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Kein Mehrwert ohne Qualität

Der Einsatz digitaler Medien in Schule und Ausbildung darf kein Selbstzweck sein. Lehrer und Ausbilder müssen sorgfältig prüfen, wie sie Smartphone, Tablet und Apps sinnvoll einsetzen können.

Jetzt werden endlich alle schlauer! Die Schulen schaffen haufenweise Tablets an. Die Schüler nutzen ihr Smartphone auch für den Unterricht. An den Einsatz digitaler Medien sind hohe Erwartungen geknüpft. Doch Karl-Heinz Gerholz tritt auf die Euphorie-Bremse. "Digitale Medien alleine verändern nicht das Lernen", meint der Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität Bamberg, "aber sie erweitern die Möglichkeiten, Lernprozesse zu unterstützen und berufliche Handlungskompetenz zu fördern."

Er listet eine Reihe guter Argumente auf: Materialien können auf Lernplattformen hochgeladen werden, so dass Schüler immer und überall auf sie zugreifen können. Die Kooperation lässt sich verbessern, indem sich Lerngruppen über soziale Medien wie WhatsApp organisieren und die Mitglieder verabreden, ortsunabhängig gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten. Lerninhalte können über Virtual und Augmented Reality stärker visualisiert werden. "All dies ist möglich, aber wenn die didaktische Qualität fehlt, bringt auch das Lernen mit digitalen Medien nicht unbedingt einen Mehrwert."

Akzeptanzprobleme vermeiden

Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt und damit auch die Berufsausbildung verändern. Gerholz macht dies am Beispiel des Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerks fest. Schon jetzt könne die geplante Modernisierung eines Bades beim Kunden mit einer Augmented-Reality (erweiterte Realität) veranschaulicht und das Angebot direkt auf dem Tablet erstellt werden. "Die Lehrkräfte müssen diese neuen betrieblichen Anforderungen kennen, sie mit Hilfe digitaler Medien didaktisch modellieren und realistische Lernsituationen daraus entwickeln." Alles andere führe zu Akzeptanzproblemen. "Wird das Tablet nicht so eingesetzt, wie die Auszubildenden es brauchen, dann sehen sie darin auch keinen Nutzen."

Um die digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen, müsse deshalb die Lernortkooperation zwischen berufsbildenden Schulen und Betrieben "neu erweckt" und jeder einzelne Bildungsgang einem Digitalisierung-Check unterzogen werden. Außerdem rechnet der Wissenschaftler der Uni Bamberg damit, dass auch zwischen den Schulen berufsübergreifend mehr passieren dürfte, da vor allem in der Industrie kaufmännische und technische Prozesse immer stärker ineinandergreifen.

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Individuellere Förderung

Die Digitalisierung könnte den Unterricht verändern. Elektronische Lernplattformen und digitale Sammelmappen (E-Portfolios), in denen die Schüler ihre Materialien aufbewahren, ermöglichen eine individuellere Förderung. "So lässt sich von den Lehrkräften nachvollziehen, wo Aufgaben gut gelöst worden sind oder an welcher Stelle nachjustiert werden muss." Dies setze aber voraus, dass die Lehrkräfte den Unterricht anders planen.

"Mit digitalen Medien gewinnen wir Flexibilität bei der Förderung des Einzelnen, aber dazu müssen die Lehrerinnen und Lehrer auch entsprechende Aufgaben auf die Lernplattformen hochladen, die je nach Lernstand von den Schülerinnen und Schülern abgerufen werden können." Pädagogen nähmen in diesem Prozess eine andere Position ein – weg vom reinen Wissensvermittler, hin zum flexiblen Lernbegleiter. "Dies wird schon seit 30 Jahren gefordert, aber mit den digitalen Medien bietet sich die Chance für einen neuen Anlauf."

Auch beim Schulbuch dürfte nicht alles so bleiben, wie es ist. Karl-Heinz Gerholz geht davon aus, dass es in seiner Funktion als "inhaltliche kompetenzbasierte Begleitung" erhalten bleibt. Doch es wird seine Form ändern. Der Wissenschaftler ist überzeugt davon: Mittel- bis langfristig weicht die papierbasierte Version einer mit Lern-Apps, interaktiven Grafiken oder Filmen angereicherten, digitalen Fassung.

Fortbildungspakt erforderlich

Neben der didaktischen Qualität werden auch die technischen Rahmenbedingungen entscheidend sein, ob der Einsatz digitaler Medien gelingt. Da ist zum einen die Hardware. Gerholz würde es den Schulen überlassen, ob sie selbst Tablets anschaffen oder ob Lehrkräfte und Schüler ihre eigenen Geräte nutzen. Hinzu kommt, dass die Unterrichtsmaterialien in einer Cloud speicherbar sind, auf die alle jederzeit zugreifen können.

Mit dem Aufbau einer zuverlässigen IT-Infrastruktur sei aber auch die Frage des Supports verknüpft. Der Wissenschaftler der Uni Bamberg bemängelt, dass "derzeit zwar viel Geld in die technische, aber nicht genügend in die personale Ausstattung gesteckt wird". Zusätzlich zum Digitalpakt Schule sei deshalb auch ein Fortbildungspakt nötig. Karl-Heinz Gerholz hofft, "dass die Qualifizierungen für Lehrkräfte dann auch bereichsspezifisch sind, weil Installateure oder Maler anders unterrichtet werden als Industriekaufleute oder Industriemechaniker".

Text: / handwerksblatt.de

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