Umsatzsteuer: "Das Ärgernis des Jahres"
Wenn ein Bauträger seinen Rechtsanspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuer geltend macht, muss der Handwerker alle Rechnungen neu schreiben. Für Berthold Schröder "ein bürokratischer Wahnsinn".
Eine Bürokratie-Lawine ist in diesem Frühjahr auf die Schreinerei und Holzbau GmbH von Berthold Schröder zugerollt. Ein Bauträger aus dem Kundenkreis des Unternehmens in Hamm (Westfalen) hat seinen Rechtsanspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuer nach Paragraf 13b Umsatzsteuergesetz genutzt. Das Finanzamt hat Berthold Schröder daraufhin aufgefordert, neue Bruttorechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer auszustellen.
Und zwar für 142 Fälle, die über drei Jahre angefallen sind! "Unsere Software ist aber so kalibriert, dass wir Rechnungen nachträglich nicht ändern dürfen", sagt der Firmenchef. "Wir hätten dann 142 mal neue Rechnungsnummern vergeben müssen. Bei Vorgängen, die bereits abgeschlossen sind, wäre das gar nicht möglich gewesen." Ein ganzer Aktenordner voller Rechnungskopien zeugt jetzt von dem bürokratischen Wahnsinn.
Folgenschweres Urteil
Zur Vorgeschichte: Um Umsatzsteuer-Karussellen im Baugewerbe ein Ende zu bereiten, wurde vor Jahren das Modell der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, international auch Reverse-Charge-Verfahren genannt, eingeführt. Alle in der Bauwirtschaft tätigen Unternehmen kennen das Modell, haben sich daran gewöhnt und ihr Rechnungswesen danach ausgerichtet. Doch dann kam das folgenschwere Urteil: Am 22. August 2013 entschied der Bundesfinanzhof – abweichend von der damaligen Auffassung der Finanzverwaltung –, dass Bauträger, die eigene Grundstücke bebauen, keine bauwerksbezogene Werklieferung erbringen. Bei ihnen würde kein Übergang der Steuerschuldnerschaft erfolgen.
Da sich die Neuregelungen als nicht praxistauglich erwiesen haben, gab es ein paar Monate später die Rolle rückwärts: Der Auftraggeber schuldet seit Oktober 2014 wieder die Umsatzsteuer für eine Bau- oder Gebäudereinigungsleistung, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen erbringt.
Das Problem sind die Altfälle
Handwerkliche Bauunternehmen, die vor dem 15. Februar 2014 für Bauträger gearbeitet haben, bekommen das Ausmaß des Urteils oft erst jetzt zu spüren. Etliche Bauträger haben zwischenzeitlich beschlossen, die im betroffenen Zeitraum abgeführte Umsatzsteuer von ihrem Finanzamt zurückzufordern. Der Fiskus ändert daraufhin die Steuerfestsetzungen des leistenden Handwerkers und setzt nachträglich eine höhere Umsatzsteuer fest. Im Unternehmen von Berthold Schröder für besagte 142 Rechnungen an einen Bauträger.
Handwerker muss mitwirken
Um die Handwerker vor finanziellen Risiken zu bewahren, wurde eine Abtretungsregelung eingeführt (siehe unten): Der Handwerker kann die Steuerschuld begleichen, indem er die Umsatzsteuerschuld an das Finanzamt abtritt. Doch damit das Finanzamt die Abtretung akzeptiert, muss der Betrieb Beweise vorlegen. Er hat eine "Mitwirkungspflicht", wie Henrik Himpe, Justiziar der Handwerkskammer Dortmund betont. Er muss dem Finanzamt alle nötigen Unterlagen zur Verfügung stellen.
Für Berthold Schröder, der auch Präsident der Dortmunder Handwerkskammer ist, ist das "ein Schildbürgerstreich sondergleichen". Am Ende hat das Finanzamt kulant reagiert und eine Excel-Liste akzeptiert, in der die 142 Fälle mit den alten Rechnungsnummern und virtuellen neuen Rechnungsnummern aufgelistet sind. "Aber der Personalaufwand war trotzdem enorm", sagt der Unternehmer. "Eine unserer Mitarbeiterinnen war zwei Tage damit beschäftigt, die Liste zu erstellen."
Extra-Kosten für den Steuerberater
Zusätzlich zum internen Personalaufwand fallen noch Extra-Kosten für den Steuerberater an, der diesen Sonderaufwand zusätzlich vergütet haben möchte. Es gab eine Sonderprüfung des Finanzamtes im März, die der Steuerberater mit Personal begleiten musste. Schröder rechnet mit zusätzlichen Kosten von 1.000 Euro für den Steuerberater. "Ohne das Entgegenkommen des Finanzamtes wäre der Aufwand noch größer gewesen", betont Schröder.
"Vertrauensschutz für Handwerker wäre richtig gewesen"
"Es wäre richtiger gewesen, wenn man dem Handwerk einen Vertrauensschutz zugebilligt hätte. Wir haben doch alles richtig gemacht und Rechnungen geschrieben, die zum damaligen Zeitpunkt korrekt waren. Es ist ein Skandal, dass man uns Handwerker mit den Folgen alleine lässt." Für den Unternehmer und Kammerpräsidenten ist das das "Ärgernis des Jahres". Der Betrieb hat noch weitere Bauträger in seiner Kundschaft. Bisher haben sie darauf verzichtet, die Umsatzsteuer zurückzufordern. Aber wer weiß, wie lange noch? Immerhin: Durch eine Neuregelung im Gesetz lässt man die Betriebe nicht mehr im Ungefähren. Das Finanzamt bescheinigt dem Bauträger seinen Status als bauleistender Unternehmer. Kann der Bauträger die Bescheinigung nicht vorlegen, darf der Handwerker eine Bruttorechnung schreiben. Schröder: "Das sorgt heute für Rechtssicherheit."
Praxis-Tipp:
Seit einer gesetzlichen Anpassung vom 1. Oktober 2014 (sogenanntes Kroatien-Anpassungsgesetz) ist wieder alles wie früher. Die Bauträger zahlen die Umsatzsteuer an das Finanzamt, wenn sie selbst nachhaltig Bauleistungen erbringen. Das ist dann der Fall, wenn Bauleistungen mehr als zehn Prozent des weltweiten Umsatzes des Unternehmens ausmachen.
- Das Finanzamt bescheinigt dem Bauträger seinen Status als bauleistender Unternehmer.
- Diese Bescheinigung gilt für drei Jahre.
- "Für den Handwerker bedeutet eine solche Bescheinigung Rechtssicherheit", sagt Henrik Himpe, Justiziar der Handwerkskammer Dortmund.
- "Wenn der Bauträger es verlangt, muss der Handwerker eine Nettorechnung ausstellen."
- Ohne die Bescheinigung über die Bauleistendeneigenschaft des Auftraggebers kann der Handwerker eine Bruttorechnung schreiben. Neu ist, dass sich die Vertragspartner in Zweifelsfällen auf die Anwendung des Paragrafen 13b UStG einigen können.
BFH zweifelt Abtretungsregelung an
Mit einem folgenschweren Urteil entschied der Bundesfinanzhof (BFH) im August 2013, dass Bauträger, die keine Bauleistungen erbringen, keine Steuerschuldner im Sinne des Paragrafen 13b UStG sind. Das Gericht stellte sich mit dem Urteil gegen die damalige Auffassung der Finanzverwaltung und sorgte für eine Kehrtwende in der Besteuerung der Baubranche, die allerdings am 1. Oktober 2014 wieder zurückgenommen wurde. Aufträge, die vorher an Bauträger erbracht wurden, stellen Handwerker nun vor Herausforderungen.
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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