Medien. Distanzlernen gehört für seine Schüler längst zum Alltag. Sie kennen es als school@home. Das Konzept wurde vor circa fünf Jahren aus der Not eines Schülers heraus geboren. Trotz schwerer Erkrankung konnte er über Videokonferenz am Unterricht teilnehmen. "In der Wirtschaft ist es völlig normal, so zu kommunizieren. Deshalb haben wir school@home direkt im Rahmen von Projekttagen in der Berufsschule erprobt – erst bei den IT-Systemkaufleuten, danach bei den Kaufleuten für Büromanagement." Inzwischen ziehen auch andere Bildungsgänge wie etwa die Berufsfachschule oder die Höhere Handelsschule mit.
Azubis ziehen beim Distanzlernen mit
Das Corona-Virus hat die meisten Schulen kalt erwischt. Detlef Steppuhn konnte dank der Erfahrungen mit school@home weiterhin seinen Stoff vermitteln. "Ich habe etwa die E-Commerce-Kaufleute 13 Wochen lang komplett von zu Hause aus unterrichtet." Die Teilnahmequote der Auszubildenden habe in dieser Phase zwischen 95 und 100 Prozent gelegen. Was den Pädagogen besonders begeistert: "Die Schüler haben die Aufgaben im Klassenchat besprochen und ihre Lösungen präsentiert. Es ist toll, wie sie school@home adaptiert und umgesetzt haben."
Einige Schüler tauchen komplett ab
Das Distanzlernen habe aber auch seine Kehrseite. Vom nordrhein-westfälischen Schulministerium sei es nur als "begleitendes Lernen" eingestuft worden. Die fehlende Verbindlichkeit (Anwesenheitspflicht beim Homeschooling) habe dazu geführt, dass viele Schüler auch komplett untergetaucht seien oder nicht mehr erreichbar waren. Unabhängig davon, wie es mit der Pandemie weitergeht, habe das EGB beschlossen, möglichst viele Klassen mit dem school@home-Konzept vertraut zu machen. "In 80 bis 90 Prozent von ihnen könnten wir es umsetzen", ist er überzeugt. Dafür wurde zwischenzeitlich ein eigenes Smartphone-Konzept entwickelt.
Basiskomponenten einer SmartSchool
Die Digitalisierung macht alles smart – Telefone, Häuser, sogar ganze Städte. Nun müssen auch die Schulen folgen. Eine SmartSchool braucht einige Basiskomponenten. Für Detlef Steppuhn gehören dazu neben einer Lernplattform und schulweitem WLAN ein individuelles Fortbildungskonzept für die Lehrkräfte sowie technischer Support an der Schule. "Wenn eine App nicht läuft oder die interaktive Tafel zweimal nicht funktioniert, dann hören die meisten Lehrkräfte auf, digital zu arbeiten."
Um technische Probleme so schnell wie möglich zu lösen, hat das EGB ein eigenes Support-Team aufgebaut. Für diese zusätzliche Tätigkeit werden die Lehrkräfte mit Ermäßigungsstunden freigestellt. Tritt ein Fehler auf, wird ein Ticket erstellt. "Unser Support kann innerhalb von Stunden reagieren und das Problem beheben", erklärt Steppuhn. Dies ist an deutschen Schulen offenbar keine Selbstverständlichkeit. "Viele Schulträger lagern den Support an externe Dienstleister aus, was zu einem riesigen zeitlichen Verzug führt", weiß er aus leidiger Erfahrung.
Unterricht muss verändert werden
Genauso wichtig wie die Technik ist der Mensch. "An einer SmartSchool ändert sich der Unterricht. Die Lehrkräfte müssen reflektieren, wie sie digitale Medien so einsetzen können, dass ein größerer Lernerfolg als mit analogen Medien erzielt wird und die Schülerinnen und Schüler auch noch Spaß dabeihaben", erklärt Detlef Steppuhn. Dazu müssten viele Tools ausprobiert, aber auch eigene Materialien überarbeitet werden. "Die Schulbuchverlage sind derzeit keine große Hilfe. Digitalisierung ist halt mehr als ein Buch als PDF herauszugeben", kritisiert der Berufsschullehrer.
Schulleitung sollte Umbruch nicht verordnen
Bis sich ein Kollegium auf die neuen Möglichkeiten der Wissensvermittlung einlässt, kann einige Zeit verstreichen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe die stetige Verjüngung des Lehrkörpers am Erich-Gutenberg-Berufskolleg dafür gesorgt, "dass wir nicht mehr fragen, ob wir mit Digitalisierung arbeiten wollen, sondern nur noch wie". Inzwischen kämen viele auf eigene Ideen, so etwa der Sportlehrer, der während der Corona-Krise am Abend eine virtuelle Sportstunde fit@home angeboten hat. Der Schulleitung kommt beim Umbruchprozess eine wichtige Rolle zu. Digitalisierung dürfe nicht von ihr verordnet werden. "Dann wächst im Kollegium eher der Widerstand." Aus Steppuhns Sicht ist es hilfreicher, Lehrkräfte zu fördern, die etwas bewegen wollen.
Detlef Steppuhn im Bitkom-PodcastDer Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien – kurz Bitkom – beleuchtet in einem Podcast, wie es um die digitale Bildung in Deutschland bestellt ist. Gäste der ersten Sendung "Bitkoms große Pause" waren Detlef Steppuhn und die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Katja Suding. Neue Technologien verändern den Alltag. Schule sollte sich dafür öffnen. "Alle Lehrer und Schüler nutzen privat ein Smartphone. Warum setzt man es dann nicht auch im Unterricht ein?", fragt sich Detlef Steppuhn. Er nennt es eine Allzweckwaffe, die als Internetzugang, Recherchetool, Kamera und Taschenrechner und vieles mehr gebraucht werden kann. Sie kann jedoch auch missbraucht werden, etwa um andere Schüler zu mobben. "Über die Schattenseiten der Digitalisierung sprechen wir natürlich auch im Unterricht und wägen im Kollegium die Chancen gegen die Risiken ab", versichert er. Als Beispiel führt er die sogenannten Wearables an. "Mit einer Smartwatch können die Schüler auch während einer Prüfung auf Dokumente im Internet zugreifen." Statt sie zu verbieten, überlege man am EGB, wie man Klassenarbeiten stellen kann, in denen das Internet eine Prüfungskomponente ist.
Zum Tesla reicht es noch nicht
Mit seinem Buch verfolgt Detlef Steppuhn zwei Ziele. Zum einen möchte er Interesse für die Digitalisierung wecken und Mut machen. Die Schulen sollen sich Tipps und Tricks aus dem Ratgeber herauspicken, um erste Schritte auf dem Weg zur SmartSchool gehen zu können. "Man kann beispielsweise mit school@home an einem Projekttag in einer Klasse starten und wenn es funktioniert, auf weitere Tage oder Klassen ausweiten." Je mehr Exemplare des Buches verkauft werden, desto näher kommt er seinem zweiten Ziel. "Das Schönste wäre, wenn ich mir von den Erlösen einen Tesla kaufen könnte", sagt er lachend. Zurzeit sieht es aber nicht danach aus. "Ich habe gerade mal genug Geld für den linken Außenspiegel zusammen." Man möchte ihm wünschen, dass er sich bald auch den Rest leisten kann.
Schnell bestellt in der Verlagsanstalt"SmartSchool – Die Schule von morgen" ist bei Springer Fachmedien erschienen. Das Buch kostet 20,44 Euro und kann auch über die Verlagsanstalt Handwerk bestellt werden. Die Bestellung nimmt Michael Sasse telefonisch unter 0211/39009-26 oder per E-Mail entgegen. Das Buch von Detlef Steppuhn kann aber auch online geordert werden.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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