Bau-Lieferservice "bex" expandiert in die größten Ballungszentren
Eine Palette Dachziegel oder fünf Säcke Zementmörtel lassen sich inzwischen genauso einfach über eine App bestellen wie Pizza oder Sushi. Der Lieferservice bex technologies gilt als "Lieferando für Baumaterial".
Kurz nach Zwei auf der Baustelle. Den Handwerkern geht der Fliesenkleber aus. Also muss schnell noch einer los. Weg von der Arbeit, ab ins Auto und zum Händler, um das dringend benötigte Material nachzukaufen. "In Ballungszentren kann das schon mal eine bis zwei Stunden dauern", weiß Lennart A. Paul, der über langjährige Erfahrung im Baustoffhandel und E-Commerce verfügt. Zeit, die auf der Baustelle fehlt. Geld, das mit einer unproduktiven Tätigkeit verschwendet wird. Um die kurzfristige Materialbeschaffung zu verbessern, hat er mit Johannes Keller das Unternehmen "bex technologies" gegründet. Ihre Geschäftsidee: Ware zum Mann, statt Mann zur Ware. "Mit unserer pragmatischen Lösung helfen wir unseren Kunden dabei, Geld, Zeit und Nerven zu sparen", erklärt der 32-Jährige.
70 Prozent nutzen die App
30 Prozent der Materialbestellungen gehen derzeit über E-Mail, WhatsApp oder Telefon bei bex in Stuttgart ein. "Unsere Ansprechpartner im Innendienst sind wochentags zwischen 7 und 18 Uhr erreichbar", erklärt Lennart A. Paul. Deutlich einfacher sei es aber, die App zu nutzen. 70 Prozent der Kunden wählen bereits diese Option. "Die Bestellung über die App ist ein geführter Prozess, der auch bei zwei, drei Posten in einer Minute erledigt ist." Das Programm für das Smartphone ist im App Store oder bei Google Play verfügbar. Nach der kostenlosen Registrierung können die Betriebe einen oder mehrere Lieferanten mitsamt ihrer Kundennummer hinterlegen. Damit bex bei den Händlern Material bestellen darf, müssen die Bau- und Handwerkskunden eine Einkaufsberechtigung erteilen.
Auto-Suggest-Funktion geplant
In der App werden das benötigte Produkt und die Menge in ein leeres Textfeld eingegeben. Auf einen detaillierten Katalog haben Lennart A. Paul und Johannes Keller bewusst verzichtet. "Wenn man nur schnell ein, zwei Sachen braucht, kann das Klicken durch ein riesiges Angebot echt schmerzhaft sein." Aus der Bestellhistorie heraus wisse der ausgewählte Händler, welches Produkt sein Kunde verwendet. Doch damit das Material noch eindeutiger identifiziert wird, soll im Laufe des Jahres in die App eine Auto-Suggest-Funktion integriert werden. "Das System fragt dann nach, ob dieses oder jenes Produkt gemeint ist."
Schnelle Lieferung bis einen Meter an die Wand
Lennart A. Paul, Gründer und Geschäftsführer von bex Foto: © bex technologiesNachdem die Kunden ihre Bestellung ins Textfeld eingegeben haben, wählen sie den Händler aus, bei dem bex die Ware kaufen und abholen soll sowie die gewünschte Zeit und den Ort der Belieferung. "In der Regel laden wir auf dem Bordstein ab, aber wir können das Material auch im Treppenhaus oder bis einen Meter vor die Wand auf der Baustelle in der siebten Etage platzieren." In puncto Zeit können die Kunden zwischen zwei Angeboten wählen – der Expresslieferung innerhalb von zwei Stunden nach Eingang der Bestellung oder der flexiblen Lieferung im einstündigen Zeitfenster.
Ist die Ware geordert, erhält der Händler eine Mail. Sie dient nicht nur als Einkaufsliste. "Sollte ein Produkt im Lager fehlen, kann der Lieferant sich an uns oder an seinen Kunden wenden und eine Alternative vorschlagen." Ist die Belieferung abgeschlossen, erhält der Handwerker von seinem Händler eine Rechnung über die gekaufte Ware und von bex eine Rechnung für den Lieferservice.
Just-in-time-Lieferung überwiegt
"Zu Anfang haben wir uns stark auf die Expresslieferung fokussiert. Mittlerweile macht sie aber nur noch 40 Prozent aus", sagt Lennart A. Paul. 60 Prozent der Bestellungen seien Just-in-time-Lieferungen. Dass das Material nicht erst vom Betrieb auf die Baustelle transportiert werden muss, eröffnet neue Möglichkeiten. "Ein Fliesenleger hat eines seiner Fahrzeuge abgeschafft. Im Prinzip könnte er sich morgens seinen Rucksack mit Werkzeugen schnappen und mit dem E-Bike direkt zur Baustelle fahren."
Bei größeren Projekten ließe sich die Belieferung konzentrierter und zeitsparender verwirklichen. "Auf manchen Baustellen kann zwischen sieben und neun keiner wirklich arbeiten, weil ständig ein neuer Lkw auf der Matte steht." Mit bex könne der Anlieferprozess so gesteuert werden, dass nur zu einem Zeitpunkt das komplette Material aller beteiligten Händler abgestellt wird. Darüber sei man schon mit Generalunternehmern im Gespräch.
Preisstaffelung nach Dringlichkeit und Gewicht
Die Preise des Logistikers sind abgestuft nach Dringlichkeit und Gewicht. Beim "2h-Express" liegt die Liefergebühr bis 50 Kilogramm bei 29 Euro. Bis 200 Kilogramm fallen 49 Euro an. Günstiger wird es ohne Zeitdruck. Der Tarif "Flex" beginnt für eine Materiallieferung bis zu 50 Kilogramm im einstündigen Zeitfenster bei 19 Euro. In den nächsthöheren Stufen bis zu 200 Kilogramm werden 29 Euro, für bis zu 1.000 Kilogramm 49 Euro in Rechnung gestellt.
"Eine Facharbeiterstunde kostet rund 50 Euro. Dafür können wir den Betrieben bis zu einer Tonne Material liefern", verdeutlicht Lennart A. Paul. Inzwischen würden einige Unternehmer erkennen, dass es günstiger ist, bex mit der Lieferung zu beauftragen, als ihre Mitarbeiter durch die ganze Stadt zum Baustoffhändler zu schicken.
Erster Testlauf im Raum Stuttgart
Foto: © bex technologiesIhr Geschäftsmodell haben Lennart A. Paul und Johannes Keller wie ein Computerspiel getestet. Zehn Betriebe verschiedener Gewerke im Raum Stuttgart konnten die "geschlossene Beta-Version" der App im Jahr 2019 auf Herz und Nieren prüfen. "Wir haben uns einen Sprinter gemietet und abwechselnd gearbeitet: Der eine hat die Aufträge angenommen, der andere ist gefahren." Nach zweieinhalbmonatiger Testphase stand fest, dass es einen Markt für ihr Angebot gibt.
Ab dem Frühjahr 2020 sind die Gründer mit ihrem Start-up in die Kundenakquise gegangen. Dabei konnten sie gleich den Kreis erweitern. Mit dem Versprechen, eine kurzfristige Lieferung zu ermöglichen, habe man auch den Nerv der Händler getroffen. "Sie halten eine eigene Logistik vor, mit der sie 80 Prozent der Standardbestellungen abdecken können. Aber die außerplanmäßigen 20 Prozent zu organisieren, tut mordsmäßig weh. Diese Lücke können wir mit ihnen gemeinsam schließen."
Bundesweite Expansion in die Ballungsräume
Inzwischen hat sich bex von Stuttgart aus entlang des Rheins und des Mains bis nach Hessen und Rheinland-Pfalz vorgearbeitet. Der Materialbeschaffer ist schon in über 70 Städten vertreten, darunter in Speyer, Worms, Mainz, Wiesbaden und Frankfurt am Main. Die Bestellungen werden von externen Fahrern ausgeliefert. Johannes Keller und Lennart A. Paul haben sich ein Netzwerk von 100 sogenannten Fulfillment-Partnern aufgebaut, deren über 300 Fahrzeuge sie flexibel wie ihren eigenen Fuhrpark nutzen können. Damit sie bei bex gelistet werden, müssen sie gewisse Qualitätskriterien erfüllen. Zu den Anforderungen gehören neben der technischen Ausstattung der Fahrzeuge, dass auf den Arbeitsschutz geachtet und dass der Mindestlohn gezahlt wird. "Materialien zur Baustelle zu liefern, ist schließlich etwas anderes, als ein Päckchen von Zalando abzugeben."
Bis Ende dieses Jahres sollen die 15 größten Ballungszentren wie Berlin, Hamburg, München, Leipzig sowie das Rhein- und Münsterland erschlossen sein. "Dass man auch in der Uckermark oder im tiefsten Bayerischen Wald über uns bestellen kann, dürfte noch etwas länger dauern."
HörtippIn der Folge 20 seines Podcasts "Digitalwerk" spricht Michél-Philipp Maruhn, Geschäftsführer der Beschaffungsplattform Roobeo, mit Lennart A. Paul ausführlich über dessen beruflichen Werdegang und seine Motivation, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Vor der Gründung von bex technologies war der 32-Jährige für die Würth-Gruppe, Spax, Sonepar und Hagebau aktiv. Zudem hat er die Unternehmensberatung Etribes aufgebaut. Seinem Mitgründer Johannes Keller ist er zunächst bei Würth begegnet. Später haben sie sich bei Hagebau wiedergetroffen und dort entschieden, auf eigene Rechnung mit dem Start-up "bex technologies" in der Baubranche tätig zu werden. Seine Leidenschaft für E-Commerce und digitale Geschäftsmodelle teilt Lennart A. Paul seit Juli 2016 auch mit anderen in seinem Podcast "warenausgang.com".
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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