Eine Bereicherung für das Handwerk
Vor drei Jahren ist Ramadan Othman aus Syrien geflohen. Jetzt macht er eine Ausbildung im Friseursalon von Heidi Gravius in Saarbrücken – und hat im ersten Lehrjahr schon eigene Stammkunden.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Geflüchtete: Willkommen im Handwerk!
"Es geht ihm manchmal zu langsam. Er würde gerne schneller lernen", sagt Heidi Gravius mit einem Blick auf ihren Auszubildenden. Ramadan Othman hat letzten Oktober die Ausbildung als Friseur begonnen, und kann schon auf einige Erfolge zurückblicken: Beim saarlandweiten Lehrlingswettbewerb hat er den dritten Platz belegt und im Salon bedient er bereits eigene Stammkunden. Seit der 29-jährige Kurde bei Gravius beschäftigt ist, bietet sie Rasur, Gesichtsmassage und das Zupfen der Augenbrauen mit dem Faden an. Das wird gerne angenommen. "Die Kunden vertrauen Ramadan, weil er sympathisch und aufmerksam ist", sagt Gravius. Und sie freue sich, dass sie ihre Angebotspalette erweitern konnte.
Ramadan Othman ist seit drei Jahren in Deutschland. In Damaskus habe er zwei Geschäfte für Kinderbekleidung besessen, deshalb habe er Erfahrung darin, mit Kunden umzugehen, sagt er. Im Krieg habe er alles verloren, sei im Lkw über die Türkei nach Deutschland. Seine Familie ist in alle Winde verstreut: Die Mutter und eine Schwester leben im Irak, ein Bruder ist in Syrien geblieben, ein anderer wohnt in der Türkei, eine Schwester in Holland und ein Bruder ganz in seiner Nähe. Auch die Tante lebt seit 15 Jahren mit Mann und Kindern in Deutschland. Ohne die Angehörigen wäre es schwer gewesen, sich an die Kultur in Deutschland zu gewöhnen, aber so sei es kein Problem, sagt Othman. "Die Deutschen sind nett und hilfsbereit", fügt er hinzu.
Begeistert vom Beruf als Friseur
Er kam in Trier an, von dort aus ging es für ihn nach Dortmund, später nach Brühl bei Köln, wo er seine Aufenthaltserlaubnis erhielt, dann ist er nach Saarbrücken gezogen, weil seine Tante in der Nähe wohnt. Fünf Monate hat es gedauert, bis sein Antrag auf Asyl bewilligt worden ist. In Brühl habe ihm eine ältere Frau geholfen, erinnert er sich. Sie habe Formulare erklärt, seine Papiere geordnet und ihm ein paar Worte Deutsch beigebracht, bevor er den ersten Sprachkurs belegen konnte. Auch im Jobcenter hatte er Glück. Man habe ihn gefragt, für welchen Beruf er sich interessiere, erzählt Othman. Für Friseur habe er sich entschieden, weil er die Arbeit möge und in Syrien bereits ein wenig Erfahrung gesammelt habe.
Begeistert von seinem Engagement hat sich der Berater ganz besonders für Ramadan Othman eingesetzt. Da er befürchtete, die Bewerbungsunterlagen des jungen Mannes seien ohne Zeugnisse und Arbeitsproben nicht aussagekräftig genug, hat er bei Heidi Gravius angerufen, von der er wusste, dass sie einen Auszubildenden suchte, und sie darum gebeten, persönlich mit Ramadan Othman vorbeikommen zu dürfen, damit sie sich ein besseres Bild von dem Bewerber machen könne.
Offen gegenüber anderen Kulturen
Zunächst sei sie unsicher gewesen: "Er kommt aus einer anderen Kultur und ich kannte niemanden von dort." Wie würde es für einen muslimischen Mann sein, mit einer Chefin zu arbeiten, habe sie sich gefragt. Allerdings habe sie bereits eine Kollegin aus Nigeria gehabt und sei Menschen aus anderen Kulturen gegenüber offen und aufgeschlossen. Als Ramadan Othman dann vor ihr stand, habe er durch seine gewinnende Art sofort gepunktet, erzählt sie, und sie habe den Ausbildungsvertrag mit ihm geschlossen. "In den drei Monaten Probezeit lernt man jemanden kennen und kann beurteilen, ob er für den Beruf geeignet ist", sagt Gravius. In der Schule habe er manchmal noch Probleme mitzukommen, was vor allem an der Sprache liege, räumt Othman ein. Doch Heidi Gravius ist zuversichtlich: "Ich denke, hier bei der Arbeit lernt er die Sprache schneller. In der Praxis ist er super und die Theorie bereiten wir hier nach. Wir haben drei Jahre Zeit, das schaffen wir auf jeden Fall."
Die Friseurmeisterin beschäftigt fünf Mitarbeiter, zwei davon sind Azubis, und der Umgang ist eng und familiär. Die Kollegen gehen hin und wieder zusammen essen, demnächst heiratet eine Mitarbeiterin, dann erlebt Ramadan Othman seine erste deutsche Hochzeitsfeier. Im Gegenzug hat seine Tante einmal den ganzen Salon zum Essen eingeladen. "Wir mussten zueinanderkommen", meint Gravius. "Das hat sofort gepasst." Sie glaubt, Geflüchtete können eine große Bereicherung für Handwerkszweige sein, in denen es an Nachwuchs fehlt. "Wir lernen voneinander", sagt sie. Vor ein paar Jahren hat sie bereits eine junge Frau aus der Ukraine ausgebildet, die damals nur aufgrund des Ausbildungsvertrags in Deutschland hatte bleiben dürfen. Auch sie sei sehr ehrgeizig gewesen, erinnert sich Gravius. Später habe sie den Meister gemacht, lebe und arbeite jetzt in der Schweiz. Wer die Ausbildung wirklich machen wolle, wie diese junge Frau oder Ramadan Othman, bekäme von ihr auf jeden Fall eine Chance, sagt Heidi Gravius.
Integrationsprojekte der Handwerkskammer: Die Handwerkskammer des Saarlandes hat 2015 ein Maßnahmenpaket mit dem Titel "Willkommen im Handwerk" geschnürt, das seitdem schrittweise umgesetzt wird. Zunächst hat die Kammer einen Sprachkurs für 20 Geflüchtete gestartet, der bis Ende November letzten Jahres dauerte. Einige Teilnehmer haben im Anschluss in Handwerksbetrieben hospitiert. Auch ein "Speed-Dating Handwerk" hat die Kammer organisiert, bei dem ausgewählte Betriebe und Flüchtlinge aus der jeweiligen Kommune einander kennenlernen konnten. Darüber hinaus soll demnächst ein Flüchtlingscoach bei der Kammer die Schnittstelle zwischen Flüchtlingen und Handwerk bilden. Er wird der Ansprechpartner für Flüchtlinge oder Betriebe sein, wenn um Ausbildung, Beschäftigung oder Praktika geht. Derzeit erstellt die Kammer eine Datenbank zur Vermittlung von Flüchtlingen. Betriebe, die Interesse haben, Geflüchtete auszubilden oder zu beschäftigen, können sich aufnehmen lassen. Ansprechpartner zum Thema ist Dr. Justus Wilhelm, Bereichsleiter Ausbildung, Tel.: 0681 5809-115, Fax: 0681 5809 222115, E-Mail: j.wilhelm@hwk-saarland.de.
"Wir haben eine bereichsübergreifende Taskforce im Hause eingerichtet, die regelmäßig ihre Aktivitäten abstimmt und die durchaus zahlreichen Anfragen von Flüchtlingen, ehrenamtlichen Helfern, Partnerorganisationen und insbesondere unseren Mitgliedsbetrieben beantwortet", sagt Wilhelm
Text:
Melanie Dorda /
handwerksblatt.de
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