Mobbing: Klimakatastrophe im Betrieb
Konflikte unter Kollegen gibt es überall – auch im Handwerk. Wer sie im Unternehmen ignoriert und Mobbing nicht vorbeugt, riskiert finanzielle Schäden und Imageverlust.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Was Sie als Chef im Handwerk wissen müssen
Mobbing ist auch im Handwerk Thema, sagt Sylvia Bahrke, Demografie-Beraterin der Handwerkskammer Münster und tätig im Projekt Zukunfts-Initiative Handwerk Nordrhein-Westfalen. "Mitarbeiter haben häufig keine Möglichkeit, ihrem Chef zu erzählen, dass sie gemobbt werden, wenn Schikanen vom Vorgesetzten ausgehen, denn das ist in kleinen oder mittelständischen Unternehmen oft der Chef selbst. Solche Angriffe werden oft heruntergeschluckt, weil die Angst, den Job zu verlieren, enorm ist", so Bahrke. Auch sei es schwierig, Mobbing-Übergriffe nachzuweisen, was eine offene Ansprache noch erschwere. Deshalb liege die Vermutung nah, dass die Mobbing-Dunkelziffer hoch sei. Studien wie der Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) haben ergeben, dass mehr als eine Million Menschen in Deutschland von Mobbing betroffen sind.
Mobbing die Stirn bieten
Laut BauA heißt das, sie werden am Arbeitsplatz über längere Zeit schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt. Die Kosten, die dadurch entstehen, schätzt das Institut für Markt- und Sozialforschung auf 2,3 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht nur der finanzielle Schaden ist groß: In Zeiten, in denen Fachkräfte Mangelware sind, kann es sich kein Unternehmer leisten, gute Mitarbeiter zu verlieren. Grund genug, Mobbing die Stirn zu bieten.
Häufig seien Kommunikationsprobleme der Grund, wenn sich Konflikte zuspitzten, sagt Silke Eichten, Wirtschaftsmediatorin und Beraterin bei der Handwerkskammer Rheinhessen. In Stresssituationen könnten Worte zwischen Chef und Meister oder Kollegen fallen, die missachtend wirken könnten. "Spricht man das nicht an, kann sich die Situation gerade in einem kleinen Betrieb, in dem man sich nicht aus dem Weg gehen kann, hochschaukeln." Das Problem sei, dass im Handwerk manchmal zu wenig geredet werde, weiß auch Claudia Steil, Diplom-Psychologin und Betriebsberaterin der HwK Trier.
Konflikte nicht erst aufkommen lassen
Gute Erfahrungen mit einem offenen Umgang mit Konflikten haben Iris und Holger Leisenheimer in ihrer Malerwerkstätte gemacht. Als sich vor vier Jahren ein Lehrmädchen von einem Gesellen sexuell belästigt fühlte, kam sie direkt zu Iris Leisenheimer. "Wir haben Einzelgespräche mit ihr und dem Gesellen geführt und noch mit anderen, die auf der Baustelle dabei gewesen sind." Nachdem sie alle Seiten gehört hatten, konnten sie die Situation klären. "Er hatte sie väterlich um die Hüften gepackt und sie hatte das falsch interpretiert."
Sie hatten beide Mitarbeiter behalten wollen und nach einer Lösung gesucht. Also haben sie dafür gesorgt, dass die beiden selten zusammen auf einer Baustelle im Einsatz waren. Heute könnten sie wieder problemlos zusammenarbeiten, auch wenn ihr Verhältnis distanziert sei, erzählt Iris Leisenheimer. 16 Mitarbeiter beschäftigen die Leisenheimers und bemühen sich, Konflikte nicht erst aufkommen zu lassen. "Wir führen viele Gespräche und versuchen, auf jeden individuell einzugehen." Das koste Zeit, sei ihnen aber wichtig, sagt die Geschäftsfrau. Dafür seien Fluktuation und Krankenstand niedrig und das Engagement der Mitarbeiter hoch. Seit 2006 ist Leisenheimer als familienfreundlicher Betrieb zertifiziert.
Guter Führungsstil beugt Mobbing vor
Oft liege es an der Führung, wenn ernste Konflikte auftauchten, erklärt Claudia Steil. "Wenn ein Unternehmen schnell wächst und plötzlich nicht mehr drei, sondern zehn Mitarbeiter hat, merkt der Chef, dass es nicht mehr so rund läuft." Meist werde nur etwa zehn Prozent der Zeit in Führungsaufgaben investiert. "Mitarbeiter wollen aber geführt werden, sonst organisieren sie sich selbst", betont Steil. Werde Führung vernachlässigt, entstünden Strukturen, die Mobbing begünstigten.
Ein guter Chef solle seine Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten über Unternehmensstrategien aufklären, auf gemeinsame Ziele einschwören und ihre Eigenverantwortung fördern, so entlaste er auch sich selbst, sagt Silke Eichten. Zum Glück gebe es im Handwerk viele Chefs, denen daran gelegen sei, dass es den Mitarbeitern gut gehe. Auch sei der Umgangston oft offen und die Herangehensweise an Probleme praktisch und lösungsorientiert. Das beuge Mobbing vor.
Klare Strukturen, Verantwortungsbereiche und Aufgabenstellungen bei der Arbeit seien weitere Pluspunkte. Kommt es dennoch zu einem schier unlösbaren Konflikt, kann Hilfe von außen lohnen: Eine neutrale Person wie ein Mediator bringt die Beteiligten an einen Tisch, fragt nach dem Thema ihres Zwists und ihren Zielen. Will man weiter miteinander arbeiten? Wie kann das funktionieren? So werden praktische Lösungen erarbeitet. "Man kann viel Geld sparen, wenn man Konflikte schlichtet", sagt Silke Eichten. Den meisten Unternehmern sei das gar nicht bewusst.
Text:
Melanie Dorda /
handwerksblatt.de
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