Diesel-Skandal: Schadensersatz gibt es auch bei Rückgaberecht
Wer einen Schummel-Diesel über einen Darlehensvertrag mit Rückgabeoption finanziert hat, kann trotzdem Schadensersatz verlangen. Vorausgesetzt, dass er von diesem Rückgaberecht keinen Gebrauch gemacht hat.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Käufern von Skandal-Dieseln, die ihr Auto über einen Darlehensvertrag mit Rückgabeoption finanziert haben, kann dennoch Schadensersatz zustehen, wenn sie die Option nicht genutzt haben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Der Fall
Es ging um einen Audi A6 mit einem Motor Typ EA897, der wegen einer illegalen Abschalt-Software vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufen worden war. Der Käufer hatte das Kfz über ein Darlehen der Audi-Bank finanziert. Im Darlehensvertrag war ein Rückgaberecht verankert. Dieses Recht gibt Kunden die Möglichkeit, das Auto mit Fälligkeit der Schlussrate zu einem festen Preis an den Händler zurückzuverkaufen. Der Käufer hatte davon aber keinen Gebrauch gemacht und alle Raten gezahlt. Das Software-Update ließ er aufspielen. Nun verlangt er Schadensersatz.
Dass Autos mit Abschalteinrichtungen die Käufer vorsätzlich sittenwidrig schädigen, hatte der BGH schon im Mai 2020 entschieden. Grundsätzlich habe jeder Käufer eines Schummel-VW Anspruch auf Ersatzlieferung oder Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Wegen der Abschaltsoftware stoßen die Fahrzeuge in Testsituationen weniger Schadstoff aus als im tatsächlichen Straßengebrauch. Das ist laut BGH eine sittenwidrige Täuschung der Käufer. Das Gericht hatte jüngst in einem anderen Fall entschieden, dass auch Audi haftet, aber nur in Bezug auf den VW-Motor EA189.
Der Autobauer hatte hier argumentiert, dass der Käufer keinen Schaden erlitten habe. Denn er habe durch die Zahlung aller Raten das Fahrzeug freiwillig übernommen anstatt es zum Ende der Vertragslaufzeit zurückzugeben. Der Mann hätte das Auto nicht behalten müssen, er habe sich aber bewusst dafür entschieden. Verlange er nun Schadensersatz, verhalte er sich widersprüchlich.
Das Urteil
Die BGH-Richter sahen das anders als Audi und die Vorinstanz: Sie gaben dem Käufer Recht. Dass er sein vertragliches Rückgaberecht nicht nutzte, lässt seinen Schaden nicht entfallen, so das Urteil. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kunde den Kaufvertrag bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen. Der Schaden liege daher "in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung". Dass er das Darlehen ablöste und das Fahrzeug nicht zurückgab, mache diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Das sei keine Zustimmung zu dem ungewollten Vertragsschluss, stellte der BGH fest.
Auch die Rechtsprechung zum Leasing sei auf derartige Fälle nicht übertragbar: Die Darlehensraten seien keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit, wie es beim Leasing der Fall sei.
Ob Audi hier wegen sittenwidriger Schädigung haftet, blieb allerdings offen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte sich wegen seiner Einschätzung zum Rückgaberecht gar nicht mit einer möglichen Haftung von Audi auseinandergesetzt. Der BGH konnte diese Frage deshalb keine Rolle spielen. Der Fall muss nun vom OLG Celle neu verhandelt werden, denn der BGH hat dessen Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2021, Az. VII ZR 389/21
Paukenschlag für Diesel-Käufer Am 25. Mai 2020 entschied der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19): Der Käufer eines VW mit Schummel-Software darf seinen Wagen zurückgeben und erhält einen großen Teil seines Kaufpreises zurück. Der Bundesgerichtshof hat damit ein wegweisendes Urteil im Dieselskandal gefällt. > Hier mehr lesen! DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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