"Der Verkehrssektor ist das Sorgenkind"
Beim Klimaschutz mache der Verkehrssektor wenig Fortschritte, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Hier passiere zu wenig, um die CO2-Emissionen zu senken.
Stefan Kapferer (52) ist Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Im Gespräch mit dem Deutschen Handwerksblatt spricht er über EEG-Umlage, Reduktion von Treibhausgasen und Energieeffizienz im Gebäudesektor.
DHB: Laut ZDH sind mittelständische Unternehmen überproportional von der Kostenbelastung durch EEG- und Netzumlage betroffen. Wie kann man sie entlasten?
Kapferer: Wir brauchen eine Reform des Abgaben- und Umlagensystems bei Strom: Erstens sollte die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum zu reduziert werden. Zweitens: Energieintensive Industrien zahlen eine ermäßigte EEG-Umlage. Das belastet die übrigen Stromkunden. Diese Ermäßigung für die energieintensiven Industrien sollte steuerfinanziert werden, denn es handelt sich vornehmlich um eine industriepolitische Maßnahme. Durch diese beiden Schritte könnte der Strompreis um insgesamt bis zu 3,65 Cent je Kilowattstunde sinken. Mit der letzten EEG-Novelle und dem Umstieg auf ein Ausschreibungsverfahren ist richtigerweise der Weg zu mehr Kosteneffizienz eingeschlagen worden. Das ist ein weiterer Zwi-schenschritt zu Wettbewerb auf dem Energiemarkt der Zukunft.
DHB: Bei den Erneuerbaren gibt es deutliche Fortschritte, bei der Reduktion von Treibhausgasen weniger. Was tun?
Kapferer: Das Umweltbundesamt hat kürzlich interessante Zahlen veröffentlicht: Die Energiewirtschaft konnte die Treibhausgasemissionen allein im vergangenen Jahr um 5,4 Prozent gegenüber 2016 senken. Auch in den Jahren davor sind die Emissionen im Energiesektor gesunken. Es lässt sich also mit Recht sagen: Die Energiewirtschaft liefert. Ganz anders sieht das in den anderen Bereichen aus: Sorgenkind des Klimaschutzes ist dagegen der Verkehrssektor: Hier passiert zu wenig, im Gegenteil: Die CO2-Emissionen sind hier sogar gestiegen. Wichtig wäre es vor allem, endlich auch dem CO2-Ausstoß in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Wärmemarkt einen Preis zu geben. Und: Die Energiewende gelingt nur, wenn wir den erforderlichen Netzausbau schaffen und wenn Innovationen in der Netztechnologie ermöglicht werden. Allein im Verteil- und Übertragungsnetz müssen aufgrund der Integration der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren über 40 Milliarden Euro investiert werden, hinzu kommen die Investitionen in die Gasinfrastruktur.
Wie kann man aus Ihrer Sicht die Energieeffizienz voranbringen? Welche Hebel sollte die Politik einsetzen?
Kapferer: Der Gebäudesektor hat mit etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und einem Drittel der Treibhausgasemissionen in Deutschland ein beachtliches Einsparpotential. Im Wärmemarkt sollte deshalb die steuerliche Abschreibung bei Heizungsmodernisierungen schnellstmöglich eingeführt werden. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene steuerliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung ist allerdings noch zu kraftlos, das vorgesehene Finanzvolumen ist viel zu gering. So wird keine Modernisierungsoffensive ausgelöst. Marktbasierte Energiedienstleistungsangebote können kostenoptimal und nachhaltig die Energieeffizienz in allen Sektoren steigern. Der Markt für diese Dienstleistungen ist in Deutschland bereits weit entwickelt; weitere Potenziale können durch den Abbau konkreter Hemmnisse erschlossen werden, etwa solche zum Contracting im Mietrecht und im EEG. Die Energiewirtschaft unterstützt außerdem die Initiative Energieeffizienz-Netzwerke. Diese Initiative wurde von der Bundesregierung, dem BDEW und 17 weiteren Verbänden und Or-ganisationen gegründet. Diese Netzwerke ermöglichen einen systematischen, zielgerichteten Erfahrungs- und Ideenaustausch von jeweils bis zu 15 Unternehmen oder Unternehmens-standorten. Ziel ist, dass die Unternehmen dauerhaft eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und damit potenziell eine spürbare Senkung der Energiekosten erreichen.
Die Fragen stellte Lars Otten
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben