Deutsche "Sammelklage light" beschlossen
Jetzt ist sie da: Die lang erwartete Musterfeststellungsklage. Am 1. November tritt das Gesetz in Kraft. Das Handwerk sieht jedoch eine Chance verpasst.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Der Bundestag hat am 14. Juni in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Einführung einer Musterfeststellungsklage beschlossen. Verbraucherschützer fordern die Einführung dieses kollektiven Rechtsschutzes schon lange, der Dieselskandal gibt der Sache nun Rückenwind. Denn bisher haben Kunden nur die Möglichkeit, Unternehmen einzeln zu verklagen und scheuen diesen Weg oft wegen der hohen Kosten.
Mit der Musterfeststellungsklage können Verbraucherverbände für mindestens zehn Verbraucher zentrale Ansprüche gegen Unternehmen gerichtlich feststellen lassen, zum Beispiel bei rechtswidrigen AGB einer Bank oder Kfz-Abgaswerte-Betrug. Die Verbände sollen "zugunsten gleichartig geschädigter Verbraucher das Vorliegen oder Nichtvorliegen zentraler anspruchsbegründender beziehungsweise anspruchsausschließender Voraussetzungen feststellen lassen" können, heißt es wörtlich (Bundestagdrucksache 19/2439).
Damit handelt es sich sozusagen um eine "Sammelklage light", denn jeder Betroffene muss anschließend noch selbst vor Gericht ziehen, um sein Geld zurückzubekommen, wenn auch unter vereinfachten Bedingungen.
Rechtzeitig vor der Verjährung im VW-Dieselskandal
Das Gesetz tritt am 1. November dieses Jahres in Kraft, gerade noch rechtzeitig, um VW-Dieselkäufern von 2015 ihre Rechte zu sichern. Die Musterfeststellungsklage kann ausschließlich zwischen dem Verbraucherschutzverband und der beklagten Unternehmen geführt werden. Die betroffenen Verbraucher haben jedoch die Möglichkeit, ihre Ansprüche gegen das Unternehmen mit verjährungshemmender Wirkung zu einem Klageregister anzumelden.
Außerdem soll das Musterfeststellungsurteil Bindungswirkung für nachfolgende Klagen der Verbraucher entfalten. Damit steige die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung, vor allem für eine außergerichtlichen Einigung, meint die Regierung.
Ungleichbehandlung von Unternehmern und Verbrauchern
Nicht beschlossen wurde mit diesem Gesetz aber eine Aussetzung der Ahndung von Datenschutz-Verstößen, die viele Politikern gefordert hatten.
Dazu erklärt der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke: "Die Große Koalition verpasst mit der Verabschiedung die Chance, unseren Handwerksbetrieben die dringend notwendige Rechtssicherheit vor missbräuchlichen Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen zuzusichern." Es sei Handwerksbetrieben nicht zumutbar, erst die herausfordernden Vorschriften des neuen Datenschutzrechts umzusetzen und sich nun dem finanziellen Risiko missbräuchlicher Abmahnungen auszusetzen.
"Darüber hinaus bleibt auch die verabschiedete Musterfeststellungsklage hinter den Gestaltungsmöglichkeiten zurück", betont Schwannecke. Dabei habe es an Korrekturbedarf nicht gemangelt. Allein der Diesel-Skandal zeige, dass gerade Handwerkern mit ihren mangelhaften Fahrzeugen ein gleichberechtigter Zugang zur Musterfeststellungsklage gewährt werden müsse. "Die Antwort, warum Handwerkern dies verwehrt wird, bleibt die Politik schuldig", mahnt der ZDH-Chef. Unternehmer blieben gezwungen – anders als Verbraucher – das Prozesskostenrisiko eines Individualprozesses einzugehen. Dies führe zu einer nicht nachvollziehbaren Ungleichbehandlung von Unternehmern und Verbrauchern.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben