Am Telefon sollte man nicht ins Plaudern geraten. Vermeiden Sie alles, was man Ihnen später als Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten Ihres Kunden auslegen könnte.

Am Telefon sollte man nicht ins Plaudern geraten. Vermeiden Sie alles, was man Ihnen später als Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten Ihres Kunden auslegen könnte. (Foto: © auremar/123RF.com)

Vorlesen:

Was tun, wenn der Kunde nicht zahlt?

Eine Expertin erklärt, wie Handwerker doch noch ihr Geld von säumigen Schuldnern bekommen – oder erst gar nicht darauf warten müssen.

Hand aufs Herz: Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Und sind Sie sicher, dass diese noch flüssig genug sind, Ihren aktuellen Auftrag zu bezahlen? Grund zur Sorge gibt es, denn immer mehr Unternehmen und Privatleute geraten derzeit in eine finanzielle Schieflage. Im September 2024 stieg die Zahl der Firmenpleiten um satte 13,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilt; bei den Verbraucher-Insolvenzen waren es sogar 18 Prozent. Folglich sollte jeder Handwerker darauf achten, dass sich seine laufenden Aufträge später auch positiv auf dem Kontostand niederschlagen. Doch woran merkt man, dass ein Kunde finanziell wackelig wird – und was sollte man dann tun?

Rechtsanwältin Kirsten Wilczek ist spezialisiert auf Insolvenzrecht und unterscheidet dabei, ob man es mit einem Neukunden, einem alten Bekannten oder einem Kunden zu tun hat, der bereits offen in der Krise steckt. Dementsprechend gibt es verschiedene Wege, wie der Handwerker reagieren sollte. Wobei eines sicher ist: Untätig bleiben sollte man auf keinen Fall, denn sonst geht man womöglich leer aus.

Wie man richtig mahnt

Ist eine Zahlung ausgeblieben, sollte man den Kunden in Verzug setzen, beispielsweise mit einer Mahnung (eine rechtssichere Formulierung finden Sie unten). In vielen Fällen ist eine solche Zahlungsaufforderung allerdings gar nicht nötig. Die Juristin erklärt dazu: "Der Verzug tritt bei Geschäftskunden ohne Mahnung nach Ablauf von 30 Tagen ein, das sagt § 286 Abs. 3, 1. Halbsatz BGB. Ist der Kunde Verbraucher, also Privatperson, ist eine Mahnung entbehrlich, wenn in der Rechnung steht, dass der Betrag nach 30 Tagen zahlbar ist."

Wobei private Kunden nach Erfahrung der Anwältin, die viele Handwerker berät, in der Regel gut und pünktlich zahlen. Nicht hoch im Kurs beim Handwerk stehen ihrer Erfahrung nach jedoch Bauträger, denn deren Pleiten hätten schon etliche Handwerksbetriebe mit sich in den Abgrund gerissen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eine einzige Mahnung genügt!

Was aber ist zu tun, wenn trotz Mahnung kein Geld fließt? "Reagiert der Kunde nicht auf die Mahnung, müssen Sie nicht erneut mahnen!" betont Wilczek: "Offenbar existiert bei vielen der Irrglaube, dass man mindestens dreimal mahnen muss, bevor der Kunde in Verzug kommt. Es genügt aber, den Kunden einmal in Verzug zu setzen. Bitte keine drei bis x Mahnstufen einrichten!" Denn zum einen verlasse sich der Kunde womöglich darauf und passe seine Zahlungsmoral der Geduld des Gegenübers an. 

Zum anderen könne im Falle der Pleite des Kunden der Handwerker bei einer Insolvenzanfechtung (siehe dazu den Infokasten unten) in Schwierigkeiten kommen: Ein wiederholtes Mahnen könnte als Indiz für die Kenntnis von den Zahlungsproblemen des Kunden gewertet werden.

Muster für eine rechtssichere Mahnung"Mahnung – Rechnungsnummer: KW-4711 
Sehr geehrte Frau …/sehr geehrter Herr …
hiermit fordere ich Sie unter Fristsetzung bis zum __________ (Datum) auf, die Rechnung vom __________ (Datum) mit der Kunden-/Vertrags-/Rechnungsnummer (angeben) in Höhe von ________ EUR (angeben) auf das nachbenannte Konto zu zahlen. Sollte die Frist fruchtlos verstreichen, behalte ich mir vor, Zinsen zu berechnen und eine/n Rechtsanwalt/-wältin oder ein Inkassobüro mit dem Forderungseinzug zu beauftragen. Die entstehenden Mehrkosten sind Bestandteil des Verzugsschadens und daher von Ihnen zu tragen. 
Unterschrift"
Text: Rechtsanwältin Kirsten Wilczek

Neue Zahlungsziele für Lieblingskunden

Bei Geschäftspartnern, die man als zuverlässig kennt, kann man auch kooperativer vorgehen: "Offenbart der bisher verlässliche Lieblingskunde Ihnen, dass er einen Liquiditätsengpass hat und bittet und um ein neues Zahlungsziel, kann man beispielsweise 60 Tage anstatt 30 Tage vereinbaren", weiß die Anwältin. Zahle der Kunde dann später, habe man nichts falsch gemacht – sogar, wenn er später insolvent werde. Will man von dem säumigen Kunden weiterhin neue Aufträge annehmen, sollte man für diese am besten Vorkasse vereinbaren.

Keinen Ersatz akzeptieren!

Auf keinen Fall sollte man eine Ersatzleistung anstelle von Geld akzeptieren, wenn man die Insolvenznähe des Kunden greifen könne – etwa, weil er sich selbst offenbart habe, dem Geschäftspartner aber vor dem Insolvenzantrag noch was Gutes tun wolle. "Wenn er Ihnen also anstatt Geld einen LKW anbietet, lehnen Sie dankend ab", rät Anwältin Wilczek, "denn das ist eine inkongruente Deckung und die ist nicht anfechtungsfest. Der LKW hängt an einem unsichtbaren Seil, das Insolvenzanfechtung heißt."

Klärt sich die Situation auch jetzt noch nicht, sind weitere rechtliche Schritte vonnöten. "Bei einem säumigen Kunden, der kein Key-Account ist, würde ich sofort über Mahnbescheid oder Klage einen Titel erwirken und vollstrecken lassen, wenn er grundlos nicht zahlt", rät Wilczek. "Es ist aber immer eine Einzelfallbetrachtung und hängt von den Erfahrungen ab, die man selbst oder andere mit diesem Kunden gemacht haben."

Auf der Hut sein vor Hütchenspielern

Leider gebe es auch zahlungsunwillige Kunden – sie nennt sie die Hütchenspieler – die davon lebten, dass sie möglichst lange mit dem Geld der anderen arbeiten. "Der Aufschub ist ja wie ein Kontokorrent, den man ihnen gibt", so die Anwältin. "Das ist zum Glück die Ausnahme, aber es gibt diese Kunden; die machen auch gerne eine neue Firma auf, wenn sie die alte vor die Wand gefahren haben, und ändern nur ihren Namen, aber nicht das Geschäftsgebaren."

Bauhandwerker sind übrigens besser vor Forderungsausfällen geschützt als die anderen Handwerker, denn sie haben gute gesetzliche Absicherungsmöglichkeiten, wie etwa die Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 650e BGB) oder die Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB). "Daher sollte man sofort zum Fachanwalt für Baurecht gehen, wenn der Auftraggeber nicht zahlt und Mängel vorschiebt", rät die Juristin. "Wer die Schutzmöglichkeiten nicht nutzt, hat geschlafen." 

Die Vollstreckung durchziehen!

Wird die Situation ernster, sollte man am Ball bleiben und nicht einknicken. "Haben Sie einen Titel, aus dem Sie vollstrecken können, drohen Sie die Vollstreckung nicht nur an, um Druck zu erzeugen, sondern ziehen Sie die Nummer durch!" rät Anwältin Wilczek, "Vollstreckung sollte kein bloßes Druckmittel sein." Wolle der Kunde in dieser Situation noch etwas drehen, sollte man sich nicht darauf einlassen. Denn unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung freiwillig geleistete Zahlungen seien in der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter angreifbar, so die Expertin.

Auch eine Ratenzahlung an den Gerichtsvollzieher könne problematisch sein. "Weisen Sie den Gerichtsvollzieher besser an, keine Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner zu treffen, wenn Sie fürchten, dass dessen Insolvenz drohen könnte. Denn die geleisteten Raten könnten – je nach Nähe zum Insolvenzantrag des Kunden – anfechtbar sein."

Niemals mit Insolvenzantrag drohen!

Dass ein Kunde wirklich in der Krise steckt und ihm eine Insolvenz bevorsteht, kann man anhand verschiedener Alarmzeichen – wie etwa Rücklastschriften – erkennen (Details siehe Infokasten unten). Niemals sollte man als Gläubiger mit einen Insolvenzantrag drohen oder ihn gar selbst stellen, warnt Anwältin Wilczek. Denn es lohne sich nicht. "Drohen Sie schriftlich und der Kunde zahlt unter Ihrem Druck, nützt Ihnen das nichts, wenn bald danach ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die Zahlung ist anfechtungsgefährdet. Zahlt er nicht und Sie stellen den Antrag, kann das teuer werden." Denn werde das Verfahren mangels Masse abgewiesen, bleibe der Antragsteller am Ende auf den Gerichtskosten – unter anderem für den vom Gericht bestellten Gutachter – sitzen. Denn der Antragsteller ist Gerichtskostenschuldner. 

Alarmzeichen, dass der Kunde in der Krise steckt• Nichteinhalten von Zahlungszusagen
• Rücklastschriften mangels Deckung
• Ausbleiben von vereinbarten Raten
• Verkürzter Zahlungsweg durch Direktzahlungen vom Debitor (Kunden des Geschäftspartners)
• Limitstreichung oder -kürzung bei Warenkreditversicherern
• Sprunghaftes Ansteigen der offenen Verbindlichkeiten
• Zahlungen kommen von Dritten (etwa Tochtergesellschaften)
• Ständige Mahnungen mit Steigerung der Mahnstufe
• Durchführung oder Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
• Drohungen mit einem Insolvenzantrag
Quelle: Rechtsanwältin Kirsten Wilczek 

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat eine kostenlose Broschüre herausgegeben, die Handwerksbetrieben hilft, die Situation richtig einzuschätzen und nützliche Maßnahmen zu ergreifen.

Wie man eine Insolvenzanfechtung vermeidet

Stattdessen ist bei einem riskanten Kunden kluges Handeln gefragt, um das Geld nicht nach einer Insolvenzanfechtung zurückzahlen zu müssen (Details siehe Infokasten unten). "Vermeiden Sie alles, was man Ihnen später als Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten Ihres Kunden auslegen könnte", betont die Expertin. Gerade im Kontakt mit dem Geschäftspartner sollte man nicht ins Plaudern geraten: "Wenn Sie zum Hörer greifen, sagen Sie direkt vorneweg: ‚Sie müssen Ihr Herz nicht ausschütten und auch die Hose nicht runterlassen. Ich biete Ihnen Ratenzahlung an. Wie sollen die Raten gestaltet sein, damit Sie nicht in Schwierigkeiten kommen?‘"

Das offene Gespräch sei nur angezeigt, wenn man sicher sein könne, dass es vertraulich bleibe. Vermeiden sollte man auch eine bestätigende E-Mail, aus der der Insolvenzverwalter die Kenntnis der Krise ablesen könne ("… bestätige mein Einverständnis mit Ihrer angebotenen Teilzahlung, um Ihnen in schwieriger Lage entgegenzukommen ...") Wilczek warnt: "Sprechen Sie vor allem mit dem Geschäftsinhaber oder Geschäftsführer unmittelbar, nicht mit der Buchhaltung! Denn die muss in einer Insolvenz mit dem Verwalter zusammenarbeiten und bestätigt im Zweifel Ihre besorgten täglichen Telefonate, Klage- und Vollstreckungsandrohungen – alles Indizien dafür, dass Sie von der Zahlungsunfähigkeit gewusst haben müssen."

Mit anderen Worten: Man sollte zwar alles über seinen Kunden wissen, aber man sollte nicht dokumentieren, dass man es weiß!

Was ist eine Insolvenzanfechtung?
Bei der Pleite eines Kunden besteht die Gefahr der Insolvenzanfechtung: Der Insolvenzverwalter kann bereits erfolgte Zahlungen zurückfordern. Dafür muss er dem Gläubiger aber nachweisen, dass der die Zahlungsunfähigkeit des Kunden kannte. Durch das sogenannte Bargeschäftsprivileg ist eine Anfechtung nahezu ausgeschlossen, wenn Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erfolgen.
Ratenzahlungen außerhalb der Vollstreckung sind zunächst nicht anfechtungsrelevant. Der Gesetzgeber hat 2017 in §133 III 2 InsO festgelegt: Bei Vereinbarung einer Ratenzahlung wird vermutet, dass man bei deren Abschluss die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Der Bundesgerichtshof (BGH) kam im Nachgang mit einem "Aber" daher: Die Zahlung bleibt anfechtbar, wenn der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Indizien für die Kenntnis: Raten werden nicht oder zu spät gezahlt, plötzliche Barzahlung, der Kunde bittet ausdrücklich um Ratenzahlung, weil er sonst pleite ist.

Wie kann man seine Forderungen absichern? Neben den im Text geschilderten Maßnahmen gibt es eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, für Handwerker, sich vor einem Forderungsausfall zu schützen:

1.Bonitätsauskunft über den Kunden beim Handels- und Unternehmensregister, einer Wirtschaftsauskunftei oder beim Schuldnerverzeichnis einholen.
2. Nicht nur bei größeren Projekten sollte man Vorkasse nehmen, wenigstens in Höhe der Materialkosten! Regelmäßige Akonto-Zahlungen sollten ebenso zur Routine gehören.
3. Immer einen Eigentumsvorbehalt über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbaren. Die AGB sollte man regelmäßig aktualisieren.
4. Bankbürgschaft einfordern. 
5. Unternehmerpfandrecht an hergestellten oder ausgebesserten Sachen ausüben.
6. Für Lieferanten, etwa von Bauhandwerkern, gilt: Bei Dreierkonstellationen sollten Sie Kongruenzvereinbarungen schließen, wenn Ihr Kunde wackelig ist. Damit können Sie anstatt an den Kunden direkt an den Bauherrn liefern, der dann die Rechnung zahlt. Die Formulierung lautet: "Material wird beigestellt vom Bauherrn".
7. Je nach Größe des Geschäfts kann es sich lohnen, eine Warenkreditversicherung abzuschließen. 
8. Insolvenzbekanntmachungen beobachten über das Portal insolvenzbekanntmachungen.de
9. Eine Inkassofirma beauftragen.
10. Forderungsverkauf (Factoring): Sie müssen sich nicht mehr um die Beitreibung des Geldes kümmern, das Factoring-Unternehmen übernimmt das Insolvenzrisiko. Das kostet zwar, aber kann sich rechnen. Es gibt Einzelfall-Factoring und Factorer, die ein extra auf Handwerker zugeschnittenes Angebot haben. 
             Quellen: Rechtsanwältin Kirsten Wilczek; ZDH

Die Berater in den Handwerkskammern helfen Ihnen bei Rechtsfragen gerne weiter!

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: