Die Tischlermeister Henrik ­Derksen (l.) und Martin Winkler aus Kleve ­vermessen mit einem ­3D-­Laserscanner Räume,  Dächer und ­Fassaden für eigene  Möbelentwürfe und für  Kollegen.

Die Tischlermeister Henrik ­Derksen (l.) und Martin Winkler aus Kleve ­vermessen mit einem ­3D-­Laserscanner Räume, Dächer und ­Fassaden für eigene Möbelentwürfe und für Kollegen. (Foto: © Marcus van Offern)

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Das Aufmaß aus der Punktwolke

Die Tischlermeister Henrik ­Derksen und Martin Winkler aus Kleve vermessen Räume und Gebäude mit ­einem 3D-Laserscanner. Auch Kollegen wissen das punktgenaue Aufmaß zu schätzen.

Ein Laserscanner sitzt auf einem fast zwei Meter hohen Stativ, ein Beamer wirft Entwürfe von Fassaden an die Wand, ein 3D-Drucker fertigt leise vor sich hin ein Modell von einem Wohnzimmer ... Das Büro von Henrik Derksen und Martin Winkler ist voller Technik bis unter die Dachschrägen. Henrik Derksen (38) und Martin Winkler (39) sind Tischlermeister, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Sie kennen sich schon von der Schulzeit und haben sich vor neun Jahren beruflich zusammengetan. Doch CNC-Maschine oder Hobelbank sucht man bei den Unternehmern vergeblich.

Kreative Möbelentwürfe und individuelle Einbauten 

Als ihre Werkstatt in Kleve am Niederrhein vor drei Jahren der Unterstadtbebauung weichen musste, standen die Freunde und Geschäftspartner vor der Entscheidung: Wieder von vorne anfangen oder etwas ganz anderes machen? Sie entschieden sich für einen Neuanfang mit ihrem Unternehmen "ARTline Innovationen in Holz". Ihre kreativen Möbelentwürfe und individuellen Einbauten für Büros, Praxen, Privat­häuser oder Kinos im In- und Ausland entstehen heute ausschließlich am Computer. Fertigen lassen sie bei der Tischlerei Gehring und Jarc. Den Einbau beim Kunden übernehmen sie wieder selbst.

Das wichtigste Werkzeug ist der PC

Das wichtigste Werkzeug von Henrik Derksen und Martin Winkler sind Hochleistungsrechner und große Monitore – zwei für jeden. "Das war ein guter Schritt", sagt Derksen. Er überzeugt skeptische Kunden gerne mit dem Argument: "BMW lässt seine Lenkräder ja auch von einem Zulieferer fertigen und am Ende ist es trotzdem ein BMW." Den Grundstein für den Neuanfang haben die zweidimensionalen und später dreidimensionalen Möbelentwürfe und Einrichtungsideen gelegt, für die die technikbegeisterten Tischler die Software "Vectorworks Interior CAD" nutzen.

Visualisierung ist der Schlüssel zu allem

"Die Visualisierung eines Projekts, also das Bild, das man dem Kunden präsentieren kann, ist der Schlüssel zu allem. Das ist der Auftrag", sagen die Unternehmer. "Mein Vater hat Küchenentwürfe noch von Hand gezeichnet und koliert", erzählt Derksen, der auch Betriebswirt des Handwerks ist und den Betrieb 2003 vom Vater übernommen hat. "Und was machte der Kunde? Er hat die Arbeit von einem Wochenende durchgestrichen und mein Vater durfte von vorne beginnen." Das war ein Grund, warum er sich schon als Geselle ein Zeichenprogramm für den PC zugelegt hat.

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Ein Meilenstein: Der 3D-Laserscanner  

Ein wichtiger Meilenstein des Unternehmens war im Jahr 2014. Für eine hohe fünfstellige Summe haben die Geschäftspartner in einen 3D-Laserscanner investiert. Ein grauer, unscheinbarer Kasten, der es in sich hat. Der Scanner vermisst jeden noch so kleinen Winkel eines Raums oder einer Außenfassade in kürzester Zeit hochgenau. Er dreht sich einmal um die eigene Achse, misst alle vier Millimeter und erzeugt dabei eine dreidimensionale sogenannte Punktwolke.

Bis auf eine Entfernung von 120 Metern punktgenaue Vermessung

Henrik Derksen hat einen ­3D-Drucker im Büro. Foto: © Marcus van Offern Henrik Derksen hat einen ­3D-Drucker im Büro. Foto: © Marcus van Offern Der Scanner misst jeden Punkt, den er sieht, bis auf eine Entfernung von 120 Metern. Jede noch so kleine Unebenheit in der Sockelleiste, in der Decke oder auf dem Fußboden erfasst das Gerät. Dann kommt der Mensch ins Spiel: Auf Basis dieser Messdaten fertigen Winkler und ­Derksen am PC realistische Bilder und können geplante Bauwerke, Möbel oder Küchen in die "Punktwolke" einfügen und farbig darstellen.

Dem Kunden wird schließlich eine Grafik präsentiert, auf der er proportionsgetreu sehen kann, wie der geplante Anbau neben seinem Haus aussehen würde oder wie die neue Küche neben den Esszimmermöbeln wirkt. Das sei ein wichtiges Verkaufsargument. Und was die Tischlermeister besonders schwärmen lässt: "Maßfehler, wie sie beim händischen Aufmaß immer wieder vorkommen, sind bei dem Scan ausgeschlossen."

Dienstleistung für Schreiner, Metallbauer, Restauratoren oder Dachdecker

ARTline bietet seine Vermessung inzwischen auch als Dienstleistung für andere Schreiner, für Metallbauer, Restaura­toren, Dachdecker oder Architekten an. So haben sie im Auftrag eines Tischlers ein Multiplexkino in Mannheim bei laufendem Betrieb in nur einem Tag vermessen. Für einen Architekten wurden die Dach- und Fassadenflächen der Düsseldorfer Kreuzkirche gescannt und für einen Schlosser eine Industrieanlage in Rostock. "Natürlich kann das auch ein Vermessungsbüro, aber wir als Handwerker lesen die Baustelle ganz anders, wir sprechen die Sprache der Kollegen", betont Winkler.


Und was produziert der 3D-Drucker im Nachbarbüro? "Das Modell eines Wohnzimmers, für das wir ein Sideboard planen", erklärt Hendrik Derksen. Noch sei der Drucker eine bisschen Spielerei, "aber wir müssen die Technik verstehen, denn das ist die Zukunft und wir wollen für die Zukunft gerüstet sein". Und Martin Winkler ergänzt: "Die Digitalisierung wird sich dramatisch schnell weiterentwickeln. Wir müssen im Handwerk jetzt reagieren, anstatt abzuwarten, was passiert."

Text: / handwerksblatt.de

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